innerhalb des ERP ein zentrales Element ist. War es also Propaganda an die Adresse der Schweizer Öffentlichkeit?
Eine jener amerikanischen Eigenschaften, die die Europäer von den Amerikanern übernehmen sollten, war eine effiziente Produktion. Hierfür wurde ein kleines, relativ unabhängiges Teilprogramm zum Marshallplan geschaffen, die sogenannte US Technical Assistance and Productivity Mission (USTA&P) oder kurz Productivity Mission.180 Ziel der Aktivitäten der USTA&P war, die Produktivität der europäischen Industrie und Verwaltung zu steigern und dem Level ihrer amerikanischen Pendants anzugleichen.181 Als der Marshallplan im Juni 1952 offiziell auslief, wurde die Productivity Mission zu einem der wichtigsten amerikanischen Unterstützungsprogramme, die noch stärker als der Marshallplan zum Ziel hatten, in Europa amerikanische Werte, Techniken sowie Wissen und Verhaltensweisen zu etablieren.
Ein wichtiger Bestandteil der Productivity Mission war die Förderung von Studienreisen, wie sie zu jener Zeit auch in der Schweiz in vielen Wirtschaftsbranchen äussert beliebt waren. Im Rahmen des Austauschprogramms der Productivity Mission erfolgten Studienreisen in beide Richtungen. Zum einen wurden amerikanische Geschäftsleute, Gewerkschaftsvertreter und Professoren nach Europa geschickt, damit sie ihre europäischen Pendants über amerikanische Organisationen, Methoden, Theorien informieren konnten, zum anderen bekamen auch zahlreiche europäische Entscheidungsträger aus den unterschiedlichsten Bereichen die Gelegenheit, an einer Reise in die USA teilzunehmen, um von den Amerikanern zu lernen.182
Vorgelebt und vermittelt wurde der American way of life den Europäern nach 1945 auf vielfältige Weise: Durch die GIs, in amerikanischen Kinofilmen und zunehmend auch in Fernsehserien, in der Werbung sowie in Zeitschriften und den Nachrichten durch Beiträge und Bilder. Richard Pells hält fest:
«The ubiquitous GI was often the first American most people in Britain, France, Italy, or Germany had ever met, the first American whose behavior they were able to observe at close range. […] As they swaggered down the street, brimming with health and confidence, looking larger than life and certainly more robust than the local population, the soldiers seemed the embodiments of a vulgar, flamboyant, mythological America.»183
Diese Aussage trifft auch auf die Schweiz zu, obwohl Pells sie hier vernachlässigt. Die rund dreitausend GIs, die nach dem Krieg zur Erholung in der Schweiz reisten, hinterliessen hierzulande einen ebenso bleibenden Eindruck wie im übrigen Europa, und sie brachten die einheimische Bevölkerung in Kontakt mit neuen Konsumgütern und Lebensmitteln, aber auch mit amerikanischem Jazz und amerikanischen Verhaltensweisen.184 Der englische Frontartikel in der NZZ vom 25. Juli 1945 mit dem Titel «Welcome to Switzerland»185 sowie die Broschüre, die man den amerikanischen Soldaten als Erinnerung an ihre Reise übergab, sind Beispiele dafür, dass die GIs willkommene Gäste waren.186 Besonders bei den Jugendlichen hatte das lässige, unautoritäre Auftreten der Amerikaner grosse Anziehungskraft.187 Die europäischen Gesellschaften, in denen – so die Erinnerung von Hans Magnus Enzensberger – «unbekleidete Damen […] nur im Museum zu besichtigen [waren]», «für unverheiratete Paare […] der Kuppelei-Paragraf [galt]» und in denen «Homosexualität […] mit gesellschaftlicher Ächtung und Abtreibung mit Gefängnis bestraft [wurde]»,188 wirkten dagegen verkorkst, borniert und starr. Die USA hingegen waren das Land der Verheissung, des Wohlstands, der Freiheit. Und gleichzeitig sahen viele nach Kriegsende in der neuen Weltmacht eine Art Held und Beschützer, mit dem man sich identifizierte, wie etwa die Anekdote des Schweizer Philosophen Georg Kohler aus dessen Kindheit zeigt:
«Mein Freund damals hiess Res, Res Stalder. […] Ich war sieben, Res neun. Von Res lernte ich ziemlich viel. Zum Beispiel, warum die Schweiz vor den Russen keine Angst haben musste, obwohl diese jetzt die Atombombe hatten. Deshalb nämlich, weil die ‹Amerikaner›, und das bedeutete, ‹wir›, eben nicht bloss die Atom- und die Wasserstoffbombe, sondern neuerdings auch die ‹Kobaltbombe› besässen.»189
So wurden die USA in der Nachkriegszeit zu einem Leitbild in mehrfacher Hinsicht: Gesellschaftlich-kulturell waren es insbesondere die Jugend, aber auch proletarische Kreise, die dem amerikanischen Vorbild folgten und von Musikstilen über Verhaltensweisen, Konsumgüter und Genussmittel bis hin zur Mode den American way of life imitierten und adaptierten. Kaspar Maase spricht in diesem Kontext auch von «Amerikanisierung von unten».190 Die «Erwachsenen» aus dem Mittelstand hingegen übernahmen amerikanische Konzepte und Gewohnheiten weniger im Privatleben als in der Arbeitswelt: bei der Produktion, im Verkauf, bei der Vermarktung. Hier wird insbesondere der Effekt der Nachahmung eines «vermeintlichen oder tatsächlichen» Vorsprungs wichtig. Auch im weiblichen, «heimischen Arbeitsumfeld» wie der Küche und dem Haushalt wurde der American way bedeutend, wie noch zu zeigen sein wird.
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