Bewohner einer höheren Welt, die mit ewiger Jugend ausgestattet waren. Keinesfalls war damit an Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde, gedacht.
Jesus, so die Überzeugung der ersten Christen, verdiene den Titel ‚Gott‘ oder ‚Gottes Sohn‘ weit mehr als diese Halbgötter ihrer Umgebung mit all ihren Schwächen. Für den Verfasser des vierten Evangeliums, er schreibt um die Jahrhundertwende, bleibt der Vater noch immer größer als der Sohn. Man glaubte an Gott, den Vater, den Schöpfer des Himmels und der Erde, und man glaubte an Jesus, den Mann aus Nazareth.
Für uns und unseren Glauben sagen wir dieses: Jesus ist für uns Weg und Wahrheit, Wort Gottes an uns und Licht der Welt. Es genügt also zu bekennen: Jesus ist der Christus, der Gesandte Gottes in unsere Welt, für uns Menschen, für alle Menschen.
Vom Glauben an diesen Jesus und seine Botschaft dürfen wir das Heil erwarten. In Jesus erkennen wir die Erlösung durch Gott. Nicht von ungefähr lautet eine frühchristliche Formel: „Wer Jesus sieht, sieht den Vater“. Und doch sagt Jesus selber klar und eindeutig: „Der Vater ist größer als ich“ (Joh 14,28).
Wenn wir in diesem Zusammenhang von Froher Botschaft sprechen, dann ist es die: In Jesus Christus offenbart sich Gott, der mit uns ist. So wie sich Gott schon einst Mose gegenüber geoffenbart hat: Ich bin der „ich bin da“. Ich bin für euch da.
2. Ein Segen sein
Gott ist das Gute und alles, was aus ihm hervorgeht, ist gut. (Hildegard von Bingen)
Das erste große Ereignis in der Geschichte des Alls wie unserer kleinen Welt ist der Segen. Der Segen ist sozusagen das Ur-Evangelium, das in die Schöpfung hineingelegt wurde. Seither ist die Frohe Botschaft Gottes ganz nahe bei den Menschen. Dieser Segen geht immer weiter, weil auch die Schöpfung immer weiter geht.
Wir können Raum und Zeit dieses ungeheuren und zugleich wundersamen Vorgangs nicht ermessen. Lichtjahr, das ist ja nur der bescheidene Versuch eines Maßes. Ein Lichtjahr ist die Strecke, die das Licht in einem Jahr in absolutem Vakuum zurücklegt. Das sind etwa 9,5 Billionen Kilometer. Schon bei dieser Zahl kommt uns der Gedanke: Wie können Menschen es dann wagen, Gott, der nach unserer Überzeugung hinter allem und über allem steht, so kleinzurechnen und ihn in ihre engen Bilder zu fangen.
Segen hat immer mit Beziehung zu tun. Man segnet nicht wirklich, wenn man beim Segnen nicht etwas von sich abgibt; man empfängt keinen Segen, ohne mit dem Segnenden verbunden zu sein. Deswegen ist die Spiritualität des Segens eine Spiritualität der Beziehung. Ohne Segen ist der Tank bald leer und (nicht nur) Beziehungen zerbrechen. Deswegen hat Jesus die Menschen durch einfache Berührungen an Augen, Ohren und Mund gesegnet und sie für das Evangelium geöffnet.
Der Segen geht von einer liebenden Quelle aus, wir nennen sie Gott. Damit ist die ganze Schöpfung gesegnet und sie wird selber zum Segen. Gottes Segen steht am Ursprung unseres Alls und unserer kleinen Welt und wurde vor vielleicht 20 Milliarden Jahren zum ersten Male gesprochen: Gott sah, heißt es in der Hebräischen Bibel, dass es gut war. Sehr gut sogar.
Gott wendet sich dem Menschen im Segen zu. Der Segen hängt mit dem Leben, dem Überleben und dem Genuss der grundlegenden Gaben des Lebens zusammen. Dafür bleiben zum Beispiel das Tischgebet oder das stille, gesammelte Schweigen vor dem Essen ein Zeichen.
Der große Segen, er geht der Schöpfung voraus, ist die Grundlage allen Vertrauens und Glaubens. Wer kann da noch die Meinung haben, Gott sei ein Krämer, ein Polizist, ein Automat?
Einfach zu sein ist ein Segen,
einfach zu leben ist heilig.
(Rabbi Heschel)
Im Buch Numeri wird der so genannte aaronitische Segen zum ersten Mal festgehalten. Am Ende eines evangelischen Gottesdienstes ist er oft zu hören:
Der Herr
segne dich und behüte dich;
Der Herr
lasse sein Angesicht leuchten über dir
und sei dir gnädig;
Der Herr
hebe sein Angesicht über dich
und gebe dir Frieden.
(Num 6,24–26)
Das hebräische Wort für Segen, ‚beraka‘, kann sowohl Erschaffung wie Rastplatz heißen. Bevor man Menschen dazu brachte, an so etwas wie ‚Sünde‘ zu denken, gab es schon den Segen. Damit sind unsere Erdhaftigkeit, unsere Sinnlichkeit und unsere Leidenschaft ein Segen. Allerdings, so Meister Eckhart, brauchen die drei das Zaumzeug der Liebe. „Liebe, und dann tu, was du willst“, das ist eines der wesentlichen Worte des Augustinus, hinter denen wir voll und ganz stehen können.
Unser (westliches) Problem, das seine Ursache in der griechischen Philosophie hat, ist es, dass wir alles unter der Vorgabe des Dualismus sehen: Alles hat seine zwei Seiten, sagen wir. Also gibt es Gut und Böse, Licht und Schatten, die einander widerstreiten. Dabei übersehen wir leicht, dass das Licht für den Schatten verantwortlich ist und es ohne Schatten kein Licht gibt. Das alles zeigt sich unter dem Segen. Er vereint, was getrennt scheint.
Gefährlicher noch ist, wenn eine Seite die andere ausgrenzt. Auch das will der Segen verhindern. Was gesegnet ist, kann zum Segen werden
Ochs und Esel
Im Garten des Klosters
dachte der eine Mönch halblaut nach,
warum eigentlich Gott den Menschen erst am sechsten Tag,
also ganz zuletzt, geschaffen habe.
Sein Mitbruder gab ihm zur Antwort:
„Damit wir uns immer dann,
wenn wir überheblich werden,
daran erinnern,
dass sogar Ochse und Esel uns voraus sind.“
Die jüdische Spiritualität, aus der Jesus kam, kannte die Wörter für ‚Körper‘ und ‚Seele‘ nicht, die in der kirchlichen Lehre oft genug als Gegensatz verstanden wurden – mit allem Negativen, was sich im Lauf der Zeit daraus entwickelt hat, zum Beispiel, die Seele sei im Körper gefangen und erst im Tode werde sie frei. Für die Bibel gibt es schlicht und einfach nur ‚Leben‘.
Der Bruch und damit die Trennung vom Leben kam, als die Kirchenväter im 4. und 5. Jahrhundert begannen, Jesus die Menschlichkeit, die Erdhaftigkeit, die Sexualität abzusprechen und damit seine wahre Demut, sein menschliches, leibhaftiges Leben, das sicher auch von Sexualität geprägt war, auch wenn die Schrift nicht davon spricht. Aus dem Jesus unseres Lebens wurde der von allem Irdischen enthobene und abgehobene Christus in der Herrlichkeit Gottes. Damit ging mehr und mehr die Bodenhaftung der Frohen Botschaft verloren. Das gilt es auch zu bedenken, wenn wir in einem Atemzug ‚Jesus Christus‘ sagen. Das Menschliche an dem Mann aus Nazareth: dass er allen Leuten zu Fuß und damit auf Augenhöhe begegnet ist, darf nicht verloren gehen.
Jesus war zeit seines Lebens ganz nahe bei den Menschen. Selbst noch am Kreuz sorgte er sich um seine Mutter. Jesus berührte zeit seines Lebens die Menschen mit seinem Segen und rührte sie an: „Man brachte Kinder zu Jesus, damit er sie anrühre. Die Jünger aber fuhren sie an. Als das aber Jesus sah, wurde er zornig und sagte zu ihnen: Lasst die Kinder zu mir kommen und hindert sie nicht daran; denn für solche wie sie ist das Reich Gottes. Amen, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen. Und er herzte sie und segnete sie, indem er ihnen die Hände auflegte“ (Mk 10,13–16).
Jesus gibt ein Zeichen von Demut, wie wir diese Haltung verstehen sollten. Das passende Wort dafür ist heute: Einfachheit. Demütig zu sein – das Wort humilitas kommt von ‚humus‘, Erde – bedeutet, mit beiden Beinen