Roland Breitenbach

Das Evangelium zu Fuß


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Magd‘ Gottes zu verstehen und nicht als ein unterwürfiges, selbstverachtendes Leben. Es gilt für das Christentum in die Erde zu greifen, wie es die feministisch geprägte ‚Barfuß-Theologie‘ versucht.

       Gott im Staub

      Die Menschen wunderten sich,

      wenn sie dem Alten begegneten.

      Bevor sie ihm die Hand reichen konnten,

      berührte er den Boden, als ob er dort etwas suche.

      Sie fragten nach dem Grund seines seltsamen Verhaltens.

      Er sagte: „Wenn zwei Menschen sich begegnen,

      liegt Gott vor ihnen im Staub.

      Je nachdem, wie die Begegnung ausgeht,

       freundlich oder feindlich, kann er sich aufrichten

       oder wird tiefer in den Staub getreten.“

      Im Katakombenpakt haben während des Zweiten Vatikanischen Konzils rund 500 katholische Bischöfe gelobt, diese Bodenhaftung zu versuchen und zu den Menschen, vor allem zu den Armen, materiell und spirituell auf Augenhöhe zu gehen. Gerade die Armen und Ausgegrenzten sind die von Jesus Gesegneten.

      Vielen Gläubigen ist die Theologie des Segens schon deshalb verloren gegangen, weil man sie dazu nicht ermächtigt hat. Der Segen wurde zu einer klerikalen Sonderaufgabe. Denken wir nur an die Segnungsautomatik unserer Bischöfe beim Einzug in die Kirche.

      Wenn die ganze Schöpfung ein Segen ist, dann ist die Freude die angemessene Reaktion darauf. Freude ist eine der schönsten und tiefsten Erfahrungen unseres Lebens. Die Quelle aller echten Freude ist Gott. Wer aber die Freude nicht schon hier schmeckt, wie will er sie dann bei Gott genießen können? Es ist für das Christentum ganz wichtig, wieder zum Vorgeschmack des Himmels zu werden. Dann stimmt es auch wieder, wenn wir sagen: Das Reich Gottes ist mitten unter uns.

      Bei den Propheten ist der Segen ein zentrales Motiv. Er ist für sie erlösend. Der Segen kann erlösen, weil er Vertrauen, Hoffnung und Zuversicht auslöst, damit Freude und Glück.

      Leider hat nicht der Segen, sondern die Sünde jahrhundertelang in der Kirche eine wichtigere Rolle gespielt. Man kann den Gott des Segens eine Zeit lang übertönen, aber er lässt sich nicht für immer zum Schweigen bringen.

      Die Propheten predigen den Segen, weil es die Freude ist, die den Menschen zutiefst wandeln kann. Für viele wurde die Eucharistiefeier bedeutungs- und wirkungslos, als man begann, „die Messe zu lesen“, statt sie zu feiern. Das ist noch nicht überwunden. Man hat vielerorts wieder das dunkle Gefühl, dass das gedruckte Wort im Messbuch nicht nur zwischen dem, der es vorliest, und dem, der es hören und mitvollziehen soll, wie eine Mauer steht, sondern auch zwischen den Menschen und Gott. Die Liturgie wie der Segen leben aber von einer menschennahen Sprache.

      Eine Rückkehr zum Ursprünglichen ist sehr schwierig geworden, weil sich die Menschen, vor allem die Jungen, andere Orte und Möglichkeiten des Feierns gesucht haben. Die Liturgiereform hat zu wenig an die Kunst des Feierns gedacht. Fröhlichkeit und Freude gehören immer zu einem Gottesdienst dazu. Und nicht in erster Linie die Genauigkeit der Worte und der Gesten.

      Der irisch-keltische Theologe Johannes Scotus sagt: „Mit dem Universum meine ich Gott und die Schöpfung.“ Das Universum ist sakramental, von Gott erfüllt. In diesem Sinne ist auch ein Fels gesegnet. Er bewahrt in aller Ruhe den Schöpfungssegen des Anfangs in sich. Die Steinkreise und Steinreihen Irlands etwa können uns daran erinnern, wenn sie etwas von ihrer innewohnenden spirituellen Kraft erfahrbar machen. Oder ein Baum. Auch er ist gesegnet. Neunzig Prozent ist totes Holz, aber das Tote trägt das Leben, das sich in den aufsteigenden, und, das wird oft vergessen, auch in den absteigenden Säften zeigt. Ein wunderbares Symbol für den Segen.

       Gebet und Segen

       Ein Mensch, der seinen großen Reichtum

      nicht allein seiner Hände Arbeit zu verdanken hatte,

      kam zum Holzschnitzer,

      um sich eine Decke aus Zirbenholz schnitzen zu lassen.

      „Am liebsten wäre es mir“, sagte der Auftraggeber,

       „wenn du ein Gebet für den frühen Morgen

       und eine Gewissenserforschung für den Abend

       in die Holzdecke schnitzen könntest!“

      Als die Holzdecke nach einigen Wochen fertig war,

       konnte der Hausherr im Sechseck folgenden Spruch lesen:

      Wo Glaube, da Hoffnung.

      Wo Hoffnung, da Liebe.

      Wo Liebe, da Friede.

      Wo Friede, da Segen.

      Wo Segen, da Gott.

      Wo Gott, da keine Not.

      (Zirbelstube Hallerhof Brixen)

      Auch das Spiel hat unendlich viel mit Segen zu tun. Jedes Ritual ist ein solches Spiel: „Gott segne dich vom Kopf bis zu den Füßen, von ganz oben bis unten, von links nach rechts.“ Wasser, Öl, Brot, Wein, Kerzenlicht, Blumen gehören zum Segen.

      Für unsere Zeit müssen Rituale gefunden, neu erfunden werden. Dann tut sich ein breites Feld auf, auf dem sich die Erfahrungen der Menschheit sammeln und zum Ausdruck bringen, was das Leben trägt. Ein Blick in die Welt der jungen Leute könnte dabei helfen: wie sie sich begrüßen, welche Symbole sich in ihrer Sprache finden, welche Zeichen sie mit sich tragen.

      Nicht unsere Sinne,

       nicht das dankbare Genießen

      bringen das Unrecht zur Welt.

       Die Verächter der Freude

       und der Leidenschaft

      schaffen das Böse.

       Aus der Freude an der Schöpfung

      kommt Gottes Segen in Fülle,

      verändert den Menschen,

      macht ihn frei,

      zu danken und zu loben.

      Gott wohnt in unserer Freude.

       Er erfüllt unsere Leidenschaft

      über den Rand,

      stillt unsere Sehnsucht,

      weckt die Erwartung nach Neuem.

       Für das Leben

       gibt Gott

       uns die Zügel der Liebe in die Hand:

       Gutes und Schweres zu lenken

      im rechten Maß.

       Noch aus der tiefsten Schwärze

      erblüht strahlend weiß der Lotus,

      uns zum Zeichen.

       Der Segen

      ist alles in allem.

      In allen Sinnen lebt Gott,

      mit Glut erfüllt er unsere Sinnlichkeit.

      Wer das Irdische willkommen heißt,

       ist in sich

      und in Gott geborgen.

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