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Den österlichen Mehrwert im Blick


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der Christen, keine Reise- und Pressefreiheit, die Militarisierung der Jugend wurde vorangetrieben u.a. Diefenbach überzeugte mich dann doch mit dem Argument, nur unsere Kirche könne im Ostblock – im Vergleich zu allen anderen sozialistischen Ländern – zu diesem Thema unseren christlichen Standpunkt öffentlich darlegen, für alle Kirchen in den anderen Ländern sei dies unmöglich; wir sollten also nicht schweigen. So habe ich einen Entwurf für eine Beschlussvorlage konzipiert, die zwar Korrekturen erfuhr, wesentliche gesellschaftliche Themen aussparen musste, doch im Wesentlichen konsensfähig war und schließlich von der Synode verabschiedet wurde. Bischof Hugo Aufderbeck hat sich in hervorragender Weise als Vermittler zwischen den gegensätzlichen Strömungen bewährt. (Schumacher 1998, 194–208)

      Schon damals erlebte ich Kardinal Bengsch als eine herausragende Persönlichkeit. Im Rückblick aus unserer Gegenwart heraus wird immer deutlicher, wie sehr ihn Klarsicht und Willensstärke auszeichneten. Sein übergeordnetes Ziel war die Einheit unserer Kirche. Tendenzen von einzelnen Persönlichkeiten oder Gruppen, mit dem Sozialismus damaliger Prägung zu paktieren, widersprach er mit Entschiedenheit. Sein Vertrauen in die theologische Arbeit unseres Professorenkollegiums bildete die wesentliche Grundlage unserer Lehrtätigkeit. Er holte auch während der Synode häufig den Rat der Vertreter aus der Erfurter Priesterausbildung ein und führte – bei all seinem Berliner Temperament – stets eine sachliche Diskussion. Nicht selten kam es zu Gesprächen zwischen einzelnen Kollegen von uns in seiner Berliner Wohnung. Er suchte oft unseren Rat. Unvergessen bleibt mir, wie der Kardinal vor einem Gespräch, zu dem er mich gebeten hatte, das Radio einstellte. Dieses Vorgehen hatte einen makabren Hintergrund: man hatte zuvor seine Räume mit Abhörwanzen bestückt. Alle Welt erfuhr von diesem Schurkenstück sofort nach dessen Entdeckung. Kardinal Bengsch habe ich als einen klugen Seelsorger, Hirten und Kirchenpolitiker in Erinnerung, aber auch als mitunter eigenwilligen Theologen. Das wurde besonders deutlich in seiner Ablehnung der Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“. Wir Theologen fühlten uns, so glaube ich sagen zu dürfen, unter seiner Führung geborgen und in Sicherheit, besonders vor staatlichen Einmischungsversuchen und Repressionen, seien sie gegen einzelne Persönlichkeiten oder gegen unser Philosophisch-Theologisches Studium beabsichtigt gewesen.

      Die Ökumenische Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung fand in der DDR 1988/89 statt. Heute wird weithin anerkannt, dass sie wesentlich dazu beigetragen hat, Fehlentwicklungen in unserer Gesellschaft aufzudecken und bewusst zu machen. Die Perestroika-Politik Gorbatschows hatte bereits damit begonnen, die Versteinerungen des kommunistischen Sozialismus zu sprengen. Es ist nicht übertrieben zu behaupten, dass dieses große, einmalige ökumenische Ereignis wesentlich zum Verschwinden der DDR beigetragen hat. Die katholische Kirche erklärte sich erst nach langem Zögern am 1. / 2. Dezember 1987 zur vollen Teilnahme bereit. Die Eröffnung fand bereits am 12. Februar 1988 statt. Das lange Zögern der Bischöfe erklärt sich aus ekklesiologischen und politischen Bedenken. (Seifert 2000, 112) Träger der Vollmitgliedschaft unserer Kirche waren 26 Delegierte, fast ausschließlich aus der Gruppe „Justitia et Pax“, die durch Joachim Kardinal Meisner eine offizielle Beauftragung erhielten. Wiederum wurde seitens unserer Bischöfe an Professoren aus dem Erfurter Studium ein wichtiger Auftrag erteilt: Sie sollten die katholische Theologie in der Ökumenischen Versammlung vertreten, ein Beweis großen Vertrauens. Lothar Ullrich urteilt wie folgt: „Es war ganz wichtig, weil die Mitglieder unserer katholischen Arbeitsgruppe ´Justitia et Pax` weithin als ein ausgleichendes Element in den Versammlungen und Kommissionen empfunden wurden. Wir haben die Mitte stark gemacht.“ (Seifert 2000, 105) Unsere Mitarbeit vollzog sich vor allem in der Arbeitsgruppe „Theologische Grundlegung“. Innerhalb der evangelischen Kirche gab es Tendenzen, den christlichen Glauben mit einem „ursprünglich idealen Verständnis von Sozialismus“ zu verknüpfen, gleichsam einen dritten Weg unter Distanz zum real existierenden Sozialismus zu beschreiten. Dieses Anliegen vertrat besonders Propst Heino Falcke, der sehr nachdrücklich das Ziel verfolgte, die DDR-Gesellschaft umzugestalten. Dadurch zog er sich den Hass der Kommunisten zu. (Seifert 2000, 107f) Ich selbst vertrat die Ansicht, unterstützt von Lothar Ullrich, dass der real existierende Sozialismus in der DDR nicht reform- und verbesserungsfähig sei, denn sein dem Christentum im innersten Kern widersprechendes Menschenbild sollte nach Ansicht der Kommunisten keinesfalls preisgegeben werden.

      Unsere Bischöfe nahmen alle zwölf Beschlüsse der Ökumenischen Versammlung einhellig und ohne Widerspruch an. Eine ausführliche Beurteilung dieses Ereignisses habe ich in einem anderen Zusammenhang zu geben versucht. (Seifert 1999, 103–111) Widerstand gegen die Ökumenische Versammlung war nur bei wenigen Christen in der DDR festzustellen, hingegen aber bei engen Mitarbeitern der Berliner Bischofskonferenz. Sie lehnten die Ökumenische Versammlung bis über das Ende der DDR hinaus entschieden ab. Man scheute in diesem Kreise auch nicht vor einer Herabsetzung meiner Person vor dem Staatssekretär für Kirchenfragen zurück. Es fiel die vom Staatssekretariat dokumentierte Formulierung, die Ökumenische Versammlung wie auch meine Person hätten „Phantastereien“ verbreitet und die Bischöfe stünden nicht hinter mir. Man grenzte mich damit aus unserer Kirche aus. Solches Verhalten eines Mitbruders hat bei mir bis heute Wunden hinterlassen.

      Ein anderes Erlebnis am Rande: In der Nacht zum 1. Mai 1989, nach dem feierlichen Abschluss der Ökumenischen Versammlung in der Dresdener Kreuzkirche, stellte bei der Heimfahrt ein Tankwart fest, dass die Benzinleitung an meinem Wartburg angesägt war. Zufall?

       Besondere persönliche Erfahrungen

      Veranstaltungen: Mitglieder unseres Kollegiums wurden häufig als Einzeldelegierte aus unserer Kirche zu internationalen Veranstaltungen entsandt. Ich selbst denke hier zunächst an das „Internationale Wissenschaftliche Kolloquium“ vom 8. bis 10. Oktober 1986 in Budapest zurück. Es wurde veranstaltet vom Päpstlichen Sekretariat für die Nichtglaubenden und der Ungarischen Akademie der Wissenschaften. Von katholischer Seite nahmen teil die Kardinäle König und Poupard (als neuer Präsident) und Theologen aus acht europäischen Ländern. Die marxistische Seite hatte Vertreter aus neun europäischen Ländern und aus Kuba delegiert. Es ist als das „größte und bedeutendste Dialogtreffen zwischen Vertretern der katholischen Kirche und des Kommunismus in die Geschichte eingegangen“. (Christen und Marxisten 1991, 317) Dort bin ich, der zum Konsultor des Päpstlichen Sekretariates berufen worden war, zum ersten Mal zwei marxistischen Philosophieprofessoren aus der DDR begegnet. Zwischen unserer Theologischen Fakultät und den philosophischen Lehrstühlen der Universitäten, die ja nur von Kommunisten besetzt waren, gab es zu keiner Zeit irgendeinen Kontakt. Alle Vorträge dieses Dialogtreffens sind u.a. vom Bennoverlag dokumentiert worden (Christen und Marxisten 1991, 317–374). Ich durfte einen Vortrag halten über das Thema „Zusammenleben und Kooperation von Christen und Marxisten in der Gesellschaft“. (Feiereis 1991, 357–371)

      In der DDR erregte dieses Treffen große Aufmerksamkeit. In katholischen und evangelischen Kirchen, z.B. in Dresden, Karl-Marx-Stadt, Leipzig, Erfurt und anderswo fand ich bei Vorträgen volle Kirchen vor. Die Christen spürten, dass die alten Verhältnisse in der Gesellschaft keine Zukunft mehr besaßen. Sie schöpften z.T. Hoffnung, dass ihre Situation sich im Alltag verbessern könnte und auch müsste.

      Ein zweites Kolloquium verdient ebenfalls Erwähnung: Es fand vom 18. bis 21. Oktober 1989 zwischen dem Vatikan, unter der Leitung von Kardinal Poupard, und dem „Sowjetischen Komitee für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ in einem kleinen Kreis in der Nähe von Straßburg, statt. Zu diesem „Komitee“ gehörten u.a. der Chefredakteur der Zeitschrift „Kommunist“ und der Direktor des „Atheismus-Instituts beim Zentralkomitee der KPdSU“. Ziel dieses Treffens war die Vorbereitung des ersten Besuches von Gorbatschow bei Papst Johannes Paul II., der dann auch am 1.12.1989 stattgefunden hat. Ich erinnere mich, dass unsere sowjetischen Partner in der Nacht vom 18.10. zum 19.10. äußerst aufgeregt waren und ständig mit Moskau telefonierten. Der Grund: Honecker war an diesem Tag gestürzt worden. Auch vor diesem Gremium durfte ich, als einziger deutscher Theologe, ein Referat halten, das den Titel trug: „Das gemeinsame europäische Haus.“ (Feiereis 1990, 41–47)

      Das Vertrauen unserer Bischöfe hat mich, der nicht gern im Rampenlicht stand, zu diesen wichtigen Veranstaltungen entsandt. Ich erlebte unmittelbar den Beginn des bald einsetzenden großen politischen Erdbebens, das kurz danach unsere Welt veränderte.

      Große Verantwortung