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Den österlichen Mehrwert im Blick


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Damit ist beim Appell in Jes 2,5 ein weiterer Gedanke präsent. Das Israel am Zion und in Jerusalem, der Binnenkreis, ist vor die Aufgabe gestellt, durch eigenes Aktivwerden den zukünftigen globalen Frieden mit zu ermöglichen und nicht zu verhindern. Dieser weitere Gedanke beim Appell lässt sich in etwa auch so umschreiben: Werden wir als Haus Jakob zu einer Tora-konformen, zu einer gerechten Gesellschaft und dadurch überlebensfähig, damit sich dadurch der Frieden unter den Völkern realisieren kann!

      Die Gedanken in Jes 1,1–2,5 sind eingeflochten in eine richtungsweisende Theologie. JHWH hegt die Absicht, Zion-Jerusalem als Ausgangspunkt für einen weltweiten Frieden einzusetzen. Angesichts und aufgrund dieser göttlichen Absicht hat der Binnenraum Israel nicht allein an die eigenen Belange zu denken und nicht nur um sich selbst zu kreisen. Der Binnenraum muss auch die universellen Pläne seines Gottes mit den Völkern einbeziehen. Wenn Israel durch Toragehorsam seine Existenz schützt, bewahrt Israel zugleich seinem eigenen Gott die Möglichkeit, eine Stätte in der Welt zu haben, von der Tora ausgehen und an der ein Frieden unter den Völkern beginnen kann. Israel wird dann von JHWH eine der Chancen erhalten, mit der er Krieg und Zwist überwinden kann.

      Jes 1,1–2,5 stellt im umfangreichen Jesajabuch eine Art Ouvertüre dar. Die Ouvertüre lässt vieles anklingen, was dann im Buch weiter entfaltet wird. Einzelne Punkte, die für aufschlussreiche oder für überraschende Weiterführungen stehen, seien kurz angedeutet.

       Israel und die Völker

      „Tora“ als eines der Leitworte des Buches kommt im Kapitel 51 das letzte Mal vor. Das Leitwort steht auch hier im erhellenden Zusammenhang: Zion befand sich in einer desolaten Lage. Doch JHWH tröstet Zion und „ihre Trümmerstätten“, und er richtet Zions Umland neu her (Jes 51,3). Die Aufforderungen am Anfang des Buches, die Tora zu befolgen, münden u.a. in Kapitel 51 in einen Toragehorsam unter den Bewohnern am Zion. JHWH kann nun solche anreden, die sich als „Kenner der Gerechtigkeit“ und als „Volk mit meiner Tora im Herzen“ erweisen (51,7). Entsprechend verkündet JHWH das Ende von Not und die Beständigkeit seines Heils (51,7–8). Erhoffte der Buchanfang, dass die Tora die Völker erreichen wird, erfüllt sich solches u.a. auch hier. Denn innerhalb der Darstellung vermeldet JHWH seinem Volk: „ [...] Tora wird von mir ausgehen und mein Recht als Licht der Völker [...] Meine Gerechtigkeit ist nahe, mein Heil ist hinausgegangen, und meine Arme verschaffen den Völkern Recht“ (51,4–5). Standen in der Ouvertüre die Tora für Israel und die Tora für die Völker eher unverbunden nebeneinander, so sind nun beide einander näher gerückt. Der Toragehorsam im Inneren geht mit einer heilsamen Wirkung der Tora in der Völkerwelt einher.

      Höchst beachtlich ist nun, dass die Völker Israel in seiner Zusammensetzung verändern können: Das Jesajabuch setzt viele historische Veränderungen einfach voraus. In einer Phase gelangten ‚Israeliten’ außerhalb ihres Ursprungslandes. Sie weilen dann im Exil (Babylon) oder leben in einer Diaspora. Die Rückkehr dieser Israeliten zum Zion wird so im Buch zum Thema (vgl. Jes 48,20; 52,11–12; 55,12–13), zudem wird auch ein Zug der Völker zum Zion thematisiert, bei dem sie Nachfahren der Israeliten mitbringen (vgl. 60,5). Anscheinend passend zu diesem Hin und Her nimmt das Buch JHWH-Verehrer aus anderen Völkern in den Blick und problematisiert die Stellung dieser Verehrer im Gottesvolk Israel. Das Buch spiegelt dabei eine Auseinandersetzung im Inneren der Gemeinde Israels wider: Wer darf zur Gemeinde gehören und wer nicht? Die Auseinandersetzung spaltet die Gemeinde Israel. Eine entscheidende Gruppe im Buch Jesaja sieht die Mitgliedschaft von JHWH-Gläubigen aus den Völkern in der Gemeinde Israel als angemessen und richtig an, und die Gruppe kann sich auch auf Worte JHWHs berufen. Die Zulassung zur Gemeinde darf nicht davon abhängen, welche ethnische Herkunft jemand hat. Entscheidend sind zuerst das ethische Verhalten, die Beachtung des Sabbats, das Bekenntnis zu JHWH (vgl. 56,1–8) und die Abkehr von Fremdgottverehrungen (vgl. 66,17). Von JHWH her gilt, dass sein Tempel auf dem Zion „ein Haus des Gebetes für alle Völker genannt werden soll“ (56,7; vgl. 1Kön 8,41–43) und dass an dieser Stätte Fremde werden wohlgefällig opfern können. Das Finale des Buches unterstreicht diese Auffassung von einer offenen Israel-Gemeinde und schreibt sie buchintern fest: Hier gehen JHWHs Worte erneut auf einen gottgefälligen Kult und angemessenen Gottesdienst ein (Jes 66,20–23). „Alles Fleisch“ wird nach Jerusalem kommen, um JHWH zu verehren (66,23). Der Begriff „alles Fleisch“ benennt die neue Größe und Gemeinde, die sich aus Teilen Israels und aus Teilen der Völkerwelt zusammensetzt. Dieser Begriff „alles Fleisch“ verwies schon am Anfang der Bibel auf eine Menschheit (Gen 6–9), die noch nicht in verschiedene Ethnien gespalten war (Gen 10). Die Gottesdienstgemeinde im Buchfinale realisiert sich durch das Miteinander von jenen, die sich aus Israel und aus den Völkern aufrichtig JHWH zuwenden können.

      Das Ende des Buches ist von seiner Ouvertüre her zu lesen. Dabei sind drei Punkte ausschlaggebend: (1) Wie gesehen, gelang in der Ouvertüre dem Binnenraum Israel kein JHWH gefallender Kult und Gottesdienst. Aber auch am Ende des Buches ist einem abgeschlossenen Binnenraum Israel allein ein solcher Kult und Gottesdienst nicht möglich, auch wenn Israel in Teilen von Schuld und Sünden gereinigt sein mag. Gelingender Kult und Gottesdienst werden erst durch Vertreter „allen Fleisches“, eben aus Israel und den Völkern, vollzogen werden können.

      (2) Der Appell an das Haus Jakob in Jes 2,5 zielte „nur“ auf eine theologische Ethik ab. Israel sollte seinem Gott die Möglichkeit offen halten, vom Zion aus Frieden in der Völkerwelt herbeiführen zu können. Die Entwicklungen im Buch gehen dann über diese Ethik hinaus und führen zu einer neuen „Ekklesia“ (vgl. LXX Dtn 23,2–9) im Jesajabuch. Sollte eingangs die Zion-Israel-Gemeinde lediglich zugunsten der Völker agieren, treten dann zu guter Letzt Vertreter der Völker in die Gemeinde ein und formatieren ihre Zusammensetzung neu.

      (3) Das Buchende erwähnt eine fortbestehende Gefahr, die schon in der Ouvertüre zum Gericht geführt hat und die im Brechen mit JHWH und mit seinen Anliegen besteht (Jes 1,2.18). Der Schlussvers hebt von der neuen Gemeinde Einzelne ab, die durch solch ein Brechen ihren Untergang herbeigeführt haben (66,24). Das Neue und das Richtungsweisende ist gegeben, aber das Alte und die Existenz Bedrohende besteht fort. Die Lesenden haben am Buchende zu überlegen und zu entscheiden, auf welcher Seite sie stehen wollen.

       Schlussreflexion

      Das Jesajabuch entfaltet das Thema „Israel und die Völker“ viel breiter, als es hier wenige Federstriche andeuten konnten. Doch wurden zumindest Einzelaspekte des Themas deutlich. Israel hat eine Aufgabe und Verantwortung für die Völkerwelt. Dabei sollen die Geschicke der Völker Israel im Inneren bewegen. Im Gegenzug können dann Vertreter der Völker die Zusammensetzung Israels verändern.

      Die folgende Reflexion zu diesem Befund holt zu einem weiten Bogen aus und wird zugegebenermaßen gewagt anmuten. Die Reflexion bezieht einige pastorale Gedanken von Bischof Joachim Wanke ein, dem dieser Band gewidmet ist. Wanke entwickelte seine Gedanken zunächst in einer konkreten geschichtlichen Situation.

      Die Geschichte der katholischen Kirche in der ehemaligen DDR und in den neuen Bundesländern durchlief einige Phasen. Eine erste Phase war geprägt von negativen Erfahrungen mit den politischen und ideologischen Realitäten im Ostblock. Die katholische Kirche und die Bischöfe der DDR richteten sich in dieser Phase mehr oder weniger im eigenen, mühsam freigekämpften Binnenraum ein. Pastorale Konzepte dachten von einem „geschützten Raum“ Kirche her. „Geschützt“ bedeutete in diesem Fall zugleich: abgeschottet. Selten geschah eine interne Ermutigung der Gläubigen und der Kirche dahin, dass sie sich gesamtgesellschaftlich engagieren könnten. Ihre notgedrungene geistige Distanz zum realen System ließ für die Kirche auch das Land und die Gesellschaft, in denen das System herrschte, eher als Nichtheimat und als Fremdes erscheinen. Diese Sichtweise und Einstellung änderten sich schrittweise – nicht zuletzt mit der Übernahme des Bischofsamtes in Erfurt durch Joachim Wanke.

      Wanke trat sein Bischofsamt 1980 an, nachdem das Zweite Vatikanische Konzil zu alten, bisweilen vergessenen Einsichten über das Wesen der Kirche Gottes zurückgefunden hatte. In den Einsichten des Konzils ist der Kirche ein Weltauftrag gegeben, der sich jeweils am Ort und in der konkreten Zeit segensreich auszuwirken hat. Wanke vermochte für sein Aufgabenfeld als Bischof eine Differenzierung vorzunehmen. Er unterschied zwischen zwei Seiten: dort Staat und System, hier das Land und seine Menschen. Auf die zweite Seite lenkte Joachim