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Den österlichen Mehrwert im Blick


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sollten bescheidener daherkommen, im Wissen um Fragwürdigkeiten, die bei manchen Problemfeldern trotz allem bleiben. Bei strittigen Themen sollten wir miteinander die kirchliche Lehre bedenken, deren Begründungen neu in den Blick nehmen und fragen, was das heute für uns bedeutet. Dabei müssen wir vermutlich auch aushalten, untereinander bei nachgeordneten Fragen nicht immer einer Meinung zu sein. Dort, wo wir als Kirche in Deutschland Rom gegenüber Anliegen haben, sollten wir diese klar und öffentlich benennen. Nicht jeder diesbezügliche Dissens muss sofort ein Dissens im gemeinsamen Glauben oder in der Einheit mit dem Papst als Petrusnachfolger sein.

      Ich habe immer wieder angeregt, dass wir als Bischöfe mit mancher medialen Präsenz und der Zahl unserer Verlautbarungen zurückhaltender sein sollten. Weniger könnte manchmal mehr sein. Wichtiger wäre, dass wir kirchenoffiziell selbst Themen setzen und uns dort zurücknehmen, wo man uns vorführen will.

      Schließlich gilt es für uns als kirchliche Amtsträger immer neu das Verhältnis zu den Laienchristen zu überdenken. Wir sollten Zeichen setzen, dass wir auf den Glaubenssinn und die Kompetenz unserer Laienchristen vertrauen. Nicht nur die Schrift, die Tradition, das Lehramt der Kirche sind Bezeugungsinstanzen des Glaubens. Auch der Glaubenssinn des Volkes Gottes hat etwas mit der Bezeugung des Evangeliums zu tun. Auch bei gelegentlichen Konflikten muss erkennbar bleiben, dass Bischöfe mehr anzuerkennen als zu kritisieren haben. Die „christifideles“ sind es, die in Welt und Kirche (!) das Licht des Evangeliums auf den Leuchter zu stellen haben und es auch stellen. Wir Amtsträger, einschließlich Bischöfe, haben ihnen dabei durch unseren Dienst (mit Wort und Sakrament und der sachgerechten Darlegung der kirchlichen Lehre) beizustehen. Aber an der „Front“ dieser Zeit stehen sie, weniger wir.

      Und schließlich liegt mir auch dieser Gesichtspunkt am Herzen, vielleicht ist er sogar der entscheidende:

       Den „geistlichen Grundwasserspiegel“ heben

      Das Christliche wird sich in Zukunft stärker qualitativ präsentieren und weniger quantitativ. Auch heute gilt das Wort: „Der Geist ist es, der lebendig macht; das Fleisch nützt nichts“ (Joh 6,63). Es braucht in einer sich ins Subjektive und Beliebige weiter verlierenden Moderne eine Spiritualität, die dem einzelnen Christen Stehvermögen verleiht und ihm hilft, sich dem anderen gegenüber zu öffnen. Wo kann man diese lernen, vor allem gemeinschaftlich lernen?

      Zudem scheint es auch einen Frömmigkeitsstil zu geben, der mit den geistigen und intellektuellen Fragestellungen der Zeit korrespondiert. John Henry Newman etwa war ohne Zweifel bis in seine innerste Existenz hinein ein frommer Mann. Nicht umsonst ist er jüngst selig gesprochen worden. Aber er war zugleich ein fragender, suchender Mensch, der sich mit vorschnellen Antworten und gestanzten Klischees von katholischer Kirchlichkeit nicht zufrieden gab. Was zeichnet heute menschenfreundliches, profiliertes Christ-Sein aus? Wie sieht „Glaubwürdigkeit“ aus, die sich dem Evangelium verpflichtet weiß? Was bedeutet das für unseren Umgang miteinander, in der Ökumene, im Gespräch mit der Gesellschaft?

      Christen, die sich mit ihrem Leben im Gottesgeheimnis verwurzeln, bleiben für die Leute immer interessant. Dass dies so ist, darauf gründet meine Hoffnung – auch für unsere Kirche in der Bundesrepublik Deutschland, die in ein neues Jahrhundert hinein unterwegs ist.

      Der Aufsatz geht auf einen Vortrag zurück, den Bischof Dr. Joachim Wanke am 30. November 2010 in der Katholischen Akademie Berlin gehalten hat.

      1 Die Orthodoxie unterscheidet ein Handeln kat´akribeian (gemäß „Genauigkeit“, also genaunach Vorschrift) und ein Handeln kat´ oikonomian (gemäß Barmherzigkeit, also der Einzelsituation angemessen). Die lateinische Kirche kennt die Praxis der Dispens in Einzelfällen.

      EIN MODELL FÜR DIE SELBSTBESINNUNG DER KIRCHE?

       Norbert Clemens Baumgart

       Hinführung

      Wenn demnächst eine repräsentative Umfrage in Deutschland dazu auffordern würde, innerhalb des folgenden Textes die gegenwärtig bekannteste Formulierung zu benennen, welches Ergebnis wird man erwarten dürfen?

      1 Das Wort, das Jesaja, der Sohn des Amoz, über Juda und Jerusalem schaute.

       2 Es wird geschehen in zukünftigen Tagen:

       Fest wird stehen der Berg des Hauses JHWHs

      an der Spitze der Berge, er überragt die Hügel.

      Alle Nationen werden zu ihm strömen,

       3 viele Völker werden hingehen und sagen:

      „Kommt doch, lasst uns hinaufziehen zum Berg JHWHs,

      zum Haus des Gottes Jakobs.

      Er lehre uns von seinen Wegen,

       dass wir gehen in seinen Pfaden.“

       Ja, von Zion wird Weisung ausgehen

      und das Wort JHWHs von Jerusalem.

       4 Er wird richten zwischen den Nationen

      und zwischen vielen Völkern schlichten.

      Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden,

      ihre Lanzen zu Winzermessern.

      Nicht mehr wird Nation gegen Nation das Schwert erheben,

      noch werden sie ferner das Kriegshandwerk lernen.

      5 Haus Jakob, kommt doch, lasst uns gehen im Licht JHWHs! (Jes 2,1–5)

      Man darf wohl auf die Formulierung „Schwerter zu Pflugscharen“ tippen. Die Formulierung dürfte selbst Zeitgenossen bekannt klingen, denen die Bibel eher unbekannt ist. Denn die Formulierung ist vor nicht allzu langer Zeit zu einem Slogan aufgestiegen und hat eine beeindruckende Wirkungsgeschichte entfaltet. Wie war es dazu gekommen?

      Eine Skulptur trug dazu bei. Der sowjetische Bildhauer Ewgenij Viktorowitsch Wutschetitsch (1908–1974) hatte die Skulptur angefertigt: Ein Mann schmiedet ein Schwert in eine Pflugschare um. 1957 kam diese Skulptur als Geschenk der UdSSR an die UNO nach New York. Dort aufgestellt, führte das Werk zu Reaktionen, die von den Schenkenden vermutlich gar nicht beabsichtigt worden waren. Angesichts militärischer Hochrüstung sowie düsterer großpolitischer und gesellschaftlicher Erfahrungen wurde die Skulptur als eine Verdichtung von Hoffnungen gedeutet und angenommen. Das geschah von Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre an vor allem in der Friedensbewegung der DDR, die in Teilen auch christlich geprägt war. Die Skulptur wurde auf einem Kreisrund als Bild wiedergegeben. Das Bild wurde zudem im Kleinformat auf Stoff geprägt, um es auf Bekleidungsstücke aufnähen zu können. Das Bild unterlegte man mit der Formulierung „Schwerter zu Pflugscharen“. Das Wort war für viele zum Motto ihrer Einstellung und Erwartung geworden. Das Bild und das Motto wurden auch schnell im Westen Deutschlands bekannt.

      Das Bild enthielt von Anfang an einen Hinweis auf die Bibel: „Micha 4“. Der Hinweis hätte ebenso „Jesaja 2“ lauten können. Die beiden Abschnitte Jes 2,1–5 und Mi 4,1–5 sind im Wortlaut sehr ähnlich.

      Die hier skizzierte Wirkungsgeschichte kennt also ein inspirierendes und beflügelndes Potential, das man dem alttestamentlichen Text zu entnehmen vermochte. Aber nicht nur die Wirkungsgeschichte ist interessant.

      Beachtenswert sind auch die Funktionen, die der Abschnitt 2,1–5 innerhalb des Buches Jesaja übernimmt. Dem wird dieser Beitrag nachgehen. Der Abschnitt Jes 2,1–5 übt eine Art Signalfunktion für den Lesegang durch das Prophetenbuch aus. Diese Signalfunktion entsteht aber erst dadurch, dass der Abschnitt zusammen mit den Texten, die ihm vorausgehen, eine Spannung aufbaut.

      Ein erster Pol, durch den die Spannung entsteht, ist leicht einsichtig und ergibt sich aus dem Gedanken in Jes 2,1–5, dass eine künftige Wallfahrt der Völker zum Zion, nach Jerusalem, die Lage auf der Welt deutlich verbessern könnte. Dabei würden global die Grundlagen für Krieg