austauschen können.
Eine kirchliche Führungskonzeption wird nicht historisierend antike Führungsvorbilder adaptieren können, dringlicher noch: sich zu hüten haben vor der Taufe nur phänotypisch biblisch fundierten Führungsverhaltens. Die Euphorie mancher Ratgeberliteratur lässt vermuten, man könnte tatsächlich führen wie der Heiland. Aber auch mit größerer Nüchternheit dockt Servant Leadership offenbar produktiv an biblischem Dienstverständnis an.
Vor dem Hintergrund der Herausforderungslage muss eine kirchliche Führungskultur sich überdies daran messen lassen, inwieweit sie auch Führungskräfte oder nur Follower anzieht. Das fordert heraus, insofern es in der Frage aufgipfelt, wer nach uns führen wird.
DIENENDE FÜHRUNG ALS „INTERAKTIVE WERTSCHÄTZUNG“
Doch das Konzept verspricht mehr: ich schlage vor, es im Sinne einer „interaktiven Wertschätzung“ produktiv in den Horizont des Innovationsmanagements hinein zu entfalten: wo Unternehmen die Expertise vormaliger Nur-Leistungsempfänger in die Wertschöpfungskette integrieren und aus dem Modus der Publikation in den Modus der Interaktion wechseln, ist kirchliches Führen mit andienendem Lächeln herausgefordert, aus den Angebots- und Versorgungslogiken der Hintergrunderfüllung zum subsidiären Dienst-Leister kokreativer Kirchenentwicklung zu werden. Kirche dienend führen heißt dann: eine organisationsvertikal stringente Kultur der Fach- und Führungskräfteentwicklung zu etablieren, in Haupt- und Ehrenamt. Von professionell innovierenden Unternehmen lernt sie dabei, dass jahrzehntelang gleichbesetzte Leitungspositionen aller Ebenen auf junge Talente extrem abschreckend wirken: wer möchte nach seinem Studium 30 Jahre auf die erste Führungsverantwortung warten? Oder umgekehrt: was passiert in Organisationen, in denen vorwiegend Mitarbeiter mit dieser Bereitschaft anzutreffen sind? Führung als Interaktive Wertschätzung wird diese Samuel-Effekte (1Sam 3) nicht nur zum Gegenstand geistlicher Einkehrtage machen, sondern präzisionsscharfe Werkzeuge entwickeln wollen, Bedürfnis- und Lösungsexpertise nicht abperlen zu lassen.
Dienende Führung im Sinne interaktiver Wertschätzung bedeutet auch, dass die für kundenindividuelle Dienstleistung bedeutsamen Prozesse durch konsequente Nutzung von Kommunikationstechnologien erlernt werden. Praktisch wird das zum Beispiel dort, wo Diözesen, Pfarreien, Einrichtungen es meistern, mit bei Dienstleistern oder etwa auch bei missio üblichen CRM-Systemen (technisch gestütztes Kundenbeziehungsmanagement) zu arbeiten, die echte Kunden- oder Mitgliederorientierung in Großpfarreien ohne Überanstrengung erst ermöglichen.
DIENSTSTELLE
Wenn fernerhin SeelsorgerInnen hinter Firewalls mit elektronischen Kalendarien arbeiten, die sich mit denen ihrer ehrenamtlichen Kooperationspartner aus technischen Gründen nicht synchronisieren lassen, so strahlt das deutlich aus, dass Interaktion mit „denen da draußen“ eher stört. Wo Kirche also interaktiv wertschöpfend und wertschätzend geführt werden soll, wird sie das auch organisational abbilden: stark aufgestellte IT-Abteilungen sind in diesem Paradigma nicht erst zu konsultieren, wenn der Laserdrucker streikt. Ihre Expertise ist missionskritisches Qualitätskriterium pastoraler Diensterbringung, im Konzert mit Innovationsmanagern, Pastoralentwicklern und Praktikern aus dem Feld entwickeln sie die unentbehrlichen Werkzeuge pastoraler Interaktionsfähigkeit.
Führung im Sinne interaktiver Wertschätzung ist indes auch eine Ermutigung, dem stagnierenden „Wieviele sind hier?“ eine Kultur des „Wie geht es Dir?“ nicht entgegen-, sondern zur Seite zu stellen: Kirche in diesem Sinne ist keine anonyme Massenveranstaltung, aber eben auch keine Versorgungsanstalt für ein paar Insider aus dem Nahbereich des Pastoralteams. Interaktiv wertschätzende Führung will die Gefragten inspirieren, infektiös nach dem Ergehen zu fragen – Kirche ist kein Selbstversorgerhaus, sie ist im vornehmsten Sinne: Dienststelle.
Florian Sobetzko
2007 Gründer der kafarna:um Gemeinde Aachen, seit 2013 CrossingOver-Stipendiat über Interaktive Wertschöpfung und Führungskonzeptionen im US-Katholizismus; als Referent für Innovationsprozesse und Personalentwicklung im Bistum Aachen transformiert er im Rahmen eines ZAP-Projektes Konzepte betriebswirtschaftlicher Unternehmensgründung zu Werkzeugen für kirchliche GemeindegründerInnen.
LITERATUR
Ebener, Dan R., Servant leadership models for your parish, 2010.
Piller, Frank, Mass customization, 2000.
Reichwald, Ralf / Piller, Frank, Interaktive Wertschöpfung: Open innovation, Individualisierung und neue Formen der Arbeitsteilung, 2009.
Sellmann, Matthias, Kirche als Raum interaktiver Wertschöpfung. Innovationstheologische Seitenblicke auf Betriebswirtschaftslehre und Zweites Vatikanisches Konzil, in: Knapp, M. / Söding, Th. (Hg.), Glauben in Gemeinschaft. Autorität und Rezeption in der Kirche, 2014 (in Druck).
Sobetzko, Florian, Bodybuilding für den Leib Christi. Kirchliche Lead Customer, in: Euangel. Magazin für missionarische Pastoral, Nr. 6/2014.
Warum eigentlich?
Die Replik von Regina Polak auf Florian Sobetzko
Was gewinne ich bei der Lektüre eines Textes „in ungewohnter Sprache“? Ich übersetze exemplarisch einige der Praxisvorschläge in meine etwas schlichtere Sprache: um sich zu erneuern, soll die Kirche ihre Probleme möglichst vielen Menschen vorlegen und diese einbeziehen; möglichst auch jene, die nicht zur Kirche gehören. Sie soll ihr eigenes „geheimes“ Wissen zur Verfügung stellen, auf dass möglichst viele andere, auch kirchenfremde Menschen, daraus neue Ideen entwickeln können. Vor allem unzufriedene Menschen sollen sich einbringen können. Das Angebot der Kirche soll das Bedürfniswissen ihrer Kunden besser nützen.
Ich teile die Einschätzung Sobetzkos, dass die Kirche dringlich ihre familialistische Binnenorientierung aufgeben und im Sinne von Gaudium et Spes 44 von den Anderen außerhalb der Kirche lernen muss. Aber worin liegt der Gewinn, die Handlungsideen in einer Sprache zu formulieren, die von technokratisch-ökonomischen Fremdwörtern gespickt ist?
TOTALISIERENDE SPRACHE
Kirche und Theologie können von diesem betriebs- und ingenieurwissenschaftlichen Technologiemanagement wichtige Impulse bekommen: die Bedeutung von Partizipation, von Vernetzung mit der Welt, vom Wert der Kritik. Eine grundsätzliche Aversion gegen diese Sphäre, bei Theologen oft anzutreffen, ist unangemessen. Auch die Erfahrungen der unternehmerischen US-amerikanischen Kirche sind anregend. Aber kann die Rezeption so undifferenziert geschehen? Rein formal, die Kirche ausschließlich als Organisation und Unternehmen verstehend? Auch die Theologie – anregend, aber leider unausgeführt die Übersichtsliste theologischer Zitate – wird nur als Beweis assoziativ angeklebt. Eine Topf-Deckel-Argumentation, die Angleichung kann doch wie geschmiert klappen, oder? Hier die weltliche Theorie – da der theologische Beweis, und los geht’s.
Darf man als TheologIn bestimmte Denkformen und Worte aus anderen Wissenschaften und Gesellschaftssphären so ohne weiteres übernehmen? Unter welchen Bedingungen und mit welchen Folgen? Sobetzko verwendet eine betriebswirtschaftlich-technokratische Sprache. Da werden „Solver“ mit Ideen „traktiert“, wird „externes Bedürfniswissen genutzt“, Propheten als „unzufriedene Kunden“ bezeichnet. Wie verändern solche Worte die Wahrnehmung, das Handeln?
Der jüdische Philologe Viktor Klemperer hat sich in seinen Tagebuchaufzeichnungen (1947) intensiv mit Merkmalen totalisierender Sprache auseinandergesetzt. Manches, das er beschreibt, erinnert mich unangenehm an Sprachformen, mit denen wir heute in Wirtschaft, Technik und Wissenschaft konfrontiert sind – auch die Theologie ist da nicht ausgenommen. Einige Beispiele, die Klemperer anführt: totalisierende Sprache entbehrt der Poesie und hat eine Tendenz zum Monotonen und Nivellierenden. Sie strotzt vor Fremdwörtern, die dazu