INHALT
Kommunizieren in der Glaubwürdigkeitskrise
Von Erik Flügge
Mehr als Symptombehandlung. Was Verkündigung wirklich braucht
Von Ute Leimgruber
Muss es immer kompliziert sein?
Die Replik von Erik Flügge auf Ute Leimgruber
Die Trumpisierung der Verkündigung
Die Replik von Ute Leimgruber auf Erik Flügge
Die Stimmen und der Essay
Oder warum Theologen Gisela von Wysocki lesen sollten
Von Joachim Hake
PROJEKT
Für den Besten nur das Beste
Von Eva Jung
INTERVIEW
„Eine enorme Infrastruktur für die Kommunikation des Glaubens!“
Ein Gespräch mit Ute Stenert
PRAXIS
Authentizität muss man gut inszenieren. Das YouTube-Casting 1‘ 31“
Von Jan Kuhn
We lost the story
Oder: Wie die Kirche wieder lernt, gute Geschichten zu erzählen
Von Christian Schröder
Pastorales Campaigning
Die Öffentlichkeit elektrisieren.
Ein Rückblick auf das jugendpastorale
Projekt #silentMOD
Von Michael Swiatkowski
Kirche im TV: Was geht– und was sollte mehr gehen?
Von Michael Hertl
FORUM
Kirche – eine attraktive Arbeitgeberin?
Mitarbeitergewinnung durch Employer Branding
Von Benedikt Jürgens, Michael Hartlieb und Frank Vormweg
POPKULTURBEUTEL
Feingefühl
Von Stefan Weigand
NACHLESE
Glosse von Annette Schavan
Buchbesprechungen
Impressum
EDITORIAL
Matthias Sellmann Mitglied der Schriftleitung
Liebe Leserin, lieber Leser,
wenn man uns als katholische Christinnen und Christen fragen würde, woran man die Qualität unserer Gemeinden erkennen könnte, wären drei Antworten recht populär: „Wir feiern Gottesdienst.“ „Wir bekämpfen Armut.“ Und: „Wir bieten viele Möglichkeiten für die Erfahrung von Gemeinschaft an.“ Liturgie – Diakonie – Communio: unser katholischer Dreiklang.
Ein Ton aber fehlt. Vielleicht sogar eine ganze Tonart. Denn wo gibt wer die Antwort: „Uns erkennst Du sofort, weil wir Dir eine Geschichte erzählen können, die Dich vom Stuhl haut!?“ Glaubensverkündigung; Martyria; die Kommunikation der Botschaft – wie wir es auch ausdrücken: Unsere Erfahrung eines glaubenden Lebens ist uns irgendwie aus der Sprache gerutscht.
Dies wird von außen deutlich bemerkt: „Die Kirche verreckt an ihrer Sprache“, titelt unser Autor, der Kommunikationsberater Erik Flügge. Der Vorwurf sitzt, auch wenn er in diesem Heft nicht unbeantwortet bleibt. Denn er zeigt ja nicht nur Genervtheit, sondern auch Bedauern. Welche Chancen hätten wir alle, ob kirchlich gebunden oder nicht, wenn die, die einen Glauben haben, diesen auch so erzählten, dass man richtig gerne zuhört!
In diesem Heft gehen wir den neuen Chancen, gut praktisch-theologisch, aber auch gleich den Kompetenzen einer „Martyria 2016“ nach. Die Chance steht im Raum, mit neuen Techniken und in neuen unkirchlichen Kontexten, den eigenen Glauben neu zu lernen, indem man ihn neu versprachlicht. Solche Kompetenzen heißen: „Storytelling“, „Campaigning“, „Inszenierung des Authentischen“, aber auch „Glaubensmarketing“, „Essai“, oder „Audiovisuelles Bewegtbild“.
Das Ziel unseres Heftes: zunächst selber wieder vom Stuhl gehauen werden, weil wir selber neu hingehört haben. Und dann in unserer Umgebung niemanden mehr sitzen lassen!
Ihr
Prof. Dr. Matthias Sellmann
THEMA
Kommunizieren in der Glaubwürdigkeitskrise
Die Katholische Kirche hat ein Problem. Man glaubt ihr nicht mehr. Ihre Vertreter gelten bei vielen Menschen als verlogen, ihre Theologie als nicht mehr relevant. Wer dagegen mit wissenschaftlich hochtrabenden Theorien anschreiben will, wird scheitern. Erik Flügge
Mein Name ist zurzeit unter Theologen in aller Munde. Ich habe einen SPIEGEL-Bestseller über die kirchliche Unfähigkeit, sich einfach auszudrücken, geschrieben. Der Erfolg des Buches ist leicht erklärt. Der Text ist so geschrieben, dass Menschen ihn lesen wollen, anstatt lesen zu müssen. Dieser Satz klingt gleich so arrogant. Dabei sollte er eine Selbstverständlichkeit sein. Leider ist das zu oft nicht der Fall. Viel zu viele Texte über Gott versuchen das Einfache möglichst kompliziert auszudrücken. Das empfinde ich als die eigentliche Arroganz.
ENTWISSENSCHAFTLICHUNG VON GLAUBENSTEXTEN
Ich möchte, dass die Theologie sich sprachlich entwissenschaftlicht, ohne sich zu verblöden. Dabei bin ich einigermaßen stolz auf das Wort „Entwissenschaftlichung“. Es ist so dermaßen überflüssig überkomplex, dass es als wunderbare ironische Brechung der gesamten wissenschaftlichen Selbstüberhöhungstendenz theologischer Kreise den Spiegel vorhält. Mit dem Wort Selbstüberhöhungstendenz verhält es sich genauso. Jemand, der beispielsweise von der „Gottesgegenwärtigkeit“ (ev. Landesbischof Dröge) spricht, nimmt sich selbst zu wichtig.
Mit derlei Sprache hebt man sich ab von der Zuhörerschaft. Man wird vielleicht als Experte wahrgenommen, aber sicherlich nicht als Freund. Ein Umstand, der besonders dramatisch ist in einer Zeit, in der Expertise immer weniger zählt. Der Verlust der Glaubwürdigkeit der Expertise ist ein internationaler Prozess. Während des Volksentscheides über den BREXIT zählten Fakten genauso wenig wie bei Donald Trump. Die AfD begründet ihren Erfolg auf Ängsten vor Entwicklungen, die gar nicht stattfinden. Stuttgart 21 wird entgegen jedweder Kostenrechnung und Expertenmeinung weiter gebaut. Auch in der Finanzmarktkrise 2008 reichte die gemeinsame Aussage von Angela Merkel und Peer Steinbrück „die deutschen Einlagen sind sicher“, um eine Massenpanik zu verhindern. Wäre die Panik eingetreten, niemand hätte die Sicherheit der Einlagen garantieren können. Das faktenbasierte Argument hat seine Macht verloren. Es gewinnt die überzeugend-starke Meinung.
Erik Flügge
Geschäftsführer der SQUIRREL & NUTS Gesellschaft für Strategische Beratung mbH; berät Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und Großorganisationen bei der strategischen Aufstellung und Optimierung ihrer Kommunikation; veröffentlichte 2016 den SPIEGEL-Bestseller „Der Jargon der Betroffenheit. Wie die Kirche an ihrer Sprache verreckt“ im Kösel-Verlag.
Im Grunde müsste dieser Trend der Theologie in die Hände spielen. Sie verhandelt seit jeher einen Glauben, der mehr den Charakter einer Meinung als den Charakter eines Faktums hat. So viele intellektuelle Pirouetten wir auch drehen, Gott bleibt wissenschaftlich nicht beweisbar. Ohne Glaube gibt es keinen Gott.
Es läge eine so große Chance darin, schlicht den eigenen Glauben