Группа авторов

Lebendige Seelsorge 5/2016


Скачать книгу

hindurchgehen, um in der Verkündigung ihren Ausdruck zu finden. Die Grundhaltung und die Begegnung mit anderen Menschen (Diakonenweihe: „was du lebst“) ist bereits als Verkündigung zu begreifen, darin spiegelt sich das, was man glaubt. Paul VI. nennt es in Evangelii nuntiandi ein „Zeugnis ohne Worte“. Am griffigsten drückt das, worum es geht, Franz von Assisi aus: „Verkündet das Evangelium und, sollte es nötig sein, auch mit Worten!“ ■

       LITERATUR

      Apostolisches Schreiben „Evangelii nuntiandi“ über die Evangelisierung in der Welt von heute, hg. von der Deutschen Bischofskonferenz (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 2), Bonn 1975.

      Apostolisches Schreiben „Evangelii gaudium“ über die Verkündigung des Evangeliums in der Welt von heute, hg. von der Deutschen Bischofskonferenz (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 194), Bonn 2013.

      Flügge, Erik, Der Jargon der Betroffenheit. Wie die Kirche an ihrer Sprache verreckt, München 2016.

      Fuchs, Ottmar, Heilen und befreien. Der Dienst am Nächsten als Ernstfall von Kirche und Pastoral, Düsseldorf 1990.

       Muss es immer kompliziert sein?

      Die Replik von Erik Flügge auf Ute Leimgruber

      Auf der inhaltlichen Ebene kann ich Frau Dr. Leimgruber gar nicht widersprechen. In meinen Augen hat sie Recht. Ich teile ihre Analysen und Argumente und frage mich dennoch: Warum ist ihr Text so kompliziert geschrieben?

      Warum soll ich eine Replik schreiben, wenn wir uns doch einig sind? Das ist die Frage, mit der ich diesen Text beginne. Zur Sicherheit schlage ich das Wort „Replik“ bei Wikipedia nach. Dort steht: „Die Replik ist die Erwiderung des Klägers im Zivilprozess auf die Klageerwiderung des Beklagten.“ Blöd gelaufen, Frau Dr. Leimgruber hat mir im Kern gar nicht widersprochen. Welche Erwiderung sollte ich ihr entgegenstellen?

      Wir sind uns einig in der Diagnose, dass „der Zusammenhang zwischen alltäglicher Gebrauchssprache und kirchlicher Verkündigungssprache gerissen ist“. Worin wir uns augenfällig nicht einig sind, dass es sich mit der Sprache wissenschaftlicher Theologie genauso verhält. Und an dieser Stelle wird wohl die eigentliche Unterschiedlichkeit zwischen Frau Dr. Leimgruber und mir sichtbar: Wir gehen anders mit Sprache um.

      Wann immer ich einen Text schreibe, unternehme ich den Versuch, alles so einfach wie nur möglich zu formulieren. Das gelingt mir mal mehr und mal weniger gut. Aber es ist mein Anspruch. Wenn ich die Sätze lese „Das in kirchlichen Kontexten verwendete Vokabular ist oft nur noch für Menschen verständlich (und erträglich), die kirchlich sozialisiert und integriert sind. Für alle anderen wirkt es irgendwie anachronistisch, peinlich und oft sogar abstoßend“, dann denke ich: Warum so kompliziert? In meinem Buch hatte ich es so auf den Punkt gebracht: In der Kirche habe ich den Eindruck, als wandle ich ständig zwischen dem Vorlesungssaal von Habermas und der Kindertagesstätte Pusteblume hin und her. Gerade bin ich mal wieder in den Hörsaal geraten.

      Während ich diesen Text schreibe, hat der Zug die Grenze zur Schweiz überschritten. Ich habe jetzt keinen Empfang mehr. Ich kann nicht mehr googeln. Was hieß nochmal ganz genau „anachronistisch“? Deshalb formuliere ich in dieser Erwiderung den gleichen Vorwurf ihrer Sprache gegenüber, den sie den Verkündigenden macht. Sie schreibt, die Worte „Agape“ und „Antlitz“ würde niemand mehr verstehen. Ich antworte ihr, dass „anachronistisch“, „Inkohärenz“, „institutionalistisch“ auch eine Form von „Wortdurchfall“ sind, wie Paul Zulehner ihn den Verkündigern vorwirft.

       WARUM MACHE ICH DIESEN VORWURF?

      Ich weiß, dass ich mir mit dieser Replik nicht nur Freunde mache. Natürlich klingt sie mal wieder arrogant. Aber ist es nicht die eigentliche Arroganz, einen Text so zu formulieren, dass er ohne Studium nicht verstanden werden kann? Haben wir denn ernsthaft eine Chance, diejenigen zu erreichen, die vor Ort in den Gemeinden sind, wenn wir es so kompliziert machen? Es gibt viele gute Theologen wie Arndt Bünker, dessen Kritik meines Buches gerade viele richtig gute Theologen feiern. Er kritisiert, dass mein Buch das Thema der Sprache zu unterkomplex verhandelt und stellt meinem Text eine sehr komplexe Analyse entgegen. Der Applaus an den Unis ist ihm gewiss. Nur, in den Kirchengemeinden liest das wieder keiner. Der Erfolg von „Der Jargon der Betroffenheit. Wie die Kirche an ihrer Sprache verreckt“ ist, dass man es lesen kann. Weil man das Buch auf Anhieb versteht, hat es so eine große Reichweite. Deswegen wird es nicht nur an Unis gelesen, sondern überall dort, wo verkündigt wird. Natürlich verharrt es dabei an der Oberfläche. Aber ich glaube, dass genau die Veränderung dieser Oberfläche einen tatsächlichen Beitrag dazu leisten kann, dass sich auch das große Ganze verändert.

      Deshalb erlauben Sie, dass ich es jetzt auch einmal kompliziert mache: Systemtheoretisch betrachtet bedingt die Veränderung einer Systemvariablen alle abhängigen Systemvariablen mit. Da Sprache als Oberfläche ein aus dem System heraus bedingter Output ist, erfordert die Veränderung dieses Outputs auch eine vorgängige Veränderung der Systembedingungen. Damit ist die Symptombehandlung immer auch eine Systembehandlung. Weil ich es mir aber zur Aufgabe gemacht habe, das Komplizierte einfach auszudrücken, liefere ich die Übersetzung gleich mit: Wenn man beginnt darüber nachzudenken, wie die eigene Botschaft verständlich wird, stellt man schnell fest, wenn einem eine Aussage fehlt. Wofür stehe ich gerade eigentlich? Was will ich sagen? Wenn ich diese Antwort nicht finde, höre ich auf, an meiner Predigt zu feilen und fange an, nochmal in der Bibel nachzulesen. Wenn das da draußen in den Kirchengemeinden gerade passiert, dann habe ich alles geschafft, was ich erreichen wollte. ■

       Die Trumpisierung der Verkündigung

      Die Replik von Ute Leimgruber auf Erik Flügge

      Erik Flügge ist hauptberuflich Berater und Kommunikationsfachmann. Als solcher gibt er in seinem Artikel den „Theologen“ [alle Zitate dem Artikel von Flügge entnommen] den Rat, „sich sprachlich zu entwissenschaftlichen“, d.h. die Kommunikation so zu gestalten, dass sie „auf einfacher Emotion statt komplexer Theoretisierung [basiert]“. Es ist pikant, dass ein Kommunikationsexperte die Expertise gibt, nicht auf der Basis theologischer Expertise zu arbeiten und sich stattdessen um die kommunikatorische Form („Oberfläche“) und um Gefühle zu kümmern. Es ist eine triviale Sache und führt in diesem Zusammenhang auch nicht weit genug, dass es einen Unterschied zwischen der Sprache der Verkündigung und der Sprache der wissenschaftlichen Theologie geben muss. Keineswegs trivial ist jedoch, was hinter der Forderung nach sprachlicher Entwissenschaftlichung steht: die Konzentration auf Oberfläche, Meinung und Emotion bei gleichzeitiger Denunzierung „all der differenzierten Wissenschaftlichkeit“.

      Flügge beschreibt die Theologie als eine überkomplizierte Rede von Gott, die eher verschleiert als erklärt und damit sowohl der Verkündigung als auch der Gottesbeziehung im Weg steht. Wie sonst ist seine Bemerkung zu verstehen, dass „der ständige Wunsch von Theologen, man möge […] zeigen, […] dass alles viel differenzierter sei, […] die Achillesferse jeder kirchlichen Kommunikation [ist]: Man differenziert sich zu Tode“? Hier ist Widerspruch vonnöten. Theologie ist Rechenschaft des Glaubens vor der Vernunft. Dafür braucht es die intellektuelle Anstrengung. Selbstredend kann akademisches Vokabular verschleiern, und „Formelsätze und starke Verdichtung“ können die Verkündigungssprache unverständlich machen. Wo eine komplizierte Redeweise Verkündigungshandeln verdeckt und Verständigung verunmöglicht, muss dies entschieden kritisiert werden. Doch der Widerspruch zwischen der „hochtrabenden Theoretisierung Gottes“ und dem einfachen Sprechen „im Angesicht des Kreuzes“ kann nicht dadurch aufgelöst werden, dass das eine gegen das andere ausgetauscht wird. Es gibt an dieser Stelle kein Entweder-Oder. Es reicht nicht, schlicht zu glauben und dies in Form einer „starken Meinung“ und „einfachen Emotion“ zu äußern. Als professionelle/-r Theolog/-in braucht es die akademische Auseinandersetzung, um in der Verkündigung glaubwürdig reden zu können, und zwar in einer professionellen Funktion. Professionell kirchlich Tätige benötigen emotionale und sprachliche Kompetenzen ebenso wie spirituelle und fachliche. Andernfalls kommt es zu dem, was Flügge eigentlich vermeiden will: „Verblödung“.

      Das Beispiel, das Flügge für gelungenes Verkündigungshandeln