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Lebendige Seelsorge 5/2016


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wohltuend ab von den Bergen aus Tüchern und Kerzen und den salbungsvoll-inhaltleeren Worten religionspädagogischer Peinlichkeit. Aber die Gegenbewegung gegen die noch immer gelebte übertriebene Emotionalisierung der 1970er, die häufig ganz auf ihren Christentumsbezug verzichtet, darf nicht sein, zu einer grauen Behörde zu verkommen. Es muss einen produktiven Mittelweg geben zwischen dem Universitär-Komplexen und dem religionspädagogischen Tücherwerfen.

      Für mich sind die Lesungen und das Evangelium des 26. Sonntages vom 18. September dieses Jahres ein gutes Beispiel dafür, wie das gelingen kann. Es war die seltsam verstörende Kombination aus einer Amos-Lesung (Am 8,4-7) über das Stehlen der Reichen von den Armen mittels ihrer wirtschaftlichen Übermacht, das in die Hölle führt, einer Paulus-Lesung (1 Tim 2,18) darüber, dass man für die Mächtigen beten solle und eines Evangeliums, in dem Jesus im Gleichnis vom unzuverlässigen Verwalter (Lk 16,1-13) erklärt, dass der Raub an den Reichen und Mächtigen ins Himmelreich führt.

      Mich zumindest ließ diese Kombination einigermaßen verwirrt zurück. Eine Verwirrung, die emotional stark genug war, um mich zur Recherche zu ermuntern. Wie standen die Texte in anderen Bibelübersetzungen? Wie erklären Wissenschaftler dieses seltsame Gleichnis Jesu? In welchem Kontext steht der Paulusbrief? Wie geht das alles überein mit dem Gebot gegen das Stehlen? Mich ermunterte diese Recherche dazu, über diese drei Texte mit Jesuiten zu sprechen. Und zwar über die Frage, wie sie mich verloren zurücklassen, über meine Suche und am Ende auch über mein Finden. Eine Geschichte, die ich einer Kirchengemeinde erzählte und der sie aufmerksam zuhörte. Weil es die Verbindung war von echter Emotion und einfacher Überforderung im Angesichts der biblischen Überlieferung und gleichzeitiger Suche nach einer Antwort mit Hilfe wissenschaftlicher Methode.

      Mein Versuch einer Antwort war nicht, das ganze Dilemma auflösen zu wollen, sondern die Irritation in den Mittelpunkt zu rücken. Die Frage, wie man angesichts so vieler konkurrierender Ansprüche im Sinne Gottes handeln soll. Welchen Zweck die Überforderung hat und wessen Wort denn nun mehr zählt: Das der Propheten, das der Apostel, die Gebote Gottes oder das Wort seines Sohnes? Ein Kleinmachen vor dem Kreuz, ohne vor lauter Demut nicht mehr zu wagen, eine Antwort zu suchen. ■

       Mehr als Symptombehandlung. Was Verkündigung wirklich braucht

      Verkündigung heißt: dem Evangelium, d.h. der „frohen Botschaft“ zur Präsenz zu verhelfen. Doch in der kirchlichen Binnenkommunikation ist der Begriff „Botschaft“ häufig ein Containerbegriff. Allzu oft hört man, dass die Botschaft „einfach zu den Menschen getragen“ werden müsse, dass man sie „moderner verpacken müsse“, doch was mit „Botschaft“ gemeint ist, wird oft nicht gesagt – oder ist es so eindeutig, dass man es nicht weiter explizieren muss? Ute Leimgruber

      Natürlich kann man nun einwenden, die Botschaft sei das Reich Gottes, mit Verweis auf die zentrale Aussage Jesu in Mk 1,14f: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium.“ Doch das führt nur vom Regen in die Traufe, denn was bedeutet „Reich Gottes“ im konkreten Leben eines Durchschnittsmenschen in Deutschland?! Papst Franziskus warnt in Evangelii gaudium davor, „sich an die eigene Sprache zu gewöhnen und zu meinen, dass alle anderen sie gebrauchen und von selbst verstehen“ (EG 158). Die Phraseologie der deutschen Kirchensprache wird deutlich anhand eines Graffitos: Auf einer Wand steht: „Jesus ist die Antwort!“ – und ein Sprayer hat darüber geschrieben: „Was war nochmal die Frage?“ Dies entlarvt die hohle Vordergründigkeit einer religiösen Aussage, die in keiner Weise von den Erfahrungen und dem Leben der Menschen gedeckt ist.

      In den letzten Monaten, seit dem Erscheinen des Buches „Der Jargon der Betroffenheit. Wie die Kirche an ihrer Sprache verreckt“ von Erik Flügge, wird wieder über die Sprache der Verkündigung diskutiert. Und das ist gut so. Denn die Sprechverkündigung ist vielerorts in einem miserablen Zustand. Humorvoll auf den Punkt gebracht beim Bullshit-Bingo Weihnachtspredigt

      (vgl.philipp-greifenstein.de/bullshit-bingoweihnachtspredigt, in: LS 5/2014 „Humor“). Jemandem dabei zuzuhören, wie er oder sie „kirchisch“ spricht, verursacht nicht selten Fremdschämen.

      Man kann sich in der „kirchischen“ Sprache relativ problemlos von Containerbegriff zu Containerbegriff, von schiefen Metaphern zu schiefen Metaphern hangeln, ohne dass man wirklich konkret etwas sagt. Und ohne dass sich irgendjemand derer, die von der Kirche „angesprochen“ oder „wiedergewonnen“ werden sollen, dafür interessiert.

      Andererseits wird versucht, eine dezidiert moderne Sprache zu verwenden, möglichst „cool“ und zeitgemäß zu formulieren. Oftmals sind dann für die Außenstehenden nur noch Codes und Anti-Codes erkennbar, eine vordergründige und bisweilen absurde Kommunikation dessen, was man eigentlich besonders schick und v.a. erfolgverheißend verkaufen will. Gegen den allgemeinen Code des abgegriffenen Kirchensprechs wird da der Anti-Code einer modernen Alltagssprache gesetzt; aus „Gruppenstunden“ für Ministrant/-innen werden „Mini-Meetings“. Wenn es dabei dann auch noch das Ziel ist, möglichst viele Menschen in die leeren Gotteshäuser bzw. in die diversen Gruppierungen der Gemeinden zu locken, ist dies eine institutionalistische Vorgehensweise, die nur auf sich selbst und die eigenen Zahlen sieht. Weder Anbiederung an das Gegenüber noch Zielgruppenmarketing sind der richtige Weg, über Gott zu reden (vgl. Flügge, 132f.).

       Ute Leimgruber

      Dr. habil., Studienleiterin bei Theologie im Fernkurs, Würzburg; Privatdozentin für Pastoraltheologie und Homiletik an der Theologischen Fakultät Fulda; Mitglied der Theologischen Kommission des KDFB.

      Klar ist: An der Sprache allein wird die Kirche nicht verrecken. Die Sprache ist ein besonders augen- bzw. ohrenfälliger Ort der Inkohärenz – aber nicht der einzige. Denn der – zugegebenermaßen nur schwer erträgliche – „Jargon der Betroffenheit“ ist lediglich das Symptom. Man kann die Sprache in den Blick nehmen, gute Tipps zur Vermeidung von abgedroschenen Phrasen geben, doch das ist Symptombehandlung. Sekundärtherapie nennt man das in der Medizin. Die ist oft gut und notwendig. Meistens ist sie sogar unverzichtbar. Manchmal ist es die einzig mögliche Therapie – dann nämlich, wenn die eigentliche Ursache nicht behoben werden kann. Im Fall der christlichen Verkündigung braucht es m.E. unbedingt die von Erik Flügge angemahnte Sekundärtherapie einer verständlichen Sprache, in Stil und Ästhetik.

      Vor allen Dingen aber – und in Korrespondenz mit einer fundierten Diagnose der Verkündigung und ihrer Verständigungsschwierigkeiten – braucht es eine Primärbehandlung, die sich wiederum in der Sprache widerspiegelt. Dass „Kirchisch“ so ist, wie es ist, liegt nicht nur daran, dass man irgendwie in den 1980er Jahren hängen geblieben wäre. Sein Zustand ist ein Symptom für eine viel tiefer liegende Krise.

       SPRACHE: DIE FORMALE QUALIFIKATION DER VERKÜNDIGUNG

      Verkündigung ist in mehrfacher Weise qualifiziert. Dies ergibt sich aus ihrer Bestimmung als Glaubenskommunikation.

      Die Sprache, kondensiert im Code, ist interdependent mit den Personen (wer kommuniziert mit wem), dem Inhalt (was wird kommuniziert) und dem Kontext. Wenn man nun den Blick auf die Sprache richtet, dann ist die Diagnose von Erik Flügge zutreffend, dass innerhalb dieser Kategorie der Zusammenhang zwischen alltäglicher Gebrauchssprache und kirchlicher Verkündigungssprache gerissen ist. Wie oft z. B. blickt man jemandem ins „Antlitz“ oder lädt seine Freund/-innen am Wochenende zu einer „Agape“ mit „anschließendem gemütlichen Beisammensein“ ein? Eigentlich nur in Predigten und beim Pfarrfest. Das in kirchlichen Kontexten verwendete Vokabular ist oft nur noch für Menschen verständlich (und erträglich), die kirchlich sozialisiert und integriert sind. Für alle anderen wirkt es irgendwie anachronistisch, peinlich und oft sogar abstoßend. Das macht auch das Graffito deutlich: Die Aussage „Jesus ist die Antwort“ ist aus der Distanz betrachtet alleine sprachlich schon ziemlich schräg, doch m.E. zeigt sich darin, dass ein viel tiefer liegender Zusammenhang gerissen ist: der zwischen Sprache und Inhalt bzw. zwischen Wort und Vollzug. Sprachfähigkeit bedeutet in diesem Zusammenhang auch das, was 1 Petr 3,15 paradigmatisch aussagt: „Seid bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der euch nach dem Grund der Hoffnung fragt,