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uns unterschwellig bei den Überlegungen begleiten in der Hoffnung, dass wir da und dort Elemente einer Antwort entdecken.

      Ich meine, es war Max Frisch, der als Ziel seines literarischen Schaffens sinngemäß gesagt hat: Ich möchte eine Frage so stellen, dass der Leser ohne die Antwort nicht leben kann.

      Die Frage „Was will uns Gott durch diese Veränderungen, die wir erleben und z. T. erleiden, sagen?“ berührt die Rede von den „Zeichen der Zeit“. Papst Johannes XXIII., dessen Gedenktag wir heute feiern, hat diesen Begriff in seiner Enzyklika „Pacem in terris“ verwendet. Er nennt drei Merkmale, die seine Zeit kennzeichnen: 1) den wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg der Arbeiterklasse; 2) die Tatsache, dass, wie er schreibt, „die Frau am öffentlichen Leben teilnimmt …“; 3) das Faktum, „dass die Menschheitsfamilie im sozialen wie im öffentlichen Leben eine völlig neue Gestalt angenommen hat.“ Diskriminierungen wegen Hautfarbe, Rasse, Religion oder Geschlecht werden nicht mehr akzeptiert.

      Die Rede von den Zeichen der Zeit kann sich, wie Sie wissen, auch auf ein Wort aus dem Lukasevangelium stützen. Dort heißt es im 12. Kapitel: „Außerdem sagte Jesus zu den Leuten: Sobald ihr im Westen Wolken aufsteigen seht, sagt ihr: Es gibt Regen. Und es kommt so. Und wenn der Südwind weht, dann sagt ihr: Es wird heiß. Und es trifft ein. Ihr Heuchler! Das Aussehen der Erde und des Himmels könnt ihr deuten. Warum könnt ihr dann die Zeichen dieser Zeit nicht deuten? Warum findet ihr nicht schon von selbst das rechte Urteil?“ (Lk 12,54−57).

      Schließlich hat diese Redewendung auch Eingang gefunden in die Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“: „Zur Erfüllung dieses ihres Auftrags obliegt der Kirche allzeit die Pflicht, nach den Zeichen der Zeit zu forschen und sie mit Hilfe des Evangeliums zu deuten. […] Es gilt also, die Welt, in der wir leben, ihre Erwartungen, Bestrebungen und ihren oft dramatischen Charakter zu erfassen und zu verstehen.“ Das Konzil führt dann weiter aus, dass die Kirche der Welt nicht nur etwas zu geben hat, sondern dass sie auch von der Welt vielfältige Hilfen erfährt.

      Die Kirche tritt in den Dialog mit der Welt in der Überzeugung, dass sie den Menschen etwas zu sagen hat, was die Menschen von sich aus nicht wissen können. Sie hat ihnen das zu sagen, was uns Jesus von Gott mitgeteilt hat, nicht nur in Worten, sondern in seinen Taten, in seinem Leben, Sterben und Auferstehen. In Jesus hat Gott sein innerstes Wesen gezeigt und seine radikale Liebe zur Welt und zu den Menschen offenbart. So kann sie denen Auskunft geben, die nach Gott und nach dem Weg zum Leben fragen.

      Aber sie tritt in diesen Dialog auch mit der Bereitschaft, zu lernen und Hilfe anzunehmen. Der Dialog mit Menschen, die am Rand oder auch außerhalb der Kirche stehen, hat seinen guten Grund und seinen Sinn, denn die Kirche kann dadurch lernen, ihre eigene Botschaft besser zu verstehen. Die verantwortliche Mitarbeit von Laien in der Kirche – vor allem auch von Frauen – verdankt sich auch Impulsen aus der demokratischen Gesellschaft – ebenso wie die Ablösung des hierarchischen Verständnisses der Ehe durch das partnerschaftliche. Papst Benedikt XVI., d. h. der damalige Professor Joseph Ratzinger, schreibt in einem Beitrag zu dieser Thematik, dass die Kirche manches, was sich außerhalb von ihr entwickelt hat, als ihr Eigenes erkannt und rezipiert hat.

      Ich glaube, man kann auch sagen, dass Jesus gelernt hat. In Begegnungen mit Menschen außerhalb des Volkes Israel staunt er jedenfalls öfter über den Glauben, den er dort findet und der größer ist als bei den Angehörigen seines Volkes. Vielleicht hat die Begegnung mit der syrophönizischen Frau seinen Blick geweitet für seinen Auftrag. Er ist nämlich nicht nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt (vgl. Mt 15,24), sondern das Wort des Lebens ist auch für die, die nicht zum Volk Israel gehören, bestimmt. Am Ende des Matthäusevangeliums steht jedenfalls der Auftrag, zu allen Völkern zu gehen und ihnen die Botschaft des Evangeliums zu verkünden. Dass Jesus gelernt hat, sagt ausdrücklich der Hebräerbrief: „Obwohl er der Sohn war, hat er durch Leiden den Gehorsam gelernt“ (Hebr 5,8).

      Es bleibt die Frage, was Gott uns durch die Veränderungen in Gesellschaft und Kirche sagen will. Sie muss uns bei unseren Überlegungen begleiten. Dass er uns dadurch etwas sagen will, davon bin ich überzeugt. Er will uns etwas sagen, das uns hilft, sein Evangelium besser zu verstehen und dann auch entsprechend zu verkünden und danach zu handeln.

      1 Die Dokumentation der in Hünfeld gehaltenen Predigt dient dazu, die Notwendigkeit der Wahrnehmung der Zeichen der Zeit und der daraus wachsenden Herausforderungen für neue Entscheidungen biblisch und konziliar zu begründen.

Landsichten

      Stärken und Schwächen unserer Dörfer – Wie könnte ein Fitnessprogramm für die Zukunft aussehen?1

       Gerhard Henkel

      Vorbemerkung

      Das gestellte Thema ist sehr weit gefasst und anspruchsvoll. Ich soll ein wenig auf die zurückliegende Entwicklung schauen, dann vor allem die Gegenwart bilanzieren, diese bewerten und nicht zuletzt auch nach vorn blicken und dazu konkrete Handlungsfelder benennen, die für die zukünftige Entwicklung wichtig sind. Da ich insgesamt den ländlichen Raum ins Visier nehme und hier nur einen begrenzten Raum zur Verfügung habe, muss ich in meinen folgenden Ausführungen naturgemäß stark generalisieren.

      1. Einstieg ins Thema: schrumpfende – stagnierende – wachsende – stark wachsende Dörfer

      Stärken und Schwächen – so lautet mein Thema − unterliegen starkem Wandel, dies gilt für alle sozialen und ökonomischen Gesellschaften. Was vor Jahren oder Jahrzehnten Gewicht hatte, spielt heute vielfach keine Rolle mehr. Was in 20 oder 30 Jahren eine besondere Stärke oder Schwäche sein wird, wissen wir nicht. In den meisten ländlichen Regionen Deutschlands hat es in den letzten Jahrzehnten starke inhaltliche und regionale Gewichtsverlagerungen gegeben. Diese sehr unterschiedlichen Wachstumsund Stagnationsphasen kann man mit geübtem Auge den Ortsbildern ablesen.

      Nehmen wir zwei Beispiele aus dem Paderborner Land: Das Dorf Asseln hat seit über 150 Jahren seine Einwohnerzahl von etwa 400 Einwohnern praktisch nicht verändert. Das Dorf Scharmede ist von 1850 bis heute von etwa 350 auf fast 3000 Einwohner angestiegen; die Rahmenbedingungen oder auch die inneren Kräfte des Dorfes haben sich offenbar rapide verändert.

      Die Stärke und Lebendigkeit eines Dorfes liegen oft im Verborgenen. Sie erschließen sich – zumal für den Außenstehenden – in der Regel nicht durch kurze Besuche oder statistische Einordnungen. Auch Wissenschaftler tun sich bisweilen schwer, hinter die Fassaden eines Dorfes zu gelangen und dessen Potentiale und Schwächen zu erkennen. Wer aber wirklich genauer und länger hinschaut, wird überrascht sein von der ökonomischen, sozialen und kulturellen Vitalität und Komplexität des Landlebens. Allerdings gibt es erstaunliche und überraschende Unterschiede von Dorf zu Dorf, von Dorfregion zu Dorfregion. Während viele Dörfer vor Kraft und Lebendigkeit förmlich sprühen, erscheinen andere – oft Nachbardörfer – wie gelähmt. Welche inneren und äußeren Kräfte sind es, die Dörfer stark und lebendig machen – oder in Lethargie verharren lassen, wenn sie fehlen? Die folgenden Ausführungen bilanzieren die gegenwärtigen Stärken und Schwächen unserer Dörfer in stark generalisierter Form und versuchen, daraus ein knappes Handlungsprogramm für die Zukunft abzuleiten.

      2. Bilanz der gegenwärtigen Stärken und