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des ländlichen Raumes haben an Gewicht verloren: Holz und Wasser als Energielieferant und Rohstoff, (gutes) Land für Ackerbau und Viehzucht. Damit ist ein Verlust an traditioneller Wertschöpfung und Arbeitsplätzen eingetreten, der immer noch anhält. Der Verlust betrifft auch das traditionelle Dorfhandwerk, das sich als Dienstleistung für die wirtschaftstragende Landwirtschaft und für die rege Bautätigkeit auf dem Lande bis in die 1960er Jahre sehr gut entwickelt hatte. In manchen ländlichen Regionen haben sich nach den Schrumpfungsprozessen in Land- und Forstwirtschaft und Dorfhandwerk nur wenig alternative Gewerbe herausgebildet. Sie gehören zu den stagnierenden und von Bevölkerungsrückgang betroffenen Gebieten. Es gibt zahlreiche Dörfer in Deutschland, die ihren ökonomischen und demographischen Zenit vor 150 bis 200 Jahren hatten.

      In jüngerer Zeit gibt es ein wenig Hoffnung. Der Wert ländlicher Ressourcen wie Boden, Wasser und Holz scheint sowohl für die Nahrungs- als auch für die Energieproduktion zu steigen. Gerade der Trend zu erneuerbaren Energien kommt dem ländlichen Raum zugute. Es gibt bereits Dörfer, die sich mit Strom und Wärme selbst versorgen.

      b) Anhaltende Infrastrukturverluste

      Bezüglich der Infrastruktur gibt es neben den Stärken, die genannt wurden, eine Reihe von erheblichen Verlusten, die hier anzuführen sind (siehe Abb. 2). Am stärksten betroffen sind zahlreiche – auch mittelgroße – Dörfer vom Verlust der dörflichen Schule. Dazu kommen Post, Bürgermeisteramt und dörflicher Gemeinderat, Polizeiposten, Bahnanschluss sowie die Bäuerliche Bezugs- und Absatzgenossenschaft. Bei den privaten Dienstleistungen sind vor allem die Schuhmacher, Schneider, Schmiede und in den letzten Jahren auch die Bäcker und Metzger weggefallen. Besonders schmerzhaft sind die Verluste an Gasthöfen und Dorfläden, vor allem dann, wenn es die letzten sind, die schließen.

      c) Leerstand von Gebäuden in Dorfkernen

      Noch vor 50/60 Jahren waren alle Dörfer in Deutschland im wahrsten Sinne des Wortes „voll“; jeder Quadratmeter war genutzt durch Wohnungen für Menschen, Ställe für Tiere, Speicher für Erntevorräte und Schuppen für Maschinen. Durch Neubausiedlungen am Rande der Dörfer, aber auch durch Aussiedlungen und die bald einsetzende Landflucht entstanden bereits in den 1960er und 1970er Jahren Leerstände in den Dorfkernen, auf die man mit den staatlichen Förderprogrammen der Dorfsanierung und Dorferneuerung reagierte.

      Inzwischen ist es in den meisten Dörfern zu einer zweiten Welle des Gebäudeleerstandes gekommen. Außerdem sind viele alte Bauernhäuser nur noch von ein bis zwei älteren Personen bewohnt, eine Nutzungsnachfolge ist höchst ungewiss. Ähnliches gilt für ältere Handwerkerhäuser, ehemalige Gasthöfe, Dorfläden usw. Die Probleme sind brennend, sie gehen an die Substanz des Dorfes, den alten Kern, der das Dorfbild prägt, mit dem man das Dorf identifiziert. Sogar in wachsenden Dörfern nimmt der Leerstand im Inneren noch zu, zugunsten neuer Wohngebiete am Dorfrand. Ein Problem ist vielerorts die Wahrnehmungsschwäche. So wollen viele Bürgermeister den Leerstand einfach noch nicht wahrhaben!

      d) Zu wenig Arbeitsplätze für Höherqualifizierte, vor allem im Dienstleistungsbereich

      Dies ist eine Schwäche, die dem ländlichen Raum generell zugeordnet werden kann. Die höher qualifizierten Dienst-leistungsberufe sind nun einmal in den Großstädten konzentriert. Aber es gibt erhebliche Unterschiede auf dem Lande. So steht das sonst vielfach zu lobende Bayern in diesem Punkt in einigen Regionen schlechter da als Nordrhein-Westfalen. Gerade im südlichen und östlichen Westfalen gibt es durch zahlreiche mittelständische Industriebetriebe ein relativ gutes Angebot z. B. für Ingenieure. Generell bietet die Nähe zu Oberzentren bzw. gut ausgebauten Mittelzentren ein gut erreichbares Angebot für höher qualifizierte Dorfbewohner.

      Die modernen Informations- und Kommunikationstechniken könnten den grundsätzlichen Standortnachteil des Dorfes mittel- und langfristig aufheben oder mindern. Bereits heute finden sich vereinzelt in den Dörfern Klein- und Kleinstunternehmer, die hoch komplizierte Soft- oder Hardwaredienstleistungen für große Konzerne weltweit erbringen.

      e) Abwanderung von Jugendlichen

      Ein großes Problem für den ländlichen Raum in ganz Deutschland ist die Abwanderung der jungen, gut ausgebildeten Bevölkerung, schwerpunktmäßig der Gruppe der 24–27-Jährigen. Man spricht hier auch von Bildungsabwanderung. Die Jugendlichen ziehen in die Großstädte mit ihren differenzierten und besser bezahlten Berufsmöglichkeiten. Der Wegzug dieser Jugendlichen schmerzt, weil hier ein wertvolles Humankapital wegzieht, das in der Region hohe Ausbildungs- und Infrastrukturkosten verursacht hat, wovon dann aber andere Regionen profitieren können.

      Anlässlich eines kürzlich in Wien gehaltenen Vortrags wurde mir die Frage gestellt, ob nicht auch die (immer noch) starke soziale Kontrolle in den Dörfern die Entwicklung mancher Jugendlicher behindere und es auch deswegen zu Abwanderungen in die Stadt komme. Ich gebe diese Anregung gern weiter, wenngleich ich der Meinung bin, dass die Brisanz der sozialen Kontrolle auf dem Lande gegenüber den 1950er und 1960er Jahren stark abgenommen hat.

      f) Zu wenig Integration von Aussiedlern und Zugewanderten

      Die Integration von Aussiedlern aus der ehemaligen Sowjetunion und anderen Zugewanderten aus dem Ausland hat zwar hier und dort Fortschritte gemacht, dennoch sind nach wie vor große Defizite zu beobachten. Sprechen Sie mit Vereinsvorständen, hören Sie von vielfach vergeblichen Bemühungen um die Integration von Jugendlichen in die Vereine. Sehen Sie das oft distanzierte Verhalten der Zugezogenen auf den dörflichen Festen. Gegenseitige Vorbehalte und Ängste prägen nach wie vor das Miteinander. Meist fehlt die Motivation, aufeinander zuzugehen. Oft ist der Wille da, aber offenbar scheint die Kraft zu fehlen, sich wirklich einander zu nähern.

      g) Zu wenig Netzwerke bzw. Kommunikation zwischen Vereinen, Bürgern und Behörden

      Der Informationsaustausch und der Dialog zwischen Vereinen, Bürgern und Behörden haben deutliche Schwächen. Vereine fühlen sich z. B. angesichts ihrer Aufgabenfülle und mancher Sorgen von den Bürgermeistern, Ortsvorstehern, Gemeinderäten sowie der Kommunalverwaltung vernachlässigt, obwohl diese ja eigentlich ein offenes Ohr für die Vereine haben. So lautete ein verzweifelter Hilferuf eines Sportfunktionärs in einer ländlichen Großgemeinde: „Herr Bürgermeister, übernehmen Sie die 1200 Kinder und Jugendlichen, die Woche für Woche von uns in den Sportvereinen trainiert und betreut werden.“ Bisher nicht engagierte Bürger würden sich vielleicht zu einer Mitarbeit motivieren lassen, aber es fehlen ihnen die richtigen Informationen und Ansprachen. Manche Aufgaben eines Dorfes, die sozusagen „zwischen“ den klassischen Aufgaben der verschiedenen Vereine liegen, z. B. die Leerstandsproblematik oder die Integration von Aussiedlern, werden zu wenig wahrgenommen bzw. konkret angegangen.

      3. Konkrete Handlungsfelder eines Fitnessprogramms für die Zukunft

      In die folgenden konkreten Handlungsfelder sind sowohl Analysen der verschiedenen Wissenschaften als auch Erfahrungen und Modellprojekte aus der Praxis eingeflossen, die im ganzen Bundesgebiet derzeit bekannt sind und diskutiert werden. Darüber hinaus habe ich in den letzten Monaten zahlreiche einschlägige Gespräche mit Vertretern aus der Wirtschaft, aus Kommunen und Vereinen geführt. Eine Zusammenfassung in zehn Punkten muss natürlich manches weglassen, andererseits sind viele Punkte miteinander verknüpft. Natürlich offenbart sich bei einer so komplexen ökonomisch-kulturell-sozialen Thematik – mit einem Blick in die Zukunft – auch meine persönliche Sicht. Bitte betrachten Sie daher meine Empfehlungen nicht als das Dogma eines unfehlbaren Wissenschaftlers, sondern als Angebot zum Nachdenken und zum Dialog! Manche der folgenden Handlungsempfehlungen sind im Übrigen längst angegangen worden.

      a) Revitalisierung der Ortskerne

      Die bauliche, infrastrukturelle und soziale Revitalisierung der Ortskerne halte ich für eine der wichtigsten, wenn nicht für die wichtigste Aufgabe der Kommunalpolitik und der Fachpolitiken.