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„Wir haben keinen Leerstand“ war die erste Reaktion. Aber letztlich betrug der Leerstand überall zwischen 20 und 35 Prozent. Mehrere Bundesländer haben inzwischen ihre Förderprogramme komplett umgestrickt auf Leerstandserfassungen und Umnutzungskonzepte und -maßnahmen, z. B. Baden-Württemberg, Saarland, Hessen, Bayern, Thüringen. Zwei Ziele will man mit der Fokussierung auf die Ortskerne erreichen: Man will die identitätsstiftende Mitte stärken und damit dem Verfall der Baukultur und der Versorgungseinrichtungen begegnen; zum anderen will man einen Beitrag zur Eindämmung des Landschaftsverbrauchs an den Rändern leisten. Das Land Baden-Württemberg nimmt derzeit viel Geld in die Hand für Leerstandserhebungen, dann aber vor allem für Beratung und Hilfestellung der Eigentümer der leer stehenden Immobilien. Hier können wir eine ganze Menge lernen. Die ersten Erfolge in den 13 Modellgemeinden sind bereits sichtbar. So sind in dem kleinen Dorf Creglingen-Münster binnen 5 Jahren 24 Maßnahmen verwirklicht worden mit bereits positiver Wirkung auf die Einwohner- und Kinderzahlen.

      b) Ökonomische Stabilisierung

      Es geht hier vor allem um eine ökonomische Stabilisierung des Vorhandenen in der ganzen Region, besonders aber auch in den gegenwärtig strukturschwächeren und „peripheren“ Orten und Gemeinden. Ein Bündel von Handlungsfeldern ist zu empfehlen:

      – Einmal sollte die Wertschöpfung der vorhandenen Ressourcen verbessert werden: Holz und Wasser als Energielieferanten und Rohstoffe, guter Boden für Ackerbau, Viehzucht und Energiepflanzen.

      – Aufträge der öffentlichen Hand sollte man in der Region belassen.

      – Bürokratieabbau seitens der Kommunen, der Kammern, der Genehmigungs- und Förderungsbehörden sollte energisch angegangen werden.

      – Man sollte eine vorausschauende Gewerbeflächenpolitik betreiben!

      – Von größter Bedeutung sind die sogenannten „weichen“ Faktoren wie: ein wirtschaftsfreundliches Klima schaffen, z. B. durch regelmäßige Besuche von Bürgermeistern, Ortsvorstehern sowie Verwaltungsbeamten in den Betrieben, Kontakte mit Schulen. Gut für die Kontaktpflege und Imagestärkung sind auch die Regionalmessen.

      c) Infrastruktur sichern, eventuell „vorhalten“ oder ausbauen

      Hier geht es im Wesentlichen um die Sicherung eines immer noch hohen Standards der Infrastruktur. Im Einzelnen findet sich ein weites Feld an Aufgaben:

      – Das sogenannte „Vorhalteprinzip“ ist gerade im neuen Landesentwicklungsprogramm Bayerns aufgenommen worden. Ziel ist es, Versorgungseinrichtungen wie z. B. Schulen oder Kindergärten zu halten, auch wenn diese nicht mehr voll ausgelastet sein sollten.

      – Neue Formen der flexiblen Versorgung sind zu finden, z. B. Zusammenschlüsse von Schulen und Kindergärten, um lokale Standorte zu halten: Schulverbund statt Schließung lautet das positive Motto.

      – Alle Arten der privaten Trägerschaft von Infrastruktureinrichtungen, z. B. in Vereinen, Stiftungen oder privaten Diensten, sind zu unterstützen.

      – Der ÖPNV sollte möglichst auf dem derzeit hohen Standard gehalten werden.

      – Modellprojekte wie Nachbarschaftsladen, MarktTreff oder KOMM IN, die öffentliche und private Dienstleistungen in Dörfern anbieten, sollten gefördert werden!

      d) Lebendigkeit und Wirksamkeit der dörflichen Vereine sichern und fördern

      Die hohe Vereinsdichte und die große Akzeptanz der Vereine sind ein ganz wesentlicher Bestandteil der ländlichen Lebenskultur. Hier werden in kaum messbaren Dimensionen – ehrenamtlich – vielfältige Leistungen der Ausbildung und Betreuung, z. B. im sportlichen oder musikalischen Bereich, erbracht und außerdem mannigfache Integrationsleistungen, die noch schwerer zu gewichten sind.

      Aber es gibt derzeit auch viele Unsicherheiten und Frust in den Vereinen und Verbänden, die Bürgern und Politikern teilweise nicht bekannt sind, die aber zu Erosionen führen können. So lassen sich immer schwerer Mitarbeiter gewinnen bzw. über Jahre halten. Andererseits steigen die Anforderungen sowohl hinsichtlich der Betreuung als auch der Breite der Angebote. Früher gab es z. B. in den großen Sportvereinen 2 bis 4 Fußballmannschaften, heute 10 bis 20, daneben aber auch die Angebote Judo, Ballett, Badminton, Basketball usw.

      Die Vereine und Verbände haben die Mitarbeiterproblematik erkannt und machen regionale und lokale Schulungen, doch viele Vereine fühlen sich und ihre Arbeit sowohl von der Kommunalpolitik als auch von Seiten der Elternschaft der betreuten Kinder nicht richtig gewürdigt. Eine drohende Vision eines Sportfunktionärs: Wenn allein die Sportvereine einer Großgemeinde ihre ehrenamtliche Arbeit einstellen würden, könnte man 1200 Kinder und Jugendliche vor dem Rathaus aufstellen, die dann auf Betreuung durch die Stadt warten. Dann könnte die Stadt, wenn sie das übernehmen müsste – so der Funktionär –, sofort Konkurs anmelden. Offenbar ist es längst nicht allen Kommunen bzw. Ratsmitgliedern bekannt, welchen „kommunalen Mehrwert“ die Vereine ständig produzieren. Gegenüber den Eltern, die ihre Kinder bei den Vereinen abgeben, ohne sich weiter für den Verein zu interessieren, ging kürzlich ein Aufschrei eines Sportvereinsvorsitzenden durch die Presse: „Wir sind keine Kinderverwahranstalt.“ Die Vereine benötigen also dringend Aufmerksamkeit und Zuwendung, wenn man so will, moralische Unterstützung von Politikern, Parteien und Eltern, am besten regelmäßige persönliche Kontakte, damit sie erkennen, dass ihre Arbeit auch wirklich gewürdigt wird.

      Um nicht zu erstarren, müssen die Vereine allerdings auch selber bemüht sein, zeitgerechte Entwicklungen aufzunehmen, indem z. B. Jugendliche bereits in kleine Führungsaufgaben eingebaut werden oder neue Aufgaben, wie z. B. die Integration von Aussiedlern, besonders intensiv betrieben werden.

      e) Bürgerschaftliche Verantwortung und Engagement für das Dorf von morgen wecken: die neuen Bürgervereine

      Es gibt viele tatkräftige Dorfvereine, aber oft kein breites bürgerschaftliches Engagement für die Gesamtentwicklung des Dorfes. Neben den (wichtigen!) Spezialinteressen und -aufgaben der zahlreichen Vereine bleiben häufig übergreifende Themen bzw. Querschnittsaufgaben, die das ganze Dorf betreffen, auf der Strecke. Wer kümmert sich z. B. um einen vernachlässigten Bachlauf, wer um ein leer stehendes Baudenkmal, wer um einen fehlenden Spielplatz? Es gibt bereits gute Beispiele für interessenübergreifende Vereine, die unterschiedliche Namen tragen. Einige aus meiner Heimatregion Paderborn seien angeführt: Bereits seit 1975 besteht der sogenannte „Dorfrat“ in Wewelsburg, der den Verlust des alten Dorf- bzw. Gemeindeparlaments durch die kommunale Gebietsreform mindern wollte. Dem Beispiel Wewelsburg folgten andere Dörfer in der Nachbarschaft. In Leiberg existiert seit einigen Jahren ein „Verein zur Förderung der Dorfgemeinschaft.“ In Giershagen bei Marsberg ist ein alter Verkehrsverein zu einem neuen Verein umgebaut worden, der sich „Förderverein Unser Giershagen“ nennt. Seine Ziele sieht dieser Verein laut Satzung in der Stärkung des sozialen und kulturellen Zusammenhalts der Bevölkerung; die Identifizierung der Giershagener mit ihrem Ort soll gefördert werden; alle Vereine sollen in die Aktivitäten eingebunden werden. Vielleicht werden derartige Vereine demnächst die wichtigsten in den Dörfern sein. Eine mögliche Variante wäre aber auch, dass z. B. Schützenvereine diese Querschnittsaufgabe übernehmen.

      Das ganzheitliche Engagement der Dorfgemeinschaft für ihr Dorf wird ganz entscheidend den Ausschlag geben, wie dieses oder jenes Dorf in Zukunft aussehen wird. Das muss allen Dorf- und Kleinstadtbewohnern klargemacht werden. Die öffentliche Hand wird sich aus immer mehr Aufgaben zurückziehen. Die Wohlfahrt der Bürger wird nicht mehr vom Staat garantiert, sondern wird zunehmend durch bürgerschaftliches Engagement hergestellt. Angela Merkel schreibt in ihrer Regierungserklärung: Wir stehen am Ende des Traums vom Staat als „Hüter und Wächter des Gemeinwohls“. Dieses Leitbild wird sich durchsetzen. Die externen Fördertöpfe werden leerer, hängen höher. Sie werden in Zukunft nur noch dort fließen, wo eine entschieden engagierte Dorfgemeinschaft vorhanden ist. Das ist im Übrigen zumindest die inoffizielle Parole in den einschlägigen Ministerien und Förderbehörden. Mein Fazit: Dörfer ohne engagierte Dorfgemeinschaften werden ausbluten. Das wird man schon