macht, mit welchen didaktischen Lernarrangements die Kluft zwischen Wissen und Handeln auf vielfältige Weise auch tatsächlich überbrückt werden kann.
Die Umweltbildung weist zahlreiche Methodenbücher und passende didaktische Ideen vor, wie die Sensibilisierung für mehr Umweltbewusstsein gelingen kann. Verdienstvoll an Bruno Scheideggers Buch ist, dass er erstmals konkrete Vorschläge unterbreitet, wie Umweltbildnerinnen und Umweltbildner jenseits von individuellen Verhaltensappellen auch Lernumgebungen und Aktivitäten auf der situativen Seite schaffen können. Das Buch liefert Anregungen dazu, das bisher vernachlässigte »didaktische Handlungsfeld« der Situation zu gestalten. Gemeint ist die Befähigung zur »gesellschaftlichen Gestaltungsfähigkeit«. Zwar ist diese Befähigung mittlerweile längst akzeptierter Konsens im wissenschaftlichen Diskurs der Umweltbildung, aber didaktische Handreichungen hinken hinterher.
Brunos Verdienste können deshalb nicht hoch genug eingeschätzt werden. Der Wert seines Buches liegt darin, dass es eine umfassende Sammlung von konkreten und passenden Vorschlägen für eine handlungsorientierte Didaktik ist, die nicht bloß auf den individuellen Transfer hoffen muss, sondern beim Aufbau von Transformationskompetenzen für eine nachhaltige Entwicklung dient. In diesem Sinne gibt es uns für die Planung und Evaluation von Umweltbildungsangeboten eine ganzheitliche Didaktik zur Hand.
Sandra Wilhelm, anders kompetent GmbH
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Ich schreibe diese Worte in einer Stimmung von unwilligem Unverständnis und tiefer Trauer, aber auch demütiger Dankbarkeit.
Mein Freund und Kollege Bruno Scheidegger, der Autor dieses Buches, war für unzählige Menschen in der Umweltbildung, Erwachsenenbildung, in der Welt des Kanufahrens und der Outdoor-Education ein Vorbild. Er gehörte einer ganz seltenen Menschenart an: Er war im besten Sinne des Wortes ein praktischer Intellektueller. Er hatte nichts Abgehobenes; die Menschen und die Welt interessierten ihn handgreiflich.
Aber er war auch ein visionärer Vordenker: Mit seiner ruhigen, präzisen, sorgfältigen und hochkompetenten Art war er nie zufrieden mit schnellen Schein- oder Trendantworten. Er wollte der Sache auf den Grund gehen, sie verstehen und dann erklären können. Ich sehe ihn noch vor mir, wie er nicht lockerließ, als wir für das Positionspapier der Fachkonferenz Umweltbildung – das später für die ganze Umweltbildungsszene der Schweiz zentral wichtig wurde – über den Sätzen brüteten, bis die perfekte Formulierung gefunden war, welche die Komplexität nicht reduzierte, sondern fassbar machte. Auf dieselbe Weise verfuhr er mit dem Rahmenkonzept Umweltbildung für die Schweizer Pärke und Naturzentren, das zu Brunos herausragenden Leistungen gehört. Sein Beitrag zur Umweltbildung der Schweiz kann gar nicht überschätzt werden. Ich weiß, dass die Umweltbildungsszene der Schweiz gemeinsam mit ihm ihre Professionalisierung und fachliche Kompetenz ein gutes Stück hätte vorantreiben können.
Die Tatsache, dass wir sein Buch vor uns haben, erfüllt mich mit Dankbarkeit. In diesen Zeiten, wo wir x-beliebige Meinungen und gegoogeltes Infotainment als Wissen und Verständnis verkennen, kann uns Bruno Scheideggers Buch den nötigen Anstoß geben, genauer hinzuschauen, Komplexität nicht unnötig zu vereinfachen. Sein Handlungsmodell mit dem klaren Fokus auf Handlungsorientierung und reale gesellschaftliche Transformation als alleinige Daseinsberechtigung von Umweltbildung zwingt und erlaubt uns, unsere Bildungsbemühungen in der angemessenen Komplexität wahrzunehmen und entsprechend weiterzuentwickeln.
Bruno Scheidegger ist dieser systemische Tiefenblick gelungen, weil er immer jenseits der üblichen Muster unterwegs war. Er war eben nicht nur Naturwissenschaftler, sondern breit qualifizierter und erfahrener Erwachsenenbildner, Unternehmer, Kanuinstruktor, politisch aktiver Naturschützer, Freund, Berater und Unterstützer. Er war ein kritisch-konstruktiver Stiftungsrat bei SILVIVA, gründete neben der Kanuschule Versam auch die IG Ruinaulta zur Förderung von Schutz und nachhaltiger Nutzung der Vorderrheinschlucht zwischen Ilanz und Reichenau und setzte die Wanderausstellung zum »Lebensraum – Erlebnisraum Ruinaulta« oder den Online-Artenfinder des Projekts Faszinatur von Valendas Impuls um, damit die Menschen diese Naturperle konkret erfahren und verstehen können.
Diese Breite der Erfahrung, der Interessen, aber auch das Herzblut, das darin steckt, machen dieses Buch von Bruno Scheidegger so wichtig: Es ist gesättigt von Erfahrung und geht deswegen über alle reduktionistischen Handlungsmodelle hinaus, die uns bisher in der Umweltbildung zur Verfügung standen. Es leistet aber noch etwas: Es zeigt klar, dass Umweltbildung kein Sonderfall ist, sondern sich einschreibt in die besten gegenwärtigen Bemühungen, Bildung darauf auszurichten, dass wir die Herausforderung »nachhaltige Entwicklung« konstruktiv meistern können.
Dr. Rolf Jucker, Geschäftsleiter SILVIVA – Lernen in und mit der Natur
Dank
Ohne das hartnäckige Nachfragen, die Rückmeldungen und Diskussionen aus meinem beruflichen und privaten Umfeld wäre diese Publikation nicht entstanden. Am Anfang standen die fragenden Blicke und das teilweise Unverständnis der Umweltingenieure und Umweltingenieurinnen des Studiengangs UI 2003, die mich zur Entwicklung des Brückenmodells animierten. Danach folgten unzählige spannende Diskussionen mit engagierten Menschen aus dem Umfeld der Stiftung Umweltbildung Schweiz und mit meinen Kolleginnen und Kollegen im Zentrum Umweltbildung am Institut für Umwelt und natürliche Ressourcen in Wädenswil. Ihnen allen danke ich für ihre kleinen und großen Beiträge zum Buch. Mein ganz besonderer Dank geht jedoch an Sandra Wilhelm für ihre langjährige unermüdliche Unterstützung sowie an Esther Boder und Jürg Minsch, die mich in der Schlussphase kritisch und ermunternd begleitet haben.
Bruno Scheidegger, im Frühjahr 2017
1 Einleitung
♦ Alles Einfache ist theoretisch falsch,
alles Komplizierte ist praktisch unbrauchbar. ♦
Paul Valéry
1.1 Die Herausforderung
Umweltbildung ist eine komplexe Sache. Bereits im Wort selbst zeigt sich eine grundsätzliche Schwierigkeit, die sich plakativ zuspitzen lässt: Die Lebensbedingungen auf der Erde werden sich nicht verbessern, solange jeder nur seine Umwelt bilden will, nicht aber sich selbst. Selbstverständlich geht es der Umweltbildung in keiner Weise darum, die Umwelt zu bilden, sondern wie bei jeder Bildung geht es um die Entwicklung von Menschen. Genauer gesagt, um Selbstentwicklung. In ihrem Positionspapier definiert die Fachkonferenz Umweltbildung (2014, S. 5): »Umweltbildung ist der Prozess und das Ergebnis, wenn Menschen bewusst und unbewusst Kompetenzen entwickeln, mit denen sie die Anforderungen des Lebens selbstbestimmt und als Teil einer Gemeinschaft meistern und dabei Mitverantwortung übernehmen für ihre soziale, kulturelle (durch den Menschen gestaltete) und natürliche Umwelt. Umweltbildung fokussiert auf den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen.« Die Definition enthält zwei Prämissen für die vorliegende Publikation, das Bildungsverständnis und das generelle Ziel von Umweltbildung.
Bildung bezeichnet den individuellen Prozess »sich bilden« und das Persönlichkeitsmerkmal »gebildet sein«. Bildung wird als teils bewusster, teils unbewusster Lernprozess verstanden, der zu Selbstbestimmung, Verantwortung und Teilhabe, kurz zum mündigen Menschen führt. In den Worten des Philosophen Peter Bieri (2005): »Bildung ist etwas, das Menschen mit sich und für sich machen. […] [B]ilden kann sich jeder nur selbst.« Dieses Bildungsverständnis geht davon aus, dass die Lernenden als mündig und selbstverantwortlich respektiert werden. Klar von Bildung zu unterscheiden ist das Tätigkeitsfeld der Umweltbildner und Umweltbildnerinnen, nämlich von außen an die Lernenden herangetragene Bildungsangebote. Die Angebote ermöglichen Bildung, produzieren sie aber nicht. Die Steuerungsmöglichkeiten für Lehrende bleiben stets indirekt.
Das generelle Ziel von Umweltbildung ist eine erfolgreiche Gesellschaft, in der mündige Menschen zusammenleben und die großen Aufgaben Friede, Erhalt der natürlichen Grundlagen und angemessener Wohlstand für alle gemeinsam und zukunftssicher bewältigen. Für ein solches »gutes Leben« innerhalb der Tragfähigkeit der natürlichen Ökosysteme orientiert sich die Umweltbildung am Leitbild und normativen Rahmen der starken Nachhaltigkeit (Fachkonferenz Umweltbildung,