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Friedlaender / Mynona und die Gestalttherapie


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kommunistisch,

      Gotisch kleinstadt-dombau-mystisch,

      Aktivistisch, erzbuddhistisch,

      Überöstlich taoistisch,

      Rettung aus der Zeit-Schlamastik

      Suchend in der Negerplastik,

      Wort und Barrikaden wälzend,

      Gott und Foxtrott fesch verschmelzend.« (In: Werner 1962, 25)

      Grundlage all der unterschiedlichen und oft widerstreitenden intellektuellen und künstlerischen Richtungen zwischen 1890 und 1920 war die auf Nietzsche, Bergson und Simmel basierende Lebensphilosophie. Hannah Höch berichtete, dass auf den Jour-fixe-Abenden im Künstleratelier von Arthur Segal die Lebensphilosophie intensiv diskutiert wurde (vgl. Dech et al. 1991, 49). Besonders die philosophischen Auseinandersetzungen zwischen Salomo Friedlaender und den beiden späteren Dadaisten Raoul Hausmann und Johannes Baader, bei denen »das Gehirn knackte« (Bergius 1993, 133), empfand sie als anregend.

      Im Rahmen der Lebensphilosophie entwickelte sich eine Lebensutopie, die von einer vitalistischen Begeisterung getragen war und sich gegen eine als lebensfeindlich, erstarrt, entfremdet und rein materiell ausgerichtet empfundene Welt und die verlogene Sexualmoral der Spießer richtete. Fritz Brubacher, der Schweizer Arzt und Sozialist, schrieb in diesem Zusammenhang über die Bedeutung Friedrich Nietzsches:

      »Für die meisten von uns in jener Generation war Nietzsche einfach die Revolte gegen die Bourgeoisie. Was er gegen die Arbeiterschaft geschrieben haben soll, das interessierte uns einfach nicht, weil die überhaupt in unserem Denken kaum existierte. Für uns war er der Zerbrecher der Tafeln der Bürgermoral, der Befreier des Individuums. Er gab einem einen ungeheuren Mut, ein ungeheures Selbstvertrauen. Er sagte einem, man habe recht gehabt, wenn man vor dem Bürger Ekel empfand. Er gestattete, befahl einem fast, zu sich selbst, zu seiner Individualität zu stehen. Das war der Grund der ungeheuren Wirkung Nietzsches auf unsere Generation.« (Brubacher 1973, 38)

      Entsprechend wurde der Mensch beispielsweise in den Portraitarbeiten der expressionistischen Maler als »er selbst, das heißt, als ein Jemand, der seine Empfindungen nicht länger hinter Konventionen verbirgt« (Hülsewig-Johnen 1994, 20) vorgestellt. Es ging nicht um die perfekte Nachahmung des Aussehens, sondern Malerei wurde zum »Ausdrucksträger von Empfindungen seelischer Gestimmtheit, von Euphorie und Empathie, Pathos und Existenzangst« (ebd.). Ein expressionistisches Portrait »öffnet eher Gefühlsräume, als dass es Menschen abbildet« (ebd., 60). Das von den Konventionen befreite Ideal-Ich des neuen Menschen, das sein Inneres quasi ohne störendes Über-Ich ausdrückt, ist das befreite und eigentliche Selbst, das sich selbst verwirklicht, in dem es sich »unabhängig und unmittelbar in der Präsens, […] seiner Welt wieder sicher ist« (ebd.). Die Malerin Paula Modersohn-Becker schrieb im Jahre 1906 an Rilke: »Ich bin Ich und hoffe, es immer mehr zu werden.« (ebd.) Das war noch das Ich-Ideal des alten Perls, der dies dann, der Zeit entsprechend, in einen existenzialphilosophischen Kontext stellte. Er riet seinen Zuhörern:

      »Natürlich werden, lernen, sich auf sich selbst zu stellen, seinen Kern entfalten und die Grundlage des Existenzialismus verstehen: Eine Rose ist eine Rose.« (Perls 1986, 12)

      Für die Berliner Kunst, vor allem für den Großstadtexpressionismus, war die Konfrontation mit dem Widersprüchlichen in diesen Jahren ein entscheidender Entwicklungsimpuls. Der Widerspruch gegen die wirtschaftliche und politische Entwicklung sowie die erlebte Widersprüchlichkeit der modernen Industriemetropole, die sich im Stadtbild wie im extremen Aufeinanderprallen der unterschiedlichen sozialen Klassen zeigte, machten die Berliner Kunst in diesen Jahren zu einer Kunst der gesellschaftlichen Widersprüche. Roters formuliert das so:

      »Der Widerspruch wird zu einem Symptom, der Heterogenität, der Koinzidenz des nicht Zusammenpassenden, des Auseinandertretens von Unzusammengehörigem wahrgenommen und empfunden, erlebt, erlitten und genossen.« (Roters 1989, 22)

      Am Beispiel der Künstlergruppe »Brücke«, die in idyllischen Naturlandschaften der Provinz ihren Ausgangspunkt genommen hatte, wird die Reaktion auf die Begegnung mit der Weltstadt Berlin deutlich. Deren Rhythmus, Motorik und Tempo beeinflussten den Stil und es trat als Formelement »die Brechung« (ebd.) in Erscheinung. Nach den traumatischen Kriegserfahrungen ging dieser Entwicklungsprozess weiter, und was in der Gebrochenheit der Form latent angelegt war, kam zum Ausdruck: der Bruch. Der Bruch erfuhr

      »in der Berliner Nachkriegskunst noch eine weitere Steigerung, nämlich die zum vorsätzlich herbeigeführten glatten Bruch, zum Schnitt. Der Bruch und der Schnitt, die Wunde und die Narbe; dies sind die unverkennbaren ästhetischen Symptome der Berliner Kunst der zwanziger Jahre. Es ist eine Kunst der Verletztheit.« (ebd., 33)

      Wie die klassische Malerei etwa das Idealbild einer heilen Welt als Orientierung hatte, so spiegelte das durch die Dadaisten entwickelte Prinzip der Montage die realen aktuellen Widersprüche des persönlichen und gesellschaftlichen Lebens. Entsprechend war die Montage »der spezifische Beitrag Berlins zur Kunst unseres Jahrhunderts« (ebd., 22).

      Die für die Gestalttherapie wichtige Arbeit mit innerpsychischen Widersprüchen und Polaritäten hat Wurzeln in dieser Atmosphäre, in der die mit den Widersprüchen positiv-kreativ jonglierende Polaritätsphilosophie von Salomo Friedlaender/Mynona für Perls eine zentrale Rolle gespielt hat.

      Perls im Bohèmekreis um Salomo Friedlaender/Mynona

      »Indeed, if Otto Gross was Expressionism’s psychoanalytical theorist and Kurt Hiller its political activist, then Friedlaender was its philosopher.«

      (Taylor 1990, 118)

      Im Lebenskontext der sogenannten Bohème trafen die Außenseiter aufeinander und fanden im besonderen Großstadtkontext und in den besonderen Experimentierzeiten der Weimarer Republik Bewegungsspielraum und Erfolg. Zudem war es dieses Umfeld, in dem Juden und Deutsche auf dem Boden einer gemeinsamen Opposition gegen das Bestehende und mit der Hoffnung auf ein anderes und besseres Leben zusammenlebten und zusammenarbeiteten. Der universitär-akademische Raum eignete sich weniger, da er von der bürgerlichen deutschen Jugend und ihrer Hinwendung zu völkischen Erlösungsideen, die nicht ohne Antisemitismus auskamen, dominiert war.

      Die kulturelle Avantgarde brauchte die soziale Großstadtwelt als Lebensraum und nahm entsprechend das Phänomen Metropole kritisch positiv an. Im Großstadtkontext entstand eine subkulturelle Infrastruktur, die aus Cafés, Kneipen, Ateliers, Galerien und bevorzugten Wohngegenden bestand. Die Annahme der Großstadt als Lebenskontext stellte einen wichtigen Unterschied zur sogenannten deutschen Jugendbewegung dar, in der sich ein bedeutender Teil der bürgerlichen Jugend schon vor dem ersten Weltkrieg gesammelt hatte. Die Jugendbewegung, insbesondere der »Wandervogel«, hatte sich dem einfachen Leben zugewandt und propagierte das Wandern in der Natur. Sie setzte damit und mit der Betonung des Gemeinschaftlichen, die allerdings auch bis zu völkischen Einstellungen reichte, einen Kontrapunkt zur Großstadt, die als negativ und das heißt als monströs, hektisch, zerstörerisch, materiell und multiethnisch erlebt wurde. Sich hiervon abgrenzend schrieb der Berliner Großstadtliterat Kurt Hiller: »Alles, was Zupfgeigenhansel hieß, war für uns restlos komisch. Die Natur war uns nicht gleichgültig, doch wir waren aufs betonteste ›asphalten‹«. (Hiller in Hepp 1992, 140) Betont »asphalten« war auch Fritz Perls, den seine Frau um 1925 als einen »Berlin city boy«kennen lernte, der mit Motorrad und Lederjacke durch die Stadt fuhr und anscheinend lose Kontakte »zu allen möglichen Künstlern, Poeten, Schauspielern, zu Schriftstellern und zum Theater« (L. Perls 1997, 50) hatte:

      »Er hatte keinen Kontakt zur Natur, […] das war für ihn etwas ganz Neues. Ich glaube, er kannte die Natur nur aus den Schützengräben, und draußen zu sein war für ihn etwas ganz Unangenehmes.« (ebd., 50)

      Fritz Perls zog, zusammen mit einigen anderen jungen Ärzten, die Bohèmekreise dem standesgemäßen Umfeld der deutschen Ärzte vor. Er bezeichnete diese in ihrer Mehrheit als verkrampft, und mit ihren »Masken äußerster Respektabilität« (Perls 1981, 78) zählten sie für ihn zur »die Nase-hoch-tragenden-gehobenen-Mittelklasse-Bourgeoisie« (ebd.). Die Außenseiterkultur bot andere Anregungen und Perspektiven.