Jürg Brühlmann

Expertise sichtbar machen (E-Book)


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aber auch deutlich, dass Expertise nicht einfach aufgrund der blossen Verweildauer in einem Beruf entsteht, sondern durch gezielte Lern- und Entwicklungsprozesse. Nicht jede Person mit langer Erfahrung erreicht also in jedem Fall auch Expertise.

      –Theorien und Studien zum Modelllernen zeigen auf, dass es bestimmter Voraussetzungen bedarf, damit von anderen gelernt wird. Dazu gehören beispielsweise die Transparenz von Handlungsabläufen, die Ähnlichkeit von Situationen und die Information über Entscheidungsprozesse, damit diese für Lernende nachvollzogen werden können. Modelllernen geht also weit über das «Abschauen und Nachmachen» hinaus und muss gezielt angeleitet werden. Zugleich bedeutet dies auch: Nicht jede/-r Ausbilder/-in ist ein gutes Modell.

      –Studien zum Lernen in der Praxis weisen nach, dass in Praktika weniger gelernt wird, als man erwartet. Der Lerneffekt von Praktika wird also überschätzt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn man meint, Erfahrungen allein würden schon zum Lernen beitragen. Es zeigt sich jedoch, dass Berufslernende Lernbedarfe und Lernanlässe durchaus nicht immer wahrnehmen, u. a. weil sie die Diskrepanz zwischen ihrem eigenen Handeln und einem professionellen Handeln noch nicht erkennen. Dies macht eine professionelle Begleitung durch Mentoren/Mentorinnen und Coaches so notwendig.

      Nimmt man diese drei Erklärungen zusammen, dann lässt sich schlussfolgern: Auf die Qualität der Ausbildungssituation kommt es an! Und es stellt sich zugleich die Frage, wie eine hohe Qualität erreicht werden kann. Inzwischen finden sich einige, evidenzbasierte Hinweise zur Gestaltung von berufsbezogenen Lernprozessen, etwa durch Konzepte zum Mentoring und Coaching. Der vorliegende Band über den MetaLog reiht sich in diese Arbeiten ein. Zugleich jedoch geht er aber aus folgenden Gründen über die bestehenden Konzepte hinaus, was ihn besonders wertvoll und lesenswert macht:

      Die Ausführungen zum MetaLog …

      –… basieren auf dem Potenzial von Berufsexperten/Expertinnen für die Kompetenzentwicklung von Novizen/Novizinnen. Sie bleiben dabei skeptisch gegenüber einfachen Transferprozessen und sind stattdessen aufmerksam gegenüber den Besonderheiten von Expertise, z. B. dass Wissen und Können nicht immer bewusst sind.

      –… beschreiben nicht nur notwendige Schritte und Kontextbedingungen des Modelllernens, sondern sie berücksichtigen gleichermassen die Perspektive der Lehrenden und der Lernenden in ihrer gemeinsamen Interaktion mit den Zielgruppen.

      –… situieren den Lernprozess nicht nur allgemein in Berufsfeldern, sondern beziehen ihn sehr spezifisch und sehr sensibel auf die Besonderheiten und Herausforderungen in personenbezogenen Berufen und die spezifischen Prozesse des beruflichen Handelns.

      Die neuen Perspektiven, die der MetaLog eröffnet, erachte ich als einen Gewinn für die Ausbildung von Berufslernenden. Die Auseinandersetzung mit den Inhalten des Buchs von Jürg Brühlmann, Denise Moser und Mojca Žekar soll Ausbilder/-innen dazu anregen, ihre Praxisbegleitung zu reflektieren und zu verbessern. Das Buch beinhaltet dazu viele gut begründete und erklärte Anregungen. Es soll dazu anstiften, den MetaLog auszuprobieren, in das eigene Ausbildungshandeln zu integrieren und weiterzuentwickeln. Dies bedeutet auch: Der MetaLog ist nicht als eine «Methode» zur Begleitung von Praxiserfahrungen und Betreuung von Berufslernenden misszuverstehen, sondern als eine professionelle Haltung zur beruflichen Kompetenzentwicklung aller am Lernprozess Beteiligter.

      Bern, 01.09.2019

      Tina Hascher

      Rund ein Drittel der Ausbildung in den Sozial-, Gesundheits-, Betreuungs- und Bildungsberufen findet in der Praxis statt. Die dort erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen sind wesentlich für die professionelle Entwicklung angehender Berufspersonen.

      Ausbildung in Praxissituationen

      Das Ausbilden in Anwesenheit von Klientinnen und Klienten ist anspruchsvoll. Die Beziehungsgestaltung zu ihnen hat auch in der Ausbildungssituation oberste Priorität.

      Das bedingt, dass Ausbildungspersonen konsequent mit ihren Klienten in der beruflichen Interaktion bleiben.

      Die Studierenden lernen mit Klientinnen und Klienten in situativem Kontext mit je eigenen Problemstellungen. Die Begleitung der Lernenden wird meist in privilegierten Eins-zu-eins-Situationen organisiert. Dieses Potenzial soll bestmöglich ausgeschöpft werden.

      Die Methode Modeling mit MetaLog

      Modeling mit MetaLog ist ein über Jahre experimentell weiterentwickelter Lösungsansatz für das Lernen in der Arbeitssituation. Die Methode ermöglicht den Ausbildenden, mit Klientinnen und Klienten in Beziehung zu bleiben und gleichzeitig den Lernenden relevante Informationen zu Beziehungsgestaltung, Vorgehensweisen, angewandten Konzepten oder Arbeitstechniken transparent und zugänglich zu machen.

      Berufliches Handeln kann so von den Studierenden bereits in der Situation reflektiert, mit Professionswissen verknüpft und später in eigenen Umsetzungen situativ elaboriert werden. Dadurch wird eine hohe Ausbildungsqualität möglich, die zugleich zeit- und kostensparend ist.

      Adressaten dieses Buches

      Diese Publikation richtet sich an ausbildende Fachpersonen, an Verantwortliche für Praxisausbildung, innerbetriebliche Bildung oder für berufspraktische Studien in personenbezogenen Berufen sowie an Dozierende an Fach-, Berufs- und Hochschulen aus den Bereichen Bildung, Gesundheit, Medizin, Therapie, Sozialarbeit und Betreuung.

      Modeling mit MetaLog kann als Methode auch generell von Fachpersonen für eine transparente Prozessgestaltung in der beruflichen Arbeit genutzt werden.

      Zum Inhalt des Buches

      Wie können Ausbildende ihr Berufswissen in der Situation vermitteln, ohne dass die Klienten zu Ausbildungsobjekten werden? Wie sind Lernende positioniert, damit die Arbeitssituation nicht beeinträchtigt wird? Wie lässt sich die Methode Modeling mit MetaLog in bestehende Ausbildungskonzepte und Theorien integrieren? Diese Fragen und die Thematik der Praxisausbildung in personenbezogenen Berufen werden im Buch detailliert diskutiert.

      Illustrierende Skizzen, kurze Zitate von Praktikern aus ersten Erfahrungen mit der Methode sowie vertiefende Beiträge von Dieter Rüttimann, Sophia Bräkling, Christoph Habegger und Katrin Aklin bereichern das Buch mit zusätzlichen Aspekten.

      Audio- und Videoclips zur Illustration

      Eine wichtige Ergänzung zum Buch sind kurze Audio- und Videoclips, die unter www.modelingmitmetalog.org zugänglich sind.

      Einige Videofilme wurden in realen Berufssituationen aufgenommen, andere in simulierten Settings gedreht. Sie zeigen realitätsnah und exemplarisch bestimmte Aspekte der Anwendung und Umsetzung von Modeling mit MetaLog in der Praxis. Da in den Clips jeweils mehrere Aspekte der Methode aufgezeigt sind, wird an verschiedenen Textstellen im Buch auf die gleichen Mediendateien verwiesen.

      Eine Übersicht aller Video- und Audioclips findet sich in einer Tabelle am Ende des Buches.

      Das audiovisuelle Material auf der Webseite darf ausschliesslich zu Ausbildungszwecken genutzt werden.

      Dank

      Dass wir die Methode Modeling mit MetaLog in ausgereifter Form präsentieren können, verdanken wir primär mehreren Tausend Teilnehmenden aus den Berufen im Gesundheits-, Sozial- und Bildungswesen. Sie haben in Kursen, an Kongressen und innerbetrieblichen Veranstaltungen sowie in diversen Kliniken im deutschsprachigen Raum mit ihren kritischen Fragen, Erfahrungen und genauen Selbstbeobachtungen in Inszenierungen dazu beigetragen, dass die Methode experimentell weiterentwickelt werden konnte. Im Teamteaching haben Renate Ausserbrunner, Santino Güntert, Elmar Tratter und weitere Kolleginnen und Kollegen zusammen mit Jürg Brühlmann explorierend Lösungen gesucht und gefunden.

      Möglich wurde die erfolgreiche Realisierung der vorliegenden Publikation mit den audiovisuellen Medien dank spontanen Zusagen von vielen angefragten Personen und Institutionen. Tina Hascher hat mit ihrem Vorwort den Teppich ausgelegt. Weitere im Verzeichnis der Mitwirkenden aufgeführte Personen haben Fachbeiträge und Statements mit ihren bisherigen Erfahrungen zur Methode