Lage, ihren Klienten situativ und ungeplant den fachlichen Hintergrund zu erläutern. Sie können zum Beispiel sagen: «Ich mache das so, weil …, meine Kolleginnen machen das wahrscheinlich anders.»
«Zwei Dinge faszinieren mich am Modeling mit MetaLog: Erstens, dass ich mein professionelles Handeln mit lautem Denken begleiten kann und zweitens, dass ich mit der betroffenen Person sprechen kann für die Ohren der Praktikantin. Das finde ich phänomenal, so viele Fliegen auf einen Klatsch!»
Renate Ausserbrunner,
Supervisorin und Organisationsberaterin
In der Situation denken und handeln
D. A. Schön hat das Potenzial der reflection in action bereits früh erkannt. Insbesondere wenn es zu Freude, Überraschungen oder auch ungewollten Ergebnissen kommt, sieht er Chancen für das Bewusstmachen des handlungsleitenden beruflichen Wissens (knowing in action).17 Es sei zwar nicht möglich, alles in einer Arbeitssituation steckende Know-how aufzuzeigen. Aber «sometimes while doing it» gelinge es durchaus, einen Teil der handlungsleitenden Wissensbestände zu benennen: «What features did I notice, when I recognize this thing? What procedures am I enacting, when I perfom this skill?».
«Im Rahmen der Workshops zur Methode Modeling mit MetaLog habe ich nun mehrfach von den Teilnehmenden folgenden Ausspruch gehört: ‹Ich neige auch schon als Therapeutin dazu, den Klientinnen und Klienten viele Details der Behandlung zu erklären. Ich denke, wenn ich das noch etwas bewusster einsetze, dann wird mir das Sprechen eines MetaLogs bald gut gelingen.›»
Sophia Bräkling,
Berufspädagogin Pflege und Therapie
Menschen können also nicht nur über etwas Bevorstehendes oder Erlebtes nachdenken, «think about doing», sondern auch in der Situation selbst reflektieren, «think about doing something while doing it».18
Im Gegensatz zur reflection on action vor und nach der beruflichen Situation ist diese von D. A. Schön und auch D. Wahl erläuterte reflection in action bisher methodisch nicht weiter umgesetzt und genutzt worden.
Nachdenken und Sprechen über das berufliche Handeln während des Arbeitsprozesses macht unsichtbares, implizites berufliches Know-how explizit.
In personenorientierten Berufen stehen in der Phase der Performanz im Wesentlichen drei Gestaltungsmittel zur Verfügung. Für den beruflichen Erfolg ist die Qualität der Anwendung dieser Instrumentarien hoch relevant. In Praxisphasen können Studierende die Gestaltungsmittel in konkreten beruflichen Situationen kennen lernen und deren Nutzung als Teil ihrer professionellen Kompetenz für ihr zukünftiges berufliches Repertoire weiterentwickeln.
Sprache
Die Auswahl und Strukturierung von Inhalten, die situative Passung und wertschätzende Art der Formulierungen sowie die Modulation der Stimme prägen die verbale und averbale Kommunikation in Gesprächen oder Inputs, die Stimmung, die Beziehung und das Verständnis einer Sache.
Körper
Die Wahrnehmung, Positionierung, Bewegung und Ausrichtung des eigenen Körpers im Raum sowie spezifische Handlungen, Hilfestellungen, Handlings und Berührungen und die nonverbale Kommunikation über Mimik und Gestik sind wesentliche Elemente für die Gestaltung von Berufssituationen.
Szenik
Elemente der Inszenierung wie die Gestaltung von Zeit und Raum oder die Nutzung von Material und Infrastruktur prägen die Atmosphäre und formen die Situation. Gesteuert wird der Einsatz dieser Inszenierungselemente unter anderem durch Einstellungen und Werthaltungen, Motive und Ziele, Routinen, Regeln und Standards, situative Begebenheiten, Beobachtungen, Wahrnehmungen, Einschätzungen, Erfahrungen und Expertisen sowie Emotionen.
Abbildung 4: Methodische Einsatzformen von Sprache, Körper und Szenik in der Situation mit Klienten
Sprache, Körper und Szenik sind bestimmende Gestaltungsmittel in personenbezogenen Berufen.
Theoriebezüge zum Lernen in der Praxis
Modelllernen im Praktikum
Die Geste des Zeigens steht am Ursprung der menschlichen Kommunikation.19 Das Vorzeigen und Nachmachen gilt als Urform der Kulturvermittlung20, fristet aber besonders in personenbezogenen Berufen konzeptionell eher ein Schattendasein. Petersen und Oser (2013) haben diese naheliegende Ausbildungsmöglichkeit für Berufssituationen − allerdings ohne Anwesenheit von Klienten − mit wichtigen didaktischen Hinweisen ausführlich dargelegt. Ein der Handlung unterlegter Kommentar führt zur situativen Lenkung der Aufmerksamkeit und unterstützt die Aufnahme, Fokussierung, Reflexion und Abspeicherung von erfahrenen Ereignissen.21 Colins et al. betonen das Erleben und Reflektieren variationsreicher Situationen, was die Vergleichsmöglichkeiten sowie den Transfer auf weitere situative Kontexte erleichtert.22 Riesen (1995) spricht von der «Demonstration der Prozesse, welche dem sichtbaren Lern- und Problemlöseverhalten zu Grunde liegen». In Modeling mit MetaLog können diese Chancen realisiert werden.
Reflection in action
In ihren Veröffentlichungen zum Cognitive Apprenticeship kritisierten auch schon Collins et al. die geringe Verknüpfung von im schulischen Kontext erworbenem Wissen mit dem beruflichen Handeln. Sie folgern daraus, dass dieses Wissen nicht zur Problemlösung genutzt werde und somit für den späteren Anwendungskontext nutzlos bleibe.23 Es fehle an der Vermittlung von Problemlösestrategien, wie sie etwa erfahrene Personen zur Bewältigung komplexer realer Probleme heranziehen.24 Genauso blieb die Methodik des Modelllernens auch in den Pflegeberufen beim unbefriedigenden learning by looking, beim Stehlen mit den Augen, Nebenherlaufen und Simulationssituationen stehen.25 So geht das Beobachten des Modells nahtlos über ins angeleitete Arbeiten. Auch der von D. A. Schön ausgelegte Pfad der «reflection in action» oder Diethelm Wahls « Entschleunigung» wurden methodisch nicht konsequent weiterverfolgt und -entwickelt. Hochschulen haben in den letzten Jahren mit Begleitformaten den Ansatz der reflection on action ausgebaut und nutzen Praktika verstärkt als Forschungs- oder Reflexionspraktika, aber nicht für das direkte Lernen,26 indem Ausbilderinnen ihr angewendetes implizites Wissen (tacit knowledge) möglichst offenlegen und so als handlungsleitendes Wissen in der Situation (knowing in action) über das laute Denken (reflection in action27, clinical reasoning28) bewusst machen.
Es geht darum, die Studierenden nicht in ein Meister-Lehrlings-Verhältnis, welches sie zu Adjutanten macht,29 einzubinden, sondern ihnen Einsicht in die Verbindung von Wissen und Handeln30 zu geben und berufsrelevante Praktiken im Sinne von core practices31 transparent zu gestalten. Studierende können so Denk- und Entscheidungsprozesse sowie domänenspezifische Zusammenhänge, welche beruflichen Handlungen zu Grunde liegen,32 bereits in der Situation kennenlernen, reflektieren und adaptieren.33
Bewusste Handlungssteuerung
Konstruktivistische Theorien gehen davon aus, dass Lernen ein aktiver, selbstgesteuerter und gleichzeitig kooperativer, sozialer und kultureller Prozess des Wissensaufbaus ist.34 Bestehende Wissensbausteine werden dabei mit neuen Wissenselementen verknüpft. Neurologische Forschungen zeigen, dass Lerneffekte über die Gleichzeitigkeit von durch alle Sinne wahrnehmbaren Situationen verstärkt werden.35 Indem die modellierende Fachperson mit dem MetaLog arbeitet, können Lernende mit der Kombination von Modelllernen36 und Erklärungen zunehmend mögliche Strategien in ihr eigenes Denken und Handeln integrieren.37 Wie D. Wahl ausführlich beschreibt, kann mit Techniken zur Entschleunigung Zeit gewonnen werden, um das berufliche Handeln auch unter Druck zu reflektieren.38 Der MetaLog als Sprechen nach aussen unterstützt genauso wie das von Wahl empfohlene «Sprechen nach innen» die Reflexion während dem Tun. Es wird Raum geschaffen, in dem handlungssteuernde Strukturen, evidenzbasierte Erfahrungen und subjektive Theorien besser wahrgenommen und, wie Wahl sagt, Prozesse entautomatisiert werden können.