Jürg Brühlmann

Expertise sichtbar machen (E-Book)


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diese Aspekte in seinem Verhalten, um Konflikte oder Eskalationen möglichst zu vermeiden, lotet die eigene Belastungsgrenze aus und ist in der Lage, die kurzfristigen Stressreaktionen der typischen Belastungen im Polizeiberuf bei sich und anderen mittels zweckmässiger Strategien stressreduzierend anzugehen, erkennt und analysiert Konflikte oder konfliktträchtige Situationen und geht bei konfliktbeladenen Konstellationen deeskalierend vor, (…) geht auf Menschen in verschiedensten Situationen und kulturellen Hintergründen mit der nötigen Empathie ein.» Rahmenlehrplan für Polizist/Polizistin.

      Neuchâtel: Paritätische Kommission 2014

      Komplexität im Berufsalltag

      Die Beispiele zeigen, dass in personenbezogenen Berufen eine hohe situative Flexibilität gefragt ist. Die Komplexität im Berufsalltag zeigt sich in folgenden Merkmalen.4

      –Multidimensionalität

      Neben dem direkten Klientenkontakt müssen immer auch das soziale Umfeld, ökonomische Bedingungen, Lebensumstände, Biografie, persönliche Ressourcen und Werthaltungen mitberücksichtigt werden.

      –Gleichzeitigkeit

      In der Arbeitssituation muss oft auf gleichzeitig stattfindende Ereignisse und Bedürfnisse eingegangen werden.

      –Unaufschiebbarkeit

      Reaktionen auf Geschehnisse müssen meist unmittelbar erfolgen und können zeitlich nicht aufgeschoben und extemporalisiert werden.

      –Kontext- und Situationsorientierung

      Interventionen berücksichtigen das aktuelle Geschehen im Umfeld und die persönliche Situation der Beteiligten.

      –Unvorhersehbarkeit

      Situativ eintretende Ereignisse mit Klientinnen und Klienten sind meist nicht planbar und oft überraschend.

      –Relevanz für die Zukunft

      Berufliches Handeln hat in Situationen mit kurzen Reaktionszeiten oftmals Auswirkungen auf die weitere Zusammenarbeit und Entwicklung.

      Aus den Anforderungen der Berufsbilder und den für personenbezogene Berufe typischen Merkmalen wird deutlich, dass core practices5 und somit wesentliche Teile der beruflichen Handlungskompetenzen vor allem in konkreten Praxissituationen erlernt werden können. Dafür sind Ausbildungsmethoden nötig, welche auf wesentliche Berufssituationen fokussieren und die Studierenden reflektierend teilnehmen lassen.

      Der erfolgreiche Umgang mit veränderlichen Kontextbedingungen und der Bezug zu den Klientinnen und Klienten erhöhen die Qualität der beruflichen Tätigkeit.

      Berufliche Kompetenz ist zuerst einmal ein Potenzial und zeigt sich erst in der Umsetzung. Kompetentes berufliches Handeln setzt bei der Fachperson ausreichend Wissen, Können und Wollen voraus.6 Kompetenzen sind somit persönliche, im Team sowie auch im Umfeld verfügbare Ressourcen, Wissenskonstrukte, Fertigkeiten und Fähigkeiten, um bestimmte Herausforderungen performativ zu lösen. Dieser Pool an Handlungsmöglichkeiten muss in personenbezogenen Berufen in sich immer wieder verändernden Situationen adaptiv genutzt werden. Erst in der jeweiligen beruflichen Handlung und Situation wird ein Teil der verfügbaren beruflichen Kompetenz einer Fachperson oder eines Teams als Performanz und Handlungskompetenz beobachtbar und erkennbar.7

      Welche Überlegungen die Handlungen leiten, ist in der Performanz nicht immer offenkundig. Erst Einblicke in die Vorbereitungen und Planungen, das nachträgliche Reflektieren sowie das Kommentieren einer beruflichen Situation im Moment machen die der Performanz zu Grunde liegenden situationsspezifisch angewendeten Kompetenzen nachvollziehbar.

       Abbildung 1: Performanz als situativ realisierte berufliche Kompetenz

      Performanz ist ein situativ realisiertes Ergebnis. Performative Ereignisse wirken immer auch zurück auf die Organisation, die Ressourcenbereitstellung, das Wissen, das Kompetenzenreservoir und den Habitus eines Teams oder einzelner Fachpersonen.

      Ausbildung eines beruflichen Habitus

      Aufbauend auf dem individuellen und gemeinsamen Ressourcenpool von Fachpersonen, von Teams sowie Organisationen und weiter angereichert durch erworbenes Wissen und reflektierte Erfahrungen aus immer wieder neuen Berufssituationen, bildet sich der spezifische Habitus von Fachpersonen und Berufsgruppen.8 Der Habitus zeigt sich in einer von aussen identifizierbaren Art, wie die berufliche Rolle verstanden, ausgefüllt und realisiert wird. Für Lernende sind Teilnahme und Beobachtung im beruflichen Kontext sowie Reflexionsmöglichkeiten mit Berufsangehörigen für die eigene berufliche Identitätsentwicklung wesentlich.

      Der Einblick in die handlungsleitenden Überlegungen während dem performativen beruflichen Akt ermöglicht den Lernenden Zugänge zu einem Teil der für sie beim Beobachten sonst unsichtbar bleibenden beruflichen Kompetenzen.

      Situativ angewendetes berufliches Wissen und berufliche Erfahrung bleiben Berufsgeheimnisse, wenn dieses Know-how für Lernende verborgen bleibt. Damit Klientinnen und Klienten nicht zum Objekt von Erklärungen werden, geschieht dies bisher meist vor und nach der gemeinsam erlebten Situation in analysierenden und planenden Vorbereitungen sowie in reflexiven Auswertungsgesprächen im Sinne der reflection on action.9 Mit der Methode Modeling mit MetaLog steht eine neue Möglichkeit zur Verfügung, um mit reflection in action bereits während der beruflichen Tätigkeit in Anwesenheit von Klienten die Transparenz des beruflichen Tuns zu erhöhen.

      Berufsgeheimnisse in der Arbeitssituation

      In der konkreten Situation sind oftmals kleine, aber wesentliche Details für das Gelingen entscheidend. Bereits in zeitlich kurzen und scheinbar unspektakulären Situationen wird enorm viel berufliches Know-how angewendet, das weit über die im Voraus planbaren Aktionen hinausgeht. Oft geschieht eine konkrete Intervention routiniert und ritualisiert, teilweise aber auch unbewusst. Bekannt sind diese Formen von eingesetztem Wissen in Routinesituationen als knowing in action, embodied knowledge und tacit knowledge.10 Was, wie, wozu und wann jeweils welche beruflichen Tätigkeiten ausgeführt werden, bleibt den Beobachtenden einer beruflichen Situation verborgen, auch dann, wenn es den Akteuren selbst bewusst ist. Die situativen Gelingensbedingungen sind aber entscheidend für den Erfolg, auch wenn sie nicht Anspruch auf allgemeine Gültigkeit haben.

      «Praxisausbildende in Sozialer Arbeit erhalten mit der Methode Modeling mit MetaLog ein Werkzeug, das ihnen Orientierung und Klarheit gibt, wie sie in beruflichen Situationen die Anleitung von Auszubildenden aktiv gestalten können.»

      Santino Güntert,

      Dozent Soziale Arbeit

      Wenn Lernende Berufssituationen ohne Ausführungen, Erklärungen und Begründungen beobachten, eröffnet sich ihnen ein grosser Interpretationsspielraum mit möglichen Missverständnissen. Für Studierende ist es bedeutsam zu wissen, aus welchen Gründen welche im Voraus überlegten oder situativ in einer bestimmten Situation getroffenen Entscheidungen umgesetzt werden und welche Faktoren die Chancen für eine möglichst gut gelingende berufliche Herausforderung erhöhen.

      «Das Potenzial von Modeling mit MetaLog liegt für mich in der Verbindung verschiedener Reflexions- und Handlungsebenen.»

      Klaus Müller,

      Dozent Gesundheit und Soziale Arbeit

       Abbildung 2: Offengelegte Berufsgeheimnisse sind der Schlüssel für berufliches Lernen (Werbung Appenzeller Käse, zvg Contexta AG)

      Analysieren von beruflichen Situationen

      Berufliche Situationen mit Klienten laufen meist in drei