Ob man unseren Beitrag einer „Richtung“ zuordnen kann, sei dahingestellt und ist uns nicht wichtig. Sicherlich verstehen wir uns als Teil der Strömung humanistischer Psychologie und teilen die meisten von deren Grundannahmen. KollegInnen, die mit uns zusammenarbeiten, bezeichneten die Musiktherapie, die wir vertreten, gelegentlich als „leiborientierte Musiktherapie“, was wir gerne aufgegriffen haben, und verweisen damit v. a. auf unsere leibphilosophischen Quellen. Und sicherlich „atmen“ die vorgestellten Methoden und Praxisbeispiele unsere leibtherapeutischen Grundlagen. Es ist uns ein besonderes Anliegen, die Möglichkeiten des leibphänomenologischen Ansatzes für die Therapie fruchtbar zu machen, auch für die Musiktherapie. Und gleichzeitig gilt, dass alle MusiktherapeutInnen, ganz gleich aus welcher „Richtung“ oder „Schule“ sie stammen, die hier vorgestellten Anregungen nutzen können. Zumindest wünschen wir uns das.
Wer noch mehr Zuordnungen sucht: Nimmt man die gängige Unterscheidung zwischen „rezeptiver Musiktherapie“ und „aktiver Musiktherapie“, so ließe sich aus vielen hier vorgestellten Praxisansätzen ein dritter Schwerpunkt, der der „themenzentrierten Musiktherapie“, benennen (s. u. a. Kap. 15). Doch wie dem auch sei: Etiketten erleichtern zwar das Zuordnen und die Orientierung, entscheidend aber ist der Nutzen, den man im Gebrauch des Inhalts gewinnen kann. Diesen Nutzen wünschen wir Ihnen und den Menschen, mit denen Sie arbeiten.
Wir danken Martin Lenz, der die ersten musiktherapeutischen Fortbildungsgruppen innerhalb der Zukunftswerkstatt therapie kreativ geleitet hat und dessen Leidenschaft für die musikalische Improvisation uns Mut gemacht und angestiftet hat. Wir danken Monika Vogel dafür, dass sie in ihrer Lehrtätigkeit auch einen Teil der Pioniertätigkeit geleistet hat, Musiktherapie mit leiborientierter Kunst- und Gestaltungstherapie zusammenzuführen.
Wie so oft hat Susanne Wolters schnell, zuverlässig und engagiert den Hauptteil der Schreibarbeiten übernommen und haben Cosima und Klaus Schneider die Umschlagsgestaltung und Antje Händel aufbauend auf Sabine Bremers Arbeiten zur ersten Auflage kreativ und zügig sowohl die Gestaltung als auch die Produktion des Buches übernommen. Wir danken sehr. Dies gilt auch für Lore Remkes engagierte Lektoratsarbeit.
Viele Kapitel dieses Buches sind in ihrer Rohfassung als Arbeitsmaterialien für die späteren, von uns geleiteten musiktherapeutischen Ausbildungsgruppen entstanden. Wir danken den TeilnehmerInnen der Fortbildungen, den KollegInnen in der Fortbildungsleitung und aus der „Arbeitsgruppe Musiktherapie“ Waltraut Barnowski-Geiser, Eva-Maria Brettschneider und Ralf Hollnack und den MusiktherapeutInnen Marlis Marchand und Lutz Debus sowie – last not least – Martin Lenz für ihre engagierten und kompetenten Rückmeldungen und Anregungen. Herzlichen Dank auch an Prof. Dr. Hans-Helmut Decker-Voigt für die Ermutigung, dieses Buch zu veröffentlichen, und für seine Bereitschaft, trotz seiner zahlreichen Verpflichtungen ein Vorwort zu verfassen, aus dem ein Essay geworden ist, mit dem er dieses Buch würdigt und in die Musiktherapieentwicklung einordnet. Auch für die zahlreichen Anregungen aus seinen Veröffentlichungen bedanken wir uns bei ihm sowie bei den anderen in diesem Buch zitierten (Musik-)TherapeutInnen. Wir danken allen KlientInnen, bei denen wir, wie Jeffrey Eugenides es in einem Roman ausgedrückt hat, Zeugen werden durften, „wie ein Ich das Ich entdeckte, das es sein konnte“ (Eugenides 2003, S. 472).
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Wer bin ich? – Musiktherapeutische Wege der Selbstwahrnehmung und Selbstwertschätzung
Wer bin ich? – Die Beschäftigung mit dieser Frage zieht sich wie ein roter Faden durch viele therapeutische Prozesse. KlientInnen sind verunsichert in ihrer Selbstwahrnehmung, manches in ihnen und an ihnen erleben sie als fremd, brüchig oder unzusammenhängend. Sie wünschen sich Rückmeldungen, Spiegelungen von uns TherapeutInnen und sie wünschen sich Wege, zu einer stimmigeren und sicheren Selbsteinschätzung zu finden.
Damit verbunden ist die Frage der Selbstwertschätzung. Wer sich nicht selber klar genug wahrnimmt, sich nicht auch den unangenehmen, ungeliebten Seiten wahrhaftig stellt, wird auch unklar in dem sein, was er an sich selbst wertschätzt. Die Selbstwertschätzung vieler KlientInnen wurde durch Beschämungen, Missachtungen und Gewalt erniedrigt oder von Verboten und Tabus überlagert. Wer sich in der Therapie mit sich selbst beschäftigt, landet unweigerlich auch bei der Frage, wie wertvoll er sich selbst einschätzt. Wir werden einige Methoden darstellen, mit denen wir auf musiktherapeutischen Wegen KlientInnen darin unterstützen, sich selber besser kennen zu lernen und zu versuchen, das, was in ihnen kostbar und schätzenswert ist, zu entdecken und mit Zuneigung ernst zu nehmen.
1.1 Das klingende Namensbild
Namen sind wichtig. Namen sind Teil unserer Identität. Mit unserem Namen ist unser Selbstbild verknüpft. In unserem Namen steckt unsere Geschichte. Mit unserem Namen werden wir von anderen Menschen identifiziert. Es liegt also nahe, den Namen zum Klingen zu bringen. Wir wollen ihn, bevor es ans Musizieren geht, zum Ausgangspunkt eines Selbstbildes machen, also ein Namensbild gestalten.
„Aber mit welchem Namen beginne ich?“, fragen sich viele KlientInnen. „Ist es mein Vorname oder mein Nachname? Nehme ich den Namen meiner Eltern oder lehne ich diesen ab? Ist es der Name, der Doppelname oder der Name meines Partners oder meiner Partnerin, den ich in der Ehe angenommen habe?“ Und dann fallen ihnen Schimpfnamen ein, Kosenamen oder Spitznamen. Jeder Name hat eine Geschichte und eine Bedeutung. Zu jedem Namen werden Geschichten assoziiert, angenehme und unangenehme, liebevolle und beschämende. Den Namen zu präsentieren, bedeutet, sich zu präsentieren, sich vorzustellen. „Ich heiße“, meint immer auch: „Ich bin“.
Zur Erstellung des Namensbildes geben wir folgende Anregungen:
„Wählen Sie einen Namen aus. Sie haben zwar einen offiziellen Namen, aber Sie haben sicher noch viele Namen darüber hinaus. Sie können Ihren Vornamen nehmen oder Ihren Nachnamen, Ihren Geburtsnamen oder Ihren Spitznamen oder einen Kosenamen, vielleicht sogar ihren Wunschnamen. Wählen Sie den Namen aus, der Ihnen jetzt am ehesten in den Sinn kommt, der Ihnen jetzt wichtig ist und Sie vielleicht auch neugierig macht.“
„Nehmen Sie einen Stift, Ölkreide oder Pastellkreide in der Farbe Ihrer Wahl in die Hand und ein großes Blatt Papier und schreiben oder malen Sie Ihren Namen auf das Blatt.“
„Betrachten Sie nun Ihren Namen und malen Sie das Bild weiter, lassen Sie aus Ihrem Namen ein Namensbild entstehen. Vielleicht braucht Ihr Name eine Umgebung, vielleicht regen der Schriftzug oder einzelne Buchstaben zur Gestaltung von Figuren, Landschaften, Personen, Fabelwesen usw. an. Lassen Sie Ihrer Fantasie freien Lauf.“
Nun soll dieses Namensbild zum Klingen gebracht werden:
„Befestigen Sie Ihr Bild an der Wand oder legen Sie es irgendwo auf den Boden, wo Sie es gut betrachten können. Schauen Sie es sich an, lassen Sie es auf sich wirken. Nehmen Sie wahr, welche Empfindungen, Gedanken und Gefühle es auslöst, und dann holen Sie sich ein Instrument – Sie können auch Ihre Stimme benutzen – und behandeln Sie Ihr Namensbild wie eine Partitur. Lassen Sie Ihr Namensbild erklingen …“
Je nach Namensbild, je nach den Empfindungen beim Betrachten, je nachdem, was die Beschäftigung mit dem Namen, dem Malen und dem Sinnieren darüber ausgelöst hat, entstehen Klänge unterschiedlicher Art und Weise. Manche finden nach einigem Experimentieren und Suchen ein Namens-„Thema“, so, wie es bei Wagner das „Tristan-Thema“ oder das „Isolde-Thema“ gibt. Andere spielen eher Gefühle oder Stimmungen, die die Beschäftigung mit dem Namen hervorgerufen hat. Wieder andere sind angetan von dem, was sie an Neuem oder Vielfältigem in sich und auf dem Bild entdecken, und improvisieren, indem sie Töne, Klänge, Melodien, Rhythmen erklingen lassen.
Danach gilt es, den KlientInnen eine Möglichkeit zu verschaffen, Echos auf ihr klingendes Namensbild zu erhalten. In der Einzeltherapie geben der Therapeut oder die Therapeutin die Rückmeldung, in der Gruppe zusätzlich andere TeilnehmerInnen. Die KlientInnen spielen die Klänge ihres Namens anderen vor, zeigen vielleicht auch noch ihr Bild, erzählen