handlungsfähig und damit selbstständig sein zu können, und (c) als Sozialkompetenz, d.h. die Fähigkeit, für sozial, gesellschaftlich und politisch relevante Sach- und Sozialbereiche urteils- und handlungsfähig und also ebenfalls zuständig sein zu können» (Roth 1971, 180; zusammenfassend: Klieme u. Hartig 2007, 19–20; vgl. auch Reusser 2014a).
In die Diskussion des Kompetenzbegriffs bezieht Reichenbach (2008, 44) den Soziologen Basil Bernstein (1924–2000) ein, dessen Unterscheidung zwischen restringiertem und elaboriertem Sprachcode und damit schichtspezifisch unterschiedlichen Sprachkompetenzen in der Linguistik breit rezipiert wurde. Zudem verweist er auf den Linguisten Dell Hymes (1927–2009), der für die Soziolinguistik den Begriff der kommunikativen Kompetenz prägte. Ebenso macht er auf Piagets Ausführungen zur kognitiven Kompetenz (die auch in Chomskys Sprachtheorie von zentraler Bedeutung ist) und auf Lévi-Strauss’ kulturelle Kompetenz in der Ethologie aufmerksam. Der damaligen Diskussion von Kompetenz gemeinsam war das «anti-behavioristische […] Selbstverständnis […]: Welt wird hier in Interaktion mit der Umwelt konstruiert, als Leistung individueller und sozialer Aktivität» (ebd.).
Nach der langen Zeit des amerikanischen Behaviorismus waren Piaget, Frederic Ch. Bartlett (1886–1969), Aebli, Chomsky sowie Jerôme Bruner (*1915), Ulric Neisser (1928–2012) und Weitere die Wegbereiter und Gestalter der «kognitiven Wende» Ende der 1960er-Jahre. In der Folge entwickelte sich in den nächsten dreissig Jahren das heutige kognitiv-(sozial-)konstruktivistische, adaptive Lehr- und Lernverständnis (z.B. Reusser 2006; Hasselhorn u. Gold 2013; Woolfolk 2014), welches dem kompetenzorientierten Unterricht zugrunde liegt.
Mit Kompetenz verbindet sich Zuständigkeit, Fähigkeit und Bereitschaft. Sie ist vorhanden, wenn sich diese drei Aspekte «in Deckung befinden» (Klieme u. Hartig 2007, 12; vgl. auch Duden Fremdwörterbuch). «Kompetenz im Sinne einer Zuständigkeit bzw. Befugnis verweist auf die Verwendung in einem vor allem juristischen Kontext. Kompetenz verstanden als Fähigkeit bestimmt dagegen u.a. das linguistische, psychologische und erziehungswissenschaftliche Begriffsverständnis» (Bach 2013, 16). Mit «Fähigkeit» werden in den heutigen Sozialwissenschaften psychische Dispositionen bezeichnet, die Handeln ermöglichen. «Bereitschaft» bezieht sich auf die kontext- und situationsgebundene Verwendung der «Fähigkeit» im Zusammengehen mit Motivation und Volition (Wollen). Hinzu kommt oftmals eine «normative Komponente», bei der es um die Frage geht, «wer warum welche Dispositionen erwerben und nutzen soll bzw. darf» (Klieme u. Hartig 2007, 13).
Kompetenz bezieht sich aus der Sicht nach PISA «sowohl auf Handlungsvollzüge als auch auf die ihnen zugrunde liegenden mentalen Prozesse und Kapazitäten, zu denen Kognition, Motivation und Volition bzw. Wissen und Können gehören» (Klieme u. Hartig 2007, 13). Sie umfasst netzartig zusammenwirkende Facetten wie Wissen, Fähigkeit, Verstehen, Können, Handeln, Erfahrung und Motivation (Klieme et al. 2003, 72–73). Als Disposition befähigt Kompetenz eine Person, konkrete Anforderungssituationen zu bewältigen – beispielsweise Deutschunterricht zu planen, durchzuführen und bei den Schülerinnen und Schülern hinsichtlich des angestrebten Zuwachses an Wissen und Können zu beurteilen. Sie zeigt sich in der Performanz einer Lehrperson, nach heutigem kognitiv-(sozial-)konstruktivistischem, kompetenzorientiertem Verständnis (zusammenfassend z.B.: Lersch u. Schreder 2013) zu unterrichten. Als adaptive Lehrkompetenz bildet sie die Voraussetzung, um den Unterricht – der Heterogenität der Schülerinnen und Schüler Rechnung tragend – zu gestalten (Beck et al. 2008; Rogalla und Vogt 2008; Brühwiler 2014). Sie schliesst die (fach-)didaktische Strukturierung des Unterrichts ein, mit der die heterogene Schülerschaft der Klasse möglichst passend kognitiv aktiviert wird. Gemäss den Bildungsstandards in Deutschland und dem Lehrplan 21 in der Schweiz soll Unterricht den Erwerb von mindestens grundlegenden Kompetenzen im betreffenden Schulfach durch alle Schülerinnen und Schüler ermöglichen.
Für Weinert (2001, 27), dessen weitverbreitete Definition auch dem Lehrplan 21 zugrunde liegt, umfasst Kompetenz
«die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können».
Kompetenzen sind weder angeboren, noch beruhen sie auf Reifungsprozessen, sondern sind das Ergebnis intelligenter Wissenskonstruktion (Ziegler, Stern u. Neubauer 2012, 17–20). White (1959, 297, zit. in Bach 2013, 16) bezeichnet Kompetenz als «an organism’s capacity to interact effectively with its environment». Nach ihm – und wie dargestellt auch mit Deci und Ryan (1985) – hat das Individuum ein intrinsisch motiviertes Bedürfnis nach Kompetenz, um Einfluss auf die eigene Umwelt zu nehmen und ihre Anforderungen effektiv zu bewältigen. Kompetenz ist keine generelle Fähigkeit, womit sie sich unterscheidet von Intelligenz als einer allgemeinen kognitiven Fähigkeit. Sie ist auf spezifische Inhalte, Kontexte und Situationen bezogen und schlägt sich nieder in konkretem Handeln (Maag Merki 2009). Neuere Publikationen (z.B. Paechter et al. 2012) thematisieren Kompetenz im fachdidaktischen Zusammenhang mit Schulfächern (Domänen). So etwa gehen Gailberger und Wietzke (2013) mit verschiedenen Beiträgen auf die Kompetenzorientierung im Deutschunterricht ein.
5 Kompetenzorientierung im Lehrplan 21
Die Orientierung an Kompetenzen im Lehrplan 21 scheint nach Oelkers (2014) ähnlich wie bei Terhart (2007) zunächst nichts Neues zu sein. «Lehrpläne haben schon immer Fähigkeiten und Fertigkeiten mit Wissen und Können verknüpft und dabei Bereitschaften und Haltungen zum Lernen abverlangt, ohne auf den Begriff ‹Kompetenz› angewiesen zu sein» (Oelkers 2014, 5). Als Innovation sieht Oelkers jedoch den Gedanken von Weinert, dass Kompetenzen durch Lernen erweiter- und veränderbar sind. Der Lehrplan 21 berücksichtigt diese Veränderbarkeit von Kompetenzen und beschreibt deren Aufbau im Verlauf der Schulstufe in drei Zyklen. Zyklus 1 umfasst die beiden Kindergartenjahre bis zur 1./2. Klasse, Zyklus 2 die Mittelstufe von der 3. bis 6. Klasse und Zyklus 3 die Oberstufe (Sek I) von der 7. bis 9. Klasse. Die Fachinhalte werden in Kompetenzbereiche aufgeteilt. Abbildung 1 gibt einen Einblick in den Prozess des Erwerbs von Fähigkeiten und Fertigkeiten im Bereich Schreiben, und dies im Handlungs- und Themenspektrum von Schreibprodukten. Vorab wird die Kompetenz beschrieben. Diese gibt an, was die Schülerinnen und Schüler im gegebenen Kompetenzbereich und Thema am Ende der obligatorischen Schulzeit wissen und können müssen.
In Form von Kompetenzstufen wird die Kompetenz auf die einzelnen Schulstufen bzw. Zyklen heruntergebrochen, was zeigt, was die Schülerinnen und Schüler auf ihrer Zielstufe bzw. im Zyklus wissen und können müssen. Dieses Herunterbrechen ist nötig, denn nach Klieme (2004, 11) kann nur «von Kompetenzen […] gesprochen werden, wenn man grundlegende Zieldimensionen innerhalb eines Faches benennt, in denen systematisch, über Jahre hinweg Fähigkeiten aufgebaut werden». Im Lehrplan unterscheiden sich die Kompetenzstufen «durch die Zunahme von Fakten-, Konzept- und Prozesswissen oder auch durch die höhere Komplexität der Anwendungssituation oder den Grad der Selbstständigkeit» (Lehrplan 21: Überblick → Kompetenzstufen[20]). Der Kompetenzaufbau berücksichtigt die Reihenfolge des Kompetenzerwerbs, wodurch höhere Stufen auf den Grundlagen niedrigerer Stufen aufbauen, da nach Weinert (2014, 24) «die meisten kognitiven Leistungsziele […] durch kumulatives, aufeinander aufbauendes und miteinander verbundenes Lernen erreicht» werden. Um dies sicherzustellen, bietet der Lehrplan Querverweise zu anderen Kompetenzbereichen im gleichen Fach und verweist auf Ansatzpunkte für einen fächerübergreifenden Unterricht, indem Verbindungen zu anderen Fachbereichen aufgezeigt werden.
Pro Zyklus werden Grundansprüche definiert, die spätestens am Ende des jeweiligen Zyklus erreicht werden sollten. Diese Grundansprüche werden infolge individueller Lernfortschritte der Schülerinnen und Schüler zu verschiedenen Zeitpunkten erreicht und sind nicht als Endziel zu verstehen. Sind einmal die Grundansprüche erreicht, sollen Lehrpersonen und Unterrichtsinhalte die Lernenden anregen, ihre Kompetenzen zu erweitern, um die nächste Kompetenzstufe zu erreichen. Falls Schülerinnen und Schüler die Grundansprüche nicht erreichen können, bestehen Möglichkeiten einer Zielanpassung. Grundsätzlich haben jedoch «die Schule als Institution und die Lehrpersonen […] den Auftrag, die Erreichung der Grundansprüche im Unterricht zu ermöglichen» (Lehrplan 21: Überblick