und Herausforderungen außerschulischen Lernens
Außerschulisches Lernen als sinnvolle Erweiterung schulischen Lernens
Außerschulisches Lernen soll den Schulunterricht nicht ersetzen, sondern sinnvoll ergänzen und erweitern. Die Integration außerschulischer Lernorte trägt damit im weitesten Sinne zu einer Öffnung der Institution Schule bei (vgl. Pries & Wiesmüller, 2011). Grundsätzlich erhofft man sich durch diese Öffnung eine Erweiterung des pädagogischen Angebots (Budde & Hummrich, 2016), das auf Schülerinnen und Schüler durch Abwechslung motivierend wirkt. Auch kann die Lernwirksamkeit durch die (mögliche) Durchbrechung von Routinen und das Finden neuer Lernwege an außerschulischen Lernorten positiv beeinflusst werden (Karpa et al., 2015a). Inwiefern zusätzlich noch eine methodische Abwechslung durch den verstärkten Einsatz handlungsorientierter Ansätze und die Ermöglichung eigenverantwortlichen Lernens erfolgt, hängt stark von der spezifischen methodischen Ausgestaltung des außerschulischen Lernvorhabens ab. Eine klassische Museumsführung bietet beispielsweise sehr wenige Möglichkeiten, wenn sie solitär für sich steht. Es ist die Planungsaufgabe der Lehrerpersonen, eine entsprechende Einbettung mittels konkreter Lernangebote zu schaffen.
Außerschulisches Lernen stärkt den Lebenswelt- und/oder Wissenschaftsbezug
Durch die Ausweitung des Schulunterrichts auf außerschulische Lernorte soll eine Annäherung an die Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler erfolgen. Die Nähe außerschulischer Lernorte zur tatsächlichen Lebenswelt der Lernenden variiert von Lernort zu Lernort und hängt zudem stark von der individuellen Erfahrungswelt der einzelnen Schülerinnen und Schüler ab. So liegt es auf der Hand, dass für die meisten Lernenden ein sozialer Ort wie die Disco lebensnäher ist als ein Teilchenbeschleuniger oder eine mittelalterliche Urkunde in einer Museumsbibliothek. Das Lernen außerhalb der Schule bietet zwar auf der einen Seite die Chance, alltagsnahes Wissen zu generieren, das gemäß der Theorie des situierten Lernens leichter in vergleichbaren Alltagssituationen angewendet werden kann, gleichzeitig muss aber (außerschulisch erworbenes) episodisches Wissen dekontextualisiert und damit verallgemeinert und systematisiert werden, um seine Anwendbarkeit in anderen fachlichen Kontexten zu gewährleisten.
Außerschulische Lernorte, die eine geringe Nähe zur Erfahrungswelt der Schülerinnen und Schüler haben, aber dafür einen stärkeren Wissenschaftsbezug aufweisen, sind beispielsweise Forschungsinstitute oder Produktionsbetriebe. Auch bei Kunstausstellungen ist der Lebensweltbezug nicht unbedingt vorauszusetzen. Diese Lernorte verfügen jedoch meist über ein besonderes Potenzial für wissenschaftspropädeutische Ansätze (siehe Kap. 4).
Für naturwissenschaftliche Fächer sind in den letzten Jahren Schülerlabore immer wichtiger geworden. Diese inszenieren häufig Ausschnitte der naturwissenschaftlichen Forschung, um ein lebendiges Bild von «Nature of Science» beziehungsweise der Arbeit von Naturwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftlern zu schaffen. Der Dachverband der deutschen Schülerlabore (LeLa) formuliert dies explizit als das allen Schülerlaboren gemeinsame Ziel (vgl. Euler, 2005). Ziele im Sinne der Wissenschafts- oder Berufsorientierung verfolgen auch geisteswissenschaftliche Schülerlabore oder Archive.
Außerschulische Lernorte stärken eine regionale Identität der Lernenden und fördern gesellschaftliche Teilhabe
Im Sinne des regionalen Lernens gibt das Aufsuchen außerschulischer Lernorte Schülerinnen und Schülern Gelegenheit, eine bestimmte Region (die bei Fernzielen unvertraut sein kann) oder auch ihre Heimatregion zu entdecken und intensiver kennenzulernen. In beiden Fällen bietet außerschulisches Lernen die Chance zur Selbstverortung, wie es Salzmann (2007, 433 ff.) bezeichnet. Insbesondere durch den Vergleich von Gemeinsamkeiten und Unterschieden verschiedener Regionen wird das Erlangen regionaler Identitäten gefördert (vgl. Sauerborn & Brühne, 2014, 47), wobei in diesem Zusammenhang auch eine kritische Diskussion des Heimatbegriffs angeregt werden könnte.
Durch die Auseinandersetzung mit der jeweiligen Region und ihren nicht immer präsenten und zugänglichen historischen wie gegenwärtigen kulturellen Traditionen, Orten, Objekten, Veranstaltungen et cetera lässt sich auch das «kulturelle Umweltbewusstsein» (Fried, zit. nach Rohlfes, 2005, 307) fördern. Danker (2016, 187) verweist hinsichtlich des Geschichtsunterrichts auf die Potenziale eines lokal- beziehungsweise regionalgeschichtlichen Zugangs zu den außerschulischen Lernorten, wodurch das Verhältnis von Regional- und allgemeiner Geschichte erschließbar werde (vgl. auch Emer, 2010, 209 ff.).
Insbesondere in gesellschaftswissenschaftlichen Fächern zielt ein Besuch von außerschulischen Lernorten häufig auf ein Kennenlernen gesellschaftlicher Partizipationsmöglichkeiten. Der Besuch von (kommunal-) politischen Institutionen oder von Instituten für politische Bildung kann Schülerinnen und Schülern Möglichkeiten einer aktiven Teilhabe am gesellschaftlichen und politischen Geschehen aufzeigen (vgl. Sauerborn & Brühne, 2014, 45).
Außerschulische Lernorte ermöglichen Primärerfahrungen
Ein großer Vorteil, den viele Autorinnen und Autoren im Besuch außerschulischer Lernorte erkennen, ist die Ermöglichung von Primärerfahrungen und originalen Begegnungen im Sinne von Roth (1970). Schülerinnen und Schüler können in direkter Interaktion mit der Lernumgebung und den Lerngegenständen persönliche Erfahrungen sammeln (vgl. z. B. Schockemöhle, 2009; Sauerborn & Brühne, 2017). Das spezifische Potenzial außerschulischer Lernorte resultiert somit maßgeblich aus der Möglichkeit der unmittelbaren Begegnung mit einem originalen (authentischen) Objekt, Lerninhalt oder allgemeiner: Lerngegenstand. Hellberg-Rode bezeichnet außerschulische Lernorte aus diesem Grund als «authentische Erfahrungsräume» (2004, 145).
Außerschulische Lernorte bieten Zugänge zu (fächerübergreifenden) Lerninhalten in authentischen Kontexten
Außerschulische Lernorte halten Lerninhalte bereit, die in Kontexte eingebettet sind. Die Kontextualität variiert bei unterschiedlichen Lernorten und Lerninhalten stark (siehe Abschn. 2.4.2). Wird ein Kontext vom Lernenden als glaubwürdig empfunden, so kann er nach Muckenfuß (1995), der diesen Aspekt für den Physikunterricht untersucht, als motivationsfördernd beziehungsweise sogar als für das Lernen notwendig angenommen werden, denn:
«Der Sinngehalt physikalischer Begriffe und Gesetze erwächst erst aus der Anwendung auf einen konkreten, bedeutungsvollen Sachverhalt.» (Muckenfuß, 1995, 144)
und:
«Für die große Mehrheit der Schülerschaft gilt es, sie erfahren zu lassen, dass viele lebensbedeutsame Inhalte physikalische Aspekte enthalten, aus deren Verfügbarkeit auch ein persönlicher Gewinn hinsichtlich der Möglichkeit konkreter Welterfahrung und geistiger Welterschließung erwächst. Damit rücken aber diese lebenspraktischen Inhalte in den Mittelpunkt des Physikunterrichtes und nicht die aus ihnen zu gewinnenden formal-abstrakten Begriffe und Gesetze der Physik.» (Ebd., 148)
Diese Prämisse gilt sicherlich in besonderem Maße für den naturwissenschaftlichen Unterricht, der die Schülerinnen und Schüler an die formal-abstrakte Modellwelt der Naturwissenschaften heranführt, sie kann aber im Grundsatz auch für alle Fächer gelten, deren Fachinhalte in für die Schülerinnen und Schüler möglichst lebensnahe (authentische) und nachvollziehbare Kontexte eingebettet und so motiviert werden können.
In Anlehnung an Nawrath (2010) kann an außerschulischen Lernorten sowohl fachsystematisch als auch kontextstrukturiert vorgegangen werden (siehe Abb. 2.2):
«Ein Kontext im Physikunterricht bezeichnet einen konkreten physikalischen Anwendungsbezug, der aus dem Alltag der Schülerinnen oder Schüler kommt, gesellschaftliche Relevanz oder Bedeutung für Technik und Wissenschaft hat. […] Ein ‹kontextstrukturiertes Vorgehen› liegt dann vor,