authentischer Orte gegenüber schulisch inszenierten Kontexten mehr Glaubwürdigkeit erzeugt. Roth (1970) stellt heraus, dass originale Begegnungen Schülerinnen und Schülern helfen, Primärerfahrungen mit den Lerngegenständen zu sammeln, wodurch Motive für das Erschließen der Inhalte gesetzt werden können. Im Zusammenhang mit geografiedidaktischen Fragestellungen betont Neeb (2010, 18), «dass das Prinzip der originalen Begegnung bis heute eine zentrale Position in der Exkursionsdidaktik einnimmt». Dieses Prinzip lässt sich auf andere Fächer und deren Nutzung außerschulischer Lernorte übertragen.
Die Dimension der äußeren Kontextualität erfasst folglich, wie nah der dargebotene Kontext der Lerngegenstände dem originären Wirklichkeitszusammenhang in einem räumlichen Sinne ist. Die höchste Ausprägung ist gegeben, wenn die Lerngegenstände im originären Wirklichkeitszusammenhang zugänglich sind, das heißt, wenn der Kontext authentisch ist. Beispiele dafür finden sich sowohl an naturbezogenen Lernorten, wie an einem Bachlauf oder in einem Nationalpark, als auch in technisch geprägten Lernorten, zum Beispiel in einem Landwirtschaftsbetrieb, Kraftwerk, Denkmal, Forschungszentrum et cetera.
Eine geringe äußere Kontextualität zeigt sich, wenn Inhalte ohne oder mit sehr geringem räumlichem Bezug zum originären Wirklichkeitszusammenhang dargestellt werden. Dann kann auch von artifiziellen Kontexten gesprochen werden. Als Beispiel für Lernorte artifizieller äußerer Kontextualität sei hier auf klassische Museen verwiesen, die eine Sammlung verschiedenster Exponate ohne oder mit stark eingeschränktem Bezug zur ursprünglichen Umgebung ausstellen. Allerdings sei darauf verwiesen, dass Museen als Orte der Kunst eigenständige authentische Kontexte bieten, die per se auf die Sammlung, Bewahrung, Erforschung, Ausstellung und Vermittlung von Kunst fokussieren. Wird also das Museum als solches thematisiert – zum Beispiel das technische Equipment, das jeweilige Ausstellungskonzept, das Gebäude –, dann ist ein authentischer Kontext, das heißt eine hohe äußere Kontextualität gegeben.
Die Exponate in einer Kunstsammlung sind jedoch in der Regel nicht mehr in ihren ursprünglichen Wirklichkeitszusammenhang eingebunden, es sei denn, sie wurden explizit für diese Ausstellung und damit auch einen konkreten Ausstellungsraum geschaffen, wie es zum Beispiel bei Abschlussausstellungen von Kunstakademien der Fall ist.
Oft werden die Lerngegenstände an den außerschulischen Lernorten aber auch in inszenierten Kontexten dargeboten, die sich den originären annähern oder sich zumindest daran orientieren. Damit wird ein Übergangsbereich mit verschiedenen Facetten zwischen den Polen artifiziell und authentisch erkennbar. Wir sprechen in diesem Zusammenhang von Lernorten, die inszeniert sind (siehe Abb. 2.3). Ein Beispiel hierfür ist das Staatliche Museum für Archäologie Chemnitz (smac), das archäologische Exponate in Anlehnung an ihren Fundort arrangiert und miteinander in Beziehung setzt, um mehr Authentizität zu erzeugen, aber Funde aus ganz Sachsen an einem Ort zusammenführt. Ein weiteres Beispiel für inszenierte äußere Kontextualität ist die Kabinettausstellung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden anlässlich der Restaurierung des Cuccina-Zyklus von Veronese. Hier wurde nicht nur der Prozess der Restaurierung nachvollzogen, sondern auch die ursprüngliche Bestimmung der Gemälde für den Palazzo Cuccina in Venedig konnte erkundet werden, indem die Besucherinnen und Besucher den Palazzo virtuell begehen konnten. Die Gemälde wurden somit virtuell in ihren originären Wirklichkeitszusammenhang eingebettet.
Abbildung 2.3:
Einteilung der äußeren Kontextualität
Auch wenn bislang kaum belastbare empirische Daten erhoben wurden, kann vermutet werden, dass durch das Erleben authentischer Kontexte Vorteile für das Lernen gegeben sind. Erste aktuelle Forschungen zur Wirksamkeit von Authentizität auf die Lerneffekte finden sich bei Sommer (2018).
Zudem lassen sich mögliche Effekte der äußeren Kontextualität auf das Lernen theoriegeleitet begründen. Durch das Erleben eines authentischen Wirklichkeitsausschnitts, der gegebenenfalls auch sehr verschieden zur alltäglichen Lebenswelt5 der Lernenden ist, werden im besten Fall sinnstiftende Denkprozesse bei den Lernenden ausgelöst. Sie formulieren selbst Fragen und initiieren hierüber Lernprozesse. Die Besichtigung eines Windkraftrads wäre zum Beispiel ein solcher authentischer Kontext, der eigenständige Fragestellungen zu den Gefahren der Windräder für die Vögel, zum Aufbau solcher Bauwerke, aber auch zur Funktionsweise des Windrads und damit zum Prinzip der Energieumwandlung oder zu Vor- und Nachteilen dieser Form der Energiebereitstellung anregen kann.
Die innere Kontextualität ergibt sich durch die inhaltliche (materiale/methodische) Einbindung der Lerngegenstände, wodurch den Lernenden ein sinnstiftender Zugang ermöglicht wird (vgl. Muckenfuß, 1995). Die innere Kontextualität, die den Lebens- oder Arbeitsweltbezug erst konkretisiert, wird durch entsprechende Problemstellungen, mit denen die Lernenden am Lernort konfrontiert werden, herausgestellt und erlebbar. Für die innere Kontextualität gilt eine ähnliche Abstufung wie für die äußere (siehe Abb. 2.4): Eine hohe Ausprägung ist gegeben, wenn für den außerschulischen Lernort authentische Problemstellungen mit den Lernenden besprochen und bearbeitet werden oder die Lernenden aufgrund der Begegnung am Lernort eigenständige Frage-/Problemstellungen formulieren. Die innere Kontextualität ist also genau dann authentisch, wenn sich die Frage- oder Problemstellung aus den realen Gegebenheiten am Lernort ergibt und den Lernenden in diesem Rahmen sinnvoll erscheint. Ein Beispiel: Die Lernenden sind am außerschulischen Lernort an Laborarbeiten beteiligt, bei denen Daten gewonnen werden, die anschließend im Kontext eines Forschungsauftrags (z. B. Herstellung biokompatibler Kunststoffe) interpretiert werden. Ein solches Forschungsthema impliziert, dass Lernende eigenständig Fragen formulieren, wie zum Beispiel: Welche Wirkungen entstehen, wenn die Materialien nicht biokompatibel sind? Wofür werden die Materialien konkret eingesetzt: Prothesen oder medizinische Geräte, wie Insulinpumpen?
Ist eine solche Authentizität, das heißt hohe innere Kontextualisierung am Lernort nicht gegeben, kann sie durch entsprechende Problemstellungen inszeniert werden, damit die erfahrbaren Sachverhalte für die Lernenden in einen bedeutungsvollen Zusammenhang gestellt werden. In diesem Fall sprechen wir von einer inszenierten inneren Kontextualität. Diese Variante ist typisch für Schülerlabore, in denen Forschungsmethoden erprobt werden können, ohne dass ein Bezug zu einer konkreten Forschungsfrage gegeben ist. Das bedeutet, dass die innere Kontextualität durch das didaktische Konzept am außerschulischen Lernort gesichert werden muss. Dies ist ein bedeutender Aspekt der Dimension Didaktisierung und wird dort aufgegriffen und untersetzt. Die Dimensionen innere Kontextualität und Didaktisierung an außerschulischen Lernorten sind insofern nicht überschneidungsfrei.
Steht die Frage- oder Problemstellung, die am außerschulischen Lernort bearbeitet wird, in keinem logischen Zusammenhang zum Ort und erscheint den Schülerinnen und Schülern somit unmotiviert, dann sprechen wir in Anlehnung an Müller (2006a) von vorgeblicher innerer Kontextualität. Ein Beispiel: Man geht mit den Lernenden in den Wald, um dort ein rechtwinkliges Dreieck aus Stöcken zu legen und vor Ort den Satz des Pythagoras zu behandeln unter der Fragestellung: «Wie kann ich die Länge des Stockes ermitteln, der die Hypotenuse darstellt, wenn ich die Länge der anderen beiden Stöcke kenne?» Die Fragestellung ergibt sich nicht aus dem Ort heraus. Die innere Kontextualisierung wird zwar vom Lehrenden inszeniert, indem er eine Fragestellung formuliert, die eine praktische Anwendung darstellt, eine praktische Relevanz der Fragestellung im inszenierten Kontext ist aber nicht erkennbar und damit für Lernende in Anlehnung an Muckenfuß (1995) nicht sinnstiftend und damit auch nicht motivierend.
Abbildung 2.4:
Einteilung der inneren Kontextualität
Fehlt die Problematisierung an außerschulischen Lernorten gänzlich, kann nicht angenommen werden, dass Schülerinnen und Schüler selbstständig einen entsprechenden Sinnzusammenhang herstellen. Eine fehlende innere Kontextualisierung sollten Lehrpersonen durch ein eigenes didaktisches Konzept kompensieren, indem sie selbst übergeordnete Problemstellungen