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Historische Begegnungen


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lang vorsorglich zurück. Vermutlich war ihr erwähntes drittgeborene Kind, die Tochter Rachel, die er nicht dem «römischen Wasserbad» hatte ausliefern wollen, während seiner Abwesenheit gestorben. Getauft? Es ist möglich, dass der Ehestreit um die Seele von Rachel mit ein Grund war, weshalb er Zürich verlassen hatte.

      Zu einem neuen Streit der Eheleute kam es, als Manz nach einigen Wochen aus der Haft flüchten konnte und bei ihnen anklopfte. Wann genau, lässt sich nicht bestimmen – es gibt zwar einen Brief Conrad Grebels an den Buchhändler Andreas Castelberger, der die Vorgänge schildert, aber der trägt kein Datum. Vermutlich erfolgte dieser erste Gefängnisausbruch Ende April oder Anfang Mai 1525. Felix Manz durfte sich eine Nacht lang bei Conrad und Barbara Grebel verstecken, doch in der darauffolgenden Nacht wollte Conrad Grebel den Freund Manz auf seiner Flucht begleiten und wieder in den Untergrund gehen. Seine Frau Barbara vereitelte es, indem sie bei ihrem Schwiegervater Junker Jakob Grebel «kein geringes Trauerspiel» verursachte, wie Conrad Grebel an Castelberger schrieb. Manz floh allein und wandte sich nach Graubünden, in die Heimat des längst ausgewiesenen Blaurock, um mit ihm weiter zu predigen. Aber die Stadt Chur fasste ihn – in einem Schiff wurde Manz schliesslich am 18. Juli 1525 nach Zürich ausgeliefert.

      Inzwischen hatten die verbliebenen Zollikoner Täufer – vermutlich am Sonntag, 11. Juni 1525 – eine aufsehenerregende, endzeitliche Bussdemonstration in Zürich durchgeführt, über die Zwingli in seinem Buch «Elenchus» berichtete: Auch Frauen und Kinder nahmen teil, statt eines Gürtels trugen sie «eine Weidenrute oder einen Strick um die Lenden». «Auf den Strassen riefen sie schauerlich: Wehe, wehe! Wehe Zürich! Einige gaben, Jonas nachahmend, der Stadt noch eine vierzigtägige Frist.» An jenem Tag war wegen der anhaltenden Unruhen auf der Landschaft eine Anfrage bei den Zünften und den Landgemeinden angesetzt worden – die Überraschung war also vollkommen.

      Am Montag, 12. Juni, erliess der Zürcher Rat ein Verbot solcher Umzüge und ordnete Folgendes an: eine kleine Gruppe von Ratsleuten erhalte die Vollmacht, die Wachen an den Toren und auf dem Rathaus je nach Lage zu verstärken und Massnahmen zu ergreifen, wenn die Täufer aus Zollikon mit ihren Frauen und Kindern – zu ergänzen wäre wohl: wieder – in die Stadt hineinkämen «und über ein statt Zürich o we unnd derglich schrygen weltind». Gleichentags wurde auch Castelberger mit seiner Frau und den Kindern auf ein Schiff gesetzt und verbannt. Da er an einer Krücke ging, war die schon am 21. Januar verfügte Ausweisung mehrfach hinausgeschoben worden.

      Bei der Räumung von Castelbergers Wohnung muss jener undatierte Brief, den Conrad Grebel ihm über die Umstände der Flucht von Manz geschrieben hatte, den Ratsherren in die Hände gefallen sein. Auf jeden Fall floh Grebel aus der Stadt. War es Castelberger noch gelungen, ihn zu warnen? Oder hatte Conrad Grebel die Bussdemonstration mitorganisiert und musste ohnehin eine Verhaftung befürchten?

      In Abwesenheit wurde nunmehr auch eine Untersuchung gegen Conrad Grebel durchgeführt. Währenddessen trat er selbst in den Zentren des Bauernaufstands auf, unter anderem in Hinwil im Zürcher Oberland, predigte und las aus den Evangelien. Aufgefordert, sich zu stellen, verlangte Conrad Grebel freies Geleit – es wurde ihm nicht gewährt, und sein Bote wurde verhaftet, zusammen mit vieren aus Zollikon, die sich, anders als er, guten Glaubens im Zürcher Rathaus eingefunden hatten.

      Die bäuerlichen Forderungen im Deutschen Bauernkrieg, vor allem die Zwölf oberschwäbischen Artikel, die zwischen dem 28. Februar und dem 3. März 1525 verfasst worden waren und einen klar evangelischen Anspruch hatten, wirkten auf jene Artikelbriefe zurück, welche die Zürcher Bauern Ende April, Anfang Mai 1525 erhoben, im Anschluss an die Besetzung der Klöster Rüti und Bubikon im Zürcher Oberland, 23. bis 25. April 1525. Die schwere Niederlage der deutschen Bauern blieb ebenfalls nicht ohne Rückwirkungen – Zürich nahm sich mit der Beantwortung der bäuerlichen Beschwerden plötzlich viel Zeit und lehnte die allermeisten Forderungen ab. Nur in der Frage des Kleinen Zehnten kam die Stadt den Bauern entgegen, und die Leibeigenen, die der Stadt Zürich gehörten, wurden für frei erklärt, mit Ausnahme derjenigen aus der Landvogtei Grüningen im Zürcher Oberland, die dadurch für die Klosterbesetzung bestraft werden sollten. Sie blieben unfrei, genauso wie die Leibeigenen aller übrigen Herren, deren Rechte Zürich schützte.

      Felix Manz wurde am 7. Oktober 1525 überraschend aus der Haft entlassen. Fast scheint es, als hätten die Behörden ihn ohne sein Wissen dazu verwenden wollen, sie auf die Spur Conrad Grebels zu führen – der im Zürcher Oberland unter den enttäuschten Bauern grossen Zulauf fand. Denn schon einen Tag später, am 8. Oktober 1525, gelang der Zugriff auf Conrad Grebel und auf Blaurock, der inzwischen in die Zürcher Landschaft zurückgekehrt war. Truppen wurden bereitgestellt, um gegebenenfalls mit Zürcher Kriegsschiffen nach Zollikon gebracht zu werden («wann sie erfordert werden»). Felix Manz selbst konnte sich zwar der Verhaftung entziehen und versteckte sich im Wald oberhalb von Bäretswil in der seither so genannten «Täuferhöhle», doch am 31. Oktober 1525 wurde auch er gefasst.

      In der dritten Taufdisputation, die vom 6. bis 8. November 1525 mit den Gefangenen durchgeführt worden war, erhielten sie wegen ihrer früheren Klage, Zwingli lasse niemanden zu Wort kommen, freie Redezeit. Die Veranstaltung im Grossmünster glich trotzdem eher einem öffentlichen Gerichtsverfahren – die Täufer wurden für überwunden erklärt und, da sie sich weigerten zu widerrufen, in Haft behalten.

      Hinrichtung der Täufer in der Limmat

      In der publizistischen Kontroverse zwischen Luther und Thomas Müntzer nahmen Conrad Grebel und seine Freunde klar Stellung für Letzteren. In der Frage der Gewalt aber entschieden sich die Zürcher Täufer für eine gänzlich andere Position als Müntzer und ermahnten ihn: «Man soll auch das Evangelium und seine Anhänger nicht mit dem Schwert schirmen, und sie sollen es auch selbst nicht tun […].» Doch genau dies macht die Theologie von Conrad Grebel und seinen Freunden zu etwas ganz eigenem: In ihr vereinten sich ein radikal pazifistischer und ein sozialrevolutionärer, obrigkeitskritischer Zug. Zwingli erklärte später gegenüber dem Rat, Grebel habe mehr als einmal auf ihn eingeredet, «dass alle gemeinsamen Dinge gemeinsam sein müssen» – das heisst, gemeinhin allen gehören sollten.

      Auffällig ist, dass der eingangs geschilderte spektakuläre Ausbruch der Täuferinnen und Täufer aus dem Neuen Turm direkt an der Stadtmauer 14 Tage nach einer drastischen Strafverschärfung für Täufer erfolgte – ein Ratsmandat vom 7. März 1526 hatte erstmals die Todesstrafe durch Ertränken für diejenigen festgelegt, die weiterhin die Erwachsenentaufe vollzogen. Zwingli, der ja seitens der Eidgenossen selbst mit dem Tod bedroht wurde, billigte das neue Mandat und schrieb gleichentags an Vadian: «So hat sich endlich die lang genug auf die Probe gestellte Geduld erschöpft. Umsonst hat Dein Schwiegervater [Junker Jakob Grebel] den Rat um Erbarmen angefleht.»

      Doch diese neue kurze Freiheit der beiden «Erzwiedertäufer» Grebel und Manz, wie sie der Chronist und Zeitgenosse Johannes Kessler nannte, führte die von ihnen erhoffte Wende nicht herbei: Conrad Grebel erlag schon im Sommer 1526 der Pest, und am 5. Januar 1527 wurde in der Zürcher Limmat mit der Todesstrafe an Felix Manz von Zwingli ein schauderhaftes Exempel statuiert.

      Folgenreich war, dass sich Zwinglis harte Haltung gegen die Täufer aus seiner theologischen Erwählungslehre (Prädestination) speiste und er das gefällte Urteil als Ratschluss Gottes hinstellte: «Ich bedaure die unverbesserliche Kühnheit dieser Leute sehr, […] aber wir sind nicht Gott, dem es nun einmal gefällt, auf diese Weise zukünftigem Unheil vorzubeugen […]», schrieb er Vadian am 7. März 1526, als die Todesstrafe für neu Taufende und neu Wiedergetaufte beschlossen wurde. Und an den Basler Reformator Oekolampad schrieb er am 3. Januar 1527, zwei Tage vor dem Vollzug der Todesstrafe an Conrad Grebels bestem Freund Felix Manz: «die Wiedertäufer», die schon längst «zu den Raben» hätten geschickt werden sollen, störten «bei uns die Ruhe der Frommen». «Aber ich schätze, das Beil ist angesetzt. Der Herr stehe seiner Kirche bei! Amen.»

      In seinem Werk «Elenchus» vom Juli 1527 erinnert er sich, wie die Täufer in einem der zahlreichen Gespräche mit ihm forderten, «wir müssen uns Christus in allem angleichen», worauf er replizierte: «Wer stellt das in Abrede?» Sie «aber», so schrie er sie an, seien «Wölfe und Pseudoapostel».

      Reformatorischer