dunklen Körper schimmerten im Mondlicht. Ihre eine Hälfte wurde zu einer sitzenden Silhouette, als wäre sie das Negativ einer Fotografie und als befände sich die reale Person hinter diesem Foto irgendwo anders.
Bei jedem Zug an ihrer Zigarette tauchten ihre Gesichtszüge Zentimeter für Zentimeter wieder auf, der Dunkelheit entrissen, wie sie es wollte, als wäre sie bereit, all die Geschichten, die über sie erzählt wurden, durch ihre eigenen Worte zu ersetzen.
Aber dann hörte ich das Klopfen, das ich gefürchtet hatte. Laut und beharrlich.
Jamal, wir wissen, dass du hier drin bist.
Es war der Gerichtsbote, und er rief mich durch die geschlossene Tür.
Jamal, mach sofort auf. Führst du wieder Selbstgespräche?
Ich streckte meine Hände durch die Leinwand, berührte Sabas purpurrote Schenkel und hielt den Atem an angesichts der Gewalt, die in ihre Haut eingeprägt war. Als wäre die Berührung ihrer Wunden die einzige Möglichkeit, mich ihrer Existenz zu vergewissern und ihrer Unsichtbarkeit in meinem Kopf zu widersprechen.
Jamal, mach die Tür auf, sonst schlag ich sie ein, rief der Gerichtsbote.
Saba zoomte sich aus der Leinwand heraus. Ich ließ die glimmende Spitze ihrer Zigarette nicht aus den Augen, als sie Richtung Hügel davonschritt. Die Wolken zerstreuten sich.
Ihr Prozess begann unter einem klaren Himmel.
Und als ich das Tor zu meinem Kino öffnete, trat der Gerichtsbote ein, gefolgt von einem Pulk von Leuten.
Mädchen mit Brennholz trotteten hintereinander her, die Äste auf ihrem Rücken knackten. Ihnen folgten Männer mit Turbanen und gabis, die sie um ihre Jacken geschlungen hatten, und blockierten den Eingang. Sie schwelgten in Erinnerungen an Asmara. Seitdem ich hier bin, sagte der Älteste von ihnen, sehe ich, wenn ich die Augen schließe, Mussolini auf dem zentralen Boulevard, der seinen Namen trug.
Sie fassten sich an den Händen, gingen gemeinsam weiter und teilten ihre Erinnerungen miteinander. Buonasera, Jamal, begrüßten sie mich und setzten sich in die erste Reihe. Eine Hirtin trat ein, sie schüttelte weiter ihren mit Milch gefüllten Sack aus Ziegenleder, um tesmi zu machen. Der Geruch der Butter verflog, als eine Prostituierte in der Tür erschien und den Duft von Schwarzkümmelöl mit Zimtaroma auf ihrer Haut hereintrug.
Asmarische Jungen kamen in mein Quartier, sie hatten sich Strickjacken um den Hals geschlungen und die Spielkarten noch in der Hand. Der Spaßvogel unter ihnen mimte mit den Händen eine Explosion, als Frauen, Kanister mit Flusswasser auf den Köpfen balancierend, durch das Tor traten. Aber die Frauen lächelten nur. Sie hatten die Hände in die Seiten gestemmt und schwangen ihre Hüften. Ihr Geschnatter hörte auf, als eine über Achtzigjährige auf ihrem Esel kam, deren Tochter und Enkelin im Kampf für die Unabhängigkeit unseres Landes an der Front zu Tode gefoltert worden waren. Der Esel schrie, als sie abstieg.
Ich stand auf und überließ meinen Stuhl dieser Frau, deren Schoß Löwinnen getragen hatte. Saba ist frei, sagte sie und drückte meine Hand. Saba ist frei. Eine Frau ist frei, auch wenn ihr Land noch nicht befreit ist.
Ich küsste ihre Stirn.
Der Richter und die Ältesten waren immer noch nicht da. Eine Frau klagte, wie absonderlich es sei, dass man einander vor Gericht stellte, als ob das Leben im Lager nicht Prüfung genug wäre.
Doch schon bald lachten die Leute wieder, als der Friseur unseres Lagers mich fragte, ob ich denn endlich meine Jungfräulichkeit an die unbeschnittene Frau verloren hätte, die im Hilfszentrum arbeitete und für die ich aus dem Englischen ins Tigrinische und ins Arabische übersetzte. Ich hätte eine zweifellos lange Diskussion gern schnell beendet, indem ich eingestand, dass ich meine Jungfräulichkeit an einen unbeschnittenen Mann verloren hatte. Aber ich tat es nicht. Ich lächelte nur und behielt die Maske der Verstellung auf.
Doch mein Schweigen stachelte die Neugier nur noch weiter an. Forschende Augen suchten meine Maske zu durchdringen. Ich straffte mich, um meine Männlichkeit zu bekräftigen und das Feminine zu bekämpfen, das meine Knochen befallen hatte wie Ameisen, die Löcher in den Boden graben. Irgendwie sammelte ich meinen fragmentierten Körper und richtete mich kerzengerade auf wie eine Doum-Palme.
Der Richter wird bald da sein, sagte der Gerichtsbote.
Und als gälte es, die Zeit totzuschlagen, bis der Prozess begann, drückte ein Mann mir und dem Sohn unseres sufistischen Imams ein Schwert in die Hand. Die Zeit, so geht ein Sprichwort, ist wie ein Schwert: Wenn du sie nicht zerschneidest, zerschneidet sie dich.
Der Mystiker und ich sollten in die Luft springen, um Gott näher zu kommen, um dem Rausch des Glücks näherzukommen und auf den Boden zurückzukehren mit Gottes Liebe. Der Sohn des Imams und ich sprangen, wir erhoben uns hoch über meine Behausung und das Lager und entschwebten in den beerenfarbenen Himmel. Die Klingen unserer Schwerter prallten in der Luft zusammen, und wir stießen unsere Waffen in den eintönigen Himmel, bis er blutete. Die Dämmerung brach herein. Blut füllte das Rund der strohgedeckten Dächer.
Mein Freund und ich fielen kichernd auf den Boden zurück. Wir umarmten uns, das Schwert hinter dem Rücken des anderen. An diesem isolierten, verwahrlosten Ort ist es dein Freund, vor dem du dich in Acht nehmen musst, hatte Saba einmal zu mir gesagt.
Jetzt erinnerte ich mich wieder an ihre Worte. Ich drückte meinen Handballen fest in sein Schulterblatt, und mein Freund tat dasselbe. Wir prägten uns einander tief ins Gedächtnis ein und kehrten lachend auf unsere Plätze zurück.
Wo bleibt denn der Richter?, fragte ich, um diese Farce möglichst schnell zu beenden. Nicht dass ich der anderen Flüchtlinge überdrüssig gewesen wäre. Im Gegenteil. Es wäre keine Übertreibung zu sagen, dass ich die ersten Wochen und Monate im Lager nur dank ihrer mitfühlenden Solidarität überlebt hatte. Einige Familien hatten mir gestattet, das Bett ihrer Kinder und die wenigen Kleidungsstücke zu teilen, die sie besaßen. Und so schliefen ihre Kinder und ich nackt, während unsere Kleider über Nacht im Freien trockneten. Unsere Arme und Beine verschränkten sich, Schweiß klebte uns aneinander.
Und bevor ich die Hütte eines Mannes bekam, der im Fluss ertrunken war, schlief ich lange in verschiedenen Hütten und legte meinen Kopf auf dasselbe Kissen wie ein Dichter, ein Vergewaltiger, ein Witwer, ein Ehebrecher, ein Fantast und zwanghafter Lügner, ein Imam, ein Homosexueller, ein Priester, ein verkappter Transvestit, ein Mann, der seinen Sohn missbrauchte, und eine Mutter, die ihre Kinder schlug, bis auf deren Haut ihre Wut eingebrannt war. Eine Zeit lang wohnte ich bei einer jungen Witwe, die ihre Nächte auf allen Vieren auf dem Boden ihrer Hütte verbrachte und ihren nackten Körper dem Geist ihres verstorbenen Mannes darbot, sodass ich mit dem Geruch ihres sexuellen Begehrens in der Lunge einschlief.
Die Träume dieser Menschen, ihre Ängste und Untaten wurden meine Träume, meine Ängste und meine Untaten. Und ich fragte mich, ob ich am Ende ein Träumer werden würde, ein Wanderer zwischen Ländern und Liebschaften, jemand, der seinem Opfer durch dunkle Gassen nachstellt, oder ein Mann der Worte. Oder ob ich mich durch göttliche Macht in eine Frau wie Saba verwandeln würde, deren Rundungen ich mir im Schimmer des Mondlichts als meine eigenen vorgestellt hatte.
Die Zeit meines Heranwachsens war voller Möglichkeiten, dies oder das zu werden, und ich war Wünschen ausgeliefert, die sich mit jeder Nacht in einer neuen Hütte änderten, wenn ich den Herzen derjenigen lauschte, die ihren Kopf neben meinen betteten, und deren Atem erschreckende, aber auch sinnliche und mitleidvolle Gedanken in mir wachriefen. Ich bin nichts als die Summe der Gedanken all dieser Gefährten. Denn ohne dass sie etwas ahnten, wurde ich vieles zugleich: ein Abbild ihrer Großzügigkeit, eine Fallstudie ihrer edlen Überzeugungen und der Träger ihrer unerträglichsten Geheimnisse.
Jetzt bin ich hier, dachte ich, und warte auf Sabas Prozess, während ich inmitten der Guten und der Bösen sitze, inmitten derer, die ihre Verbrechen und Schandtaten in aller Stille begingen.
Hier gab es keine Polizeistation. Es gab nur uns und unser Gewissen. Das ungeschriebene Gesetz des Schweigens, der Familienehre, der Solidarität der Entrechteten und die Verwandtschaftsbeziehungen durch innerfamiliäre Heirat sorgten dafür, dass das Lager von diesem