Ich presste die Zähne zusammen, legte den Kopf zurück und biss mir auf die Lippen. Meine Knie zitterten. Saba, sagte ich, ich verstehe nicht, warum meine Mutter mich unbedingt hier an diesem Ort beschneiden lassen musste.
Die Traditionen begleiten uns, wohin wir auch gehen, sagte Saba, als sie den Saum meines weiten Gewandes hob, das auf der Vorderseite rote Flecken hatte. Sie drehte ihr Gesicht nicht weg, wie ich es erwartet hatte. Ich rückte näher zu ihr und lehnte mich bei ihr an. Lange Minuten vergingen, in der Hütte war es vollkommen still. Dann endlich hörte ich einen Tropfen in den Blechtopf fallen. Ich schrie auf. Und verstummte wieder.
Durch das Fenster wehte ein warmer Wind herein. Ihr flatterndes Haar kitzelte meinen Nacken. Heb mein Gewand höher, Saba, du tust mir weh.
Ich presste erneut. Ein paar Minuten vergingen, immer noch nichts. Ich weinte.
Mach dir keine Sorgen, sagte Saba und wischte mir die Tränen aus den Augen. Ich helfe dir.
Es war, als würde sie meine verbrannte Hand in kaltes Wasser legen oder als würde ich ein Aspirin nehmen. Ich stöhnte, als sie meinen wunden Penis in ihren Handteller legte. Und als sie ihn drückte, verwandelte sich der Schmerz in ein ungekanntes Gefühl. Ich konnte nicht aufhören zu weinen. Und dann bemerkte ich in ihrer blutbenetzten Hand ein weißes Rinnsal. Saba war meine erste Liebe.
Der Richter stand auf und schrie, so laut er konnte, um die Erregung der Menge zu besänftigen. Was ist das für ein Gericht, das den Worten eines Straßenjungen Glauben schenkt?
Ruhe. Ruhe! Es gelang ihm, den Lärm einzudämmen, indem er drohte, die Zuhörer des Gerichtssaals zu verweisen und die Verhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit fortzusetzen.
Stille.
Herr Jamal, rief der Richter.
Ich war mit meiner Zeugenaussage an der Reihe. Der Zeugenstuhl war noch warm, und ich spürte ein Kribbeln meinen Rücken hochkriechen. Ich schlug die Beine übereinander. Ich bin bereit, sagte ich.
Gut, fangen wir an, sagte der Richter. Erzählen Sie uns alles, was Sie über Saba wissen. Und vergessen Sie nicht: Jeder Hinweis kann uns helfen. Uns geht es um Gerechtigkeit.
Ich möchte von Anfang an erzählen.
Ich habe Saba zum ersten Mal am Fluss gesehen, an unserem ersten Abend im Lager, als sie ihrem Bruder ins Wasser nachsprang, um einen Kanister herauszuholen, den die Strömung einer Frau aus der Hand gerissen hatte. Nachdem sie ihn gerettet hatten, kehrten die beiden triefend nass zu ihrer Hütte zurück, Saba mit einem Eimer Wasser auf dem Kopf. Ich stand da und betrachtete sie, regungslos und selbst ganz durchnässt. Denn obwohl ich gezögert hatte, in den Fluss zu springen, um Saba zu retten, hatte ich das Gleichgewicht verloren und war ins Wasser gefallen.
Ich eilte zum Lager zurück, als mir der dicke Packen Birr-Scheine einfiel. Ich hatte sie in einer Tasche versteckt, die ich mir am Abend vor der Flucht aus der Heimat in meine Unterhose eingenäht hatte. Ich musste die Geldscheine auf dem Fußboden meiner Hütte ausbreiten, damit sie trockneten. Aber im Lager angekommen, stellte ich fest, dass ich nicht mehr wusste, wo meine Hütte war. Andere, die vom Fluss zurückkehrten, hatten Angehörige, die vor ihrer Hütte standen und sie erwarteten. Überall wurden Namen gerufen, ich jedoch war allein, und es gab keine Möglichkeit, meine Hütte wiederzufinden. Ich hatte nicht einmal etwas darin zurückgelassen, um sie in Besitz zu nehmen.
Ich öffnete eine Hütte zu meiner Linken, und da lagen mindestens fünf Personen, in weiße gabis gehüllt, dicht nebeneinander auf dem Boden. Ich zuckte zurück, denn ich dachte, der Tod wäre auch bereits hierhergekommen. Aber als ich ihre tiefen Atemzüge hörte, schloss ich die Tür und versuchte es bei der Hütte nebenan. Diesmal stürmte ich nicht einfach hinein, sondern öffnete die Tür nur einen Spalt breit und spähte hinein. Ein greiser Mann saß neben einer Frau und blickte triefäugig zur Tür. Habe ich euch geweckt, aboi?, fragte ich.
Nein, mein Sohn, erwiderte der Alte. Heutzutage kommt der Schlaf nur sehr schwer.
Ich erklärte ihm, dass ich meine Hütte suchte. Er sagte, hier wohnten er und seine Frau, aber wenn ich meine Hütte nicht fand, könne ich gern bei ihnen bleiben. Deine Hütte oder meine Hütte gibt es nicht, sagte er. Hier an diesem Ort gehören die Hütten allen und keinem.
Das hatten unsere Kämpfer zu Hause oft gesagt. Bist du Kommunist?, fragte ich ihn.
Tut mir leid, dass ich dich enttäuschen muss, mein Sohn, aber ich bin nicht gebildet. Mitgefühl ist etwas, das ich in meinem Dorf gelernt habe.
Das Paar in der Hütte daneben kniete am Boden und betete, die Köpfe gesenkt, die Augen geschlossen. Sie hörten nicht einmal, wie ich die Tür öffnete. Der Gedanke, dass andere meine Hütte bezogen hatten, machte mich wütend. Und mit dieser Wut kam ich zur nächsten Hütte. Ich stieß die Tür mit dem Fuß auf. Ein Mädchen, das sich gerade ihr Nachthemd überstreifte, huschte davon, um sich zu bedecken. Ich hielt die Hand vor meine Augen und schloss die Tür. Aber als ich an dem kleinen Fenster vorbeikam, warf ich noch einmal einen Blick hinein. Es war Saba, das Mädchen, das mit ihrem Bruder den Kanister aus dem Wasser geholt hatte. Ich kauerte mich unter ihr Fenster, das auf den menschenleeren Platz blickte. Als der Morgen graute, drehte ich mich um und spähte vorsichtig in die Hütte. In dem Moment hob Saba ihre Knie. Sie strich mit den Händen über ihre Oberschenkel und öffnete ihre Pobacken. Ich fragte mich, ob sie eine Wunde betastete oder ob sie sich Lust verschaffte. Ihr Körper zitterte. Ein Stöhnen kam aus ihrem Mund.
Ich blieb sitzen, während alle um mich herum zu schreien anfingen. Ich fuhr mit meiner Zeugenaussage fort und sprach sehr laut, um das Geschrei zu übertönen.
Der Richter rief die Zuschauer zur Ordnung und bat mich weiterzusprechen.
Ich konnte sie sehen.
Was sehen, Herr Jamal?
Ich sah Saba vor mir stehen.
Stehen? Wo? Wann?
Im Freiluftklo, an unserem ersten Abend im Lager. Ich konnte sie nicht mit einem Räuspern warnen, weil die Kälte meine Stimmbänder angegriffen hatte. Und so legte sie die Taschenlampe auf den Boden, ohne dass sie mich bemerkte. Ich sah sie von hinten, ihre purpurroten Schenkel. Sie zog ihr Kleid hoch und ging in die Hocke. Ich beobachtete, wie sie Steine aufhob, und als ein Käfer auf ihrem Hintern landete, sprang sie auf und lief davon. Ich rappelte mich hoch und teilte das hohe Gras mit zitternden Händen. Schweiß lief mir übers Gesicht, als strahlte die Stelle, wo Saba gesessen hatte, eine menschliche Wärme aus, nach der ich lange gesucht hatte.
Tumult. Er lügt. Werft ihn raus.
Ich möchte Sie an dieser Stelle unterbrechen, wandte sich der Richter an mich.
Ich aber fuhr fort: Meine Saba gibt es wirklich. Schaut auf die Kinoleinwand, dann seht ihr sie. Ihr denkt, die Saba, die ich kenne, kann nur die Ausgeburt eines kranken Geistes sein. Als würden reale Frauen den Rippen von Männern entspringen und imaginäre Frauen deren fantasierenden Köpfen.
Genug, sagte der Richter.
Er wies die Wache an, mich aus dem Zeugenstand wegzuführen. Dann wandte er sich an die Hebamme und sagte: Gehen Sie zu Saba und fordern Sie sie auf, ins Gericht zu kommen. Das ist ihre letzte Chance. Wenn sie nicht kommt, schicken wir den Gerichtsboten, damit er sie mit Gewalt herbringt.
Das Gericht wartete auf die Rückkehr der Hebamme. Der Richter beriet sich mit den Ältesten. Aus den Reihen der Zuschauer kam Gemurmel. Erneut wurden Gerüchte laut. Ich konzentrierte mich auf mein Kino. Saba lag auf dem Bauch und las in dem Buch, das sie gegen ein Kissen gestützt hatte.
Ich blickte zu dem Käfig neben meiner Hütte, in dem ich Tauben hielt. Vorsichtig wie eine Ballerina balancierte die Katze über den Zaun aus Stroh. Einsperren kann manchmal das Leben verlängern, dachte ich, während ich erneut das Areal betrachtete, in dem Saba wohnte.
Saba öffnete der Hebamme das Tor. Sie redeten miteinander. Von diesem Stummfilm, der jetzt vor mir ablief, konnte ich nichts hören, ich sah jedoch, wie sie gestikulierten und mit den Händen fuchtelten. Saba drehte sich einmal um sich selbst. Sie zog