Veranda klingt gut«, meint er, und mit meiner Wasserflasche unter dem Arm geklemmt, gehe ich voraus und öffne die Vordertür. Draußen setze ich mich auf die oberste Stufe, platziere meinen Teller auf meinen Knien und stelle mein Wasser neben mir ab.
»Es ist wunderschön hier draußen«, sagt Tide und lässt sich neben mir nieder.
»Stimmt.« Ich frage mich, ob ich mich jemals daran gewöhnen werde, an einem so traumhaften Ort zu leben. Wenn die untergehende Sonne durch die Blätter der Bäume scheint und Schatten wirft, sieht es aus wie das Setting eines Fantasy-Romans. Als könnte jeden Moment ein Ritter auf einem weißen Pferd den Weg hinaufreiten, während Feen aus den Bäumen stürzen und einen vor dem bevorstehenden Untergang warnen. Kopfschüttelnd wische ich meine Gedanken fort. »Als ich diese Immobilie sah, wollte ich sie haben. Beim Anblick der Innenräume kamen mir jedoch Zweifel.«
»Es hat ein gutes Fundament. Ein paar Erneuerungen sind nötig, aber du hast eine gute Wahl getroffen.«
»Danke.« Ich wickle einige Nudeln mit meiner Gabel auf und nehme einen Bissen. Obwohl ich dieses Gericht oft zubereitet habe, ist es schon eine Weile her, also stöhne ich genießerisch, als sich die köstlichen Aromen in meinem Mund ausbreiten.
»Verdammt, das schmeckt gut«, sagt Tide, und ich drehe mich zu ihm, um ihn anzulächeln. »Ich hatte lange keine hausgemachte Mahlzeit mehr.«
»Hausgemacht würde ich es nicht nennen. Es ist bloß eine Tüte Pfannengemüse, eine Packung Reisnudeln, Hühnchen und eine Flasche Thai-Sauce.«
»Es stammt nicht aus einem Drive-in, was für mich gleichbedeutend mit hausgemacht ist.«
Ich kann nicht anders, als ihn eingehend zu mustern. Er ist keineswegs dünn. Er ist groß und kräftig gebaut, voller Muskeln, die davon zeugen, dass er auf sich achtgibt. Dennoch wirkt er, als würde er auch mal ein Bier trinken und wüsste gutes Essen zu schätzen. Neben ihm fühle ich mich zierlich und auf seltsame Weise weiblicher.
»Ich schreibe dir gern das Rezept auf, dann kannst du es bei Gelegenheit ausprobieren. Es ist wirklich einfach, alles zusammenzuwerfen.«
»Ich nehme mir eigentlich nur Zeit zum Kochen, wenn ich meine Tochter bei mir habe, und sie ist ziemlich wählerisch.«
»Wie alt ist sie?«
»Vier, fast fünf.«
»Das ist ein lustiges Alter«, erwidere ich leise. Meine ehemalige Schwägerin hat zwei Jungen, und als ich mit meinem Ex zusammenkam, war der eine vier und der andere kurz vor dem sechsten Geburtstag. Einige meiner Lieblingserinnerungen sind an jenen Wochenenden entstanden, wenn wir die beiden zu uns nahmen. Selbst wenn ich erschöpft war, als sie nach Hause gingen, habe ich es stets genossen, sie bei mir zu haben.
»Wie alt ist dein Spross?«
»Was?«
»Dein Kind, wie alt ist er oder sie?«
»Ich habe keines«, widerspreche ich mit gerunzelter Stirn und frage mich, warum er das glaubt.
»Du hast gesagt, du wärst für jemand anderen verantwortlich. Da nahm ich an, du hättest welche.«
Meine Wangen fangen an zu glühen, als mir klar wird, wie missverständlich meine Worte zu interpretieren waren. Ich hefte den Blick auf meinen Teller. »Ich habe keine Kinder. Mein Ex-Mann arbeitete für mich und war während unserer Ehe finanziell von mir abhängig. Als wir uns scheiden ließen, verlangte er Unterhalt.«
»Ernsthaft?« Tide versucht nicht einmal, seine Abscheu zu verbergen. »Er hat tatsächlich gerichtlich durchgesetzt, dass du ihn nach der Trennung aushalten musst?«
»So was passiert ständig.« Ich weiß nicht, warum das meine erste Antwort ist. Sollte es nicht sein. Mein Ex Josh ist absolut in der Lage, zu arbeiten und für sich selbst zu sorgen; er möchte nur seinen derzeitigen Lebensstil nicht aufgeben. Da er alleine nicht genug Geld verdient, um das zu bewerkstelligen, erwartet er, dass ich den Rest aufbringe, und leider haben die Gerichte ihm zugestimmt.
»Du hast recht«, murmelt Tide und wendet sich wieder seinem Essen zu. Ich versuche, das Gleiche zu tun, fühle mich aber unbehaglich und verlegen. Jeder Biss kommt mir gezwungen vor. »Meine Ex hat mir Blumen geschickt.«
»Wie bitte?« Ich drehe mich zu ihm um, und er begegnet meinem Blick.
»An dem Tag, als sie mich verließ, schickte sie mir Blumen. Auf der beigelegten Karte stand, dass sie und meine Tochter bereits aus unserem gemeinsamen Haus ausgezogen wären, wenn ich das lese.«
»Autsch.«
»Mich verletzte nur, dass sie mir mein Kind weggenommen hat.« Angesichts des Schmerzes in seiner Stimme zieht sich mein Herz zusammen und ich lehne mich leicht an ihn.
»Es tut mir leid.«
»Bei jedem von uns ist etwas schiefgegangen.« Er stupst meine Schulter mit seiner an und deutet auf seinen Teller. »Aber lass uns damit aufhören und einfach das Essen genießen.«
Ich verbeiße mir ein Lächeln und folge seinem Vorschlag. Glühwürmchen erwachen um uns herum zum Leben und das Zirpen von Grillen erfüllt die Abendluft. Dieser Moment hat etwas Magisches an sich. Dabei sitze ich nur hier mit einem Mann, den ich kaum kenne, und teile eine Mahlzeit mit ihm. Mehr nicht.
Aria
Ein seltsames Klingeln reißt mich aus dem Schlaf. Ich taste den Boden neben mir nach meinem Handy ab, um nach der Uhrzeit zu schauen, halte aber inne, als jemand unten gegen die Haustür hämmert.
»Mist.« Ich werfe die Decke beiseite, rutsche von meiner Luftmatratze und rapple mich auf. Rasch suche ich den Raum nach etwas ab, das ich mir über mein Nachthemd ziehen kann, und entdecke einen Hoodie auf meinem Koffer liegen. Ich schlüpfe hinein und eile nach unten. Keine Ahnung, wie spät es ist, aber heute wollten die Leute vom Umzugsunternehmen kommen, die vermutlich gerade so vehement Einlass verlangen.
Als ich um die Ecke schlittere, hinter welcher der Eingang ist, lege ich mich beinahe der Länge nach hin, kann mich aber rechtzeitig abfangen. Ich öffne ruckartig die Tür und werde sofort von grellem Sonnenlicht geblendet. »Hi«, keuche ich und füge in Gedanken Cardio-Training der Liste von Dingen hinzu, die ich wahrscheinlich nie machen werde, aber eigentlich tun sollte.
»Aria Spencer?«, fragt ein ziemlich verwegen aussehender Herr mit einem Klemmbrett in der Hand.
»Ja.« Ich ziehe mein Nachthemd, das unter meinem Hoodie hervorlugt, ein Stück weiter runter, als er seinen Blick auf meine Beine heftet.
Er räuspert sich und schaut mich wieder an. »Wir sind hier, um ihre Sachen abzuliefern.«
»Super.« Ich schiebe die Tür ein Stück zu und versuche, möglichst dahinter zu verschwinden. »Können Sie mir zehn Minuten geben, um mich anzuziehen?«
»Na klar.« Er tritt einen Schritt zurück. »Haben Sie etwas dagegen, wenn wir den LKW bis an die Veranda ranfahren?«
»Nein, kein Problem.« Ich bedenke ihn mit einem Lächeln und er wendet sich zum Gehen. Sobald er an der Treppe ist, schließe ich ab und renne nach oben, wo ich in eine Leggings und ein übergroßes T-Shirt schlüpfe. Dann putze ich mir die Zähne, bürste mir mein rotblondes Haar und binde es zu einem Pferdeschwanz zusammen. Als ich fertig bin, gehe ich wieder nach unten und lasse die drei Männer herein, die bereits auf der Veranda warten.
Die nächsten fünf Stunden verbringe ich damit, den Möbelpackern zu sagen, wo sie alles hinstellen sollen. Die Sachen für das Wohnzimmer parke ich im Eingangsbereich und in der Küche, da sowohl die Wände noch gestrichen als auch der Teppich verlegt werden muss. Nachdem sie fertig sind, gebe ich ihnen ein paar hundert Dollar Trinkgeld, woraufhin sie lächelnd von dannen ziehen. Ich wiederum bin erschöpft. Alles wurde dort platziert, wo es hingehört, aber die Kisten müssen ausgepackt, mein Bett zusammengebaut und alles eingeräumt werden. Ich werde Wochen, wenn nicht Monate