Ralf Kramp

Noch ein Mord, Mylord


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steckte.

      »Weder sie, noch der Kerl, noch ein türkisfarbener Ford Anglia, verdammt!«, knurrte Smith, als er wieder zu uns ins Auto stieg. »Evans, der Fahrer weiß von nichts. Halten Sie mal rechts an, hat sie gesagt, und ihm dann befohlen, weiterzufahren. Das gibt’s doch nicht! Warum trifft die sich da mit fremden Männern?«

      »Viel schlimmer noch: Warum verschwindet sie so einfach von der Bildfläche?«, sagte ich.

      »Entführt?«, fragte Smith mit gerunzelter Stirn.

      Merridew nickte nachdenklich. »Könnte man meinen.«

      »Na Mahlzeit! Die berühmteste Schauspielerin der Welt, entführt! Mitten im Film! Die Katastrophe der Katastrophen! Dagegen ist die Suezkrise ein Senioren-Tanztee. Ich kann einpacken, Jungs.«

      Ich konnte in diesem Moment Merridews Gesicht im Spiegel sehen. Da war dieses verräterische Flackern in seinen Augen, das ich nur zu gut kannte. Er hatte Feuer gefangen.

      »Wo bleibt denn Ihr Kampfgeist, alter Knabe? Noch ist offenbar keine Lösegeldforderung eingegangen. Ja, noch weiß niemand, dass das blonde Püppchen aus Übersee überhaupt weg ist.«

      »Außer uns«, warf ich ein.

      Smith stöhnte. »Aber was sollen wir denn jetzt tun? Wir haben weder das Kennzeichen, noch wissen wir, wer der Knilch ist, der das Auto gefahren hat!«

      »Stimmt nicht ganz, mein Guter, stimmt nicht ganz.«

      Smith starrte Merridew ungläubig an. Der zwinkerte heiter zurück. »Bei einem Pint werden wir Ihnen erzählen, was wir wissen. Und dann wollen wir doch mal sehen, ob es uns nicht gelingen kann, die Entführung zu beenden, bevor sie überhaupt so richtig angefangen hat.«

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      Wir saßen im Schatten eines Sonnenschirms auf den hölzernen Bänken vor dem Fox and Hounds in Englefield Green, und Smith ließ sich unser Erlebnis vom Vormittag erzählen. Während ich so exakt wie möglich wiedergab, was wir bei dem ominösen Telefonat belauscht hatten, hatte Merridew in Windeseile einen üppigen Ploughman’s Lunch mit zwei Pint Bitter hinuntergespült. Smith hatte mir mit zusammengekniffenen Augen sehr aufmerksam zugehört. Er war ein gewiefter, alter Kriminaler, der sich seine Emotionen nur selten anmerken ließ. Die Wut über den verpatzten Überwachungsauftrag hatte ihn vorhin zwar übermannt, aber mittlerweile hatte er sich offenbar wieder gefangen.

      »Ich schulde Ihnen noch einen Gefallen, Smith«, sagte Merridew mit generösem Tonfall und pikte mit einem silbernen Zahnstocher zwischen seinen Zähnen herum. »Sie erinnern sich doch an den Fall Oldwicker?«

      »Klar, wie könnte ich den vergessen?«

      Zu mir gewandt erklärte Merridew: »Wissen Sie, Nigel, es war vor zwölf Jahren. Der Mörder von Mike Oldwicker, diesem berühmten Tiefseetaucher aus dem Örtchen Wheel in Wiltshire, hätte mich um ein Haar mit einer Harpune durchbohrt, als ich ihm und seinem perfiden Verbrechen auf die Schliche kam. Aber Superintendent Smith hat ihn im letzten Moment mit einer Sauerstoffflasche ausgeknockt.«

      Auf den Lippen des Expolizisten zeigte sich der Anflug eines Lächelns, als er in sein fast leeres Bierglas blickte. »Ach was, Merridew, wir sind quitt. Sie waren immerhin derjenige, der das Rätsel um das mysteriöse Ableben Oldwickers gelöst hat!«

      Merridew strahlte. »Oh ja, und was für ein überaus vergnüglicher Mord das war! Dieser tollkühne Mike Oldwicker ertrank nicht etwa zweihundert Meter tief im salzigen Indischen Ozean, sondern mitten in seinem Wohnzimmer in Wiltshire im ziemlich kalkhaltigen Leitungswasser! In sitzender Haltung auf einem geblümten Sofa!«

      »Ertrunken?«, fragte ich ungläubig. »Im Wohnzimmer?«

      Merridew gluckste vor Vergnügen. »Oh ja, beim Anprobieren seines neuen Taucheranzugs! Der Mörder hatte unbemerkt den Wasserschlauch an die Öffnung für die Sauerstoffzufuhr angeschlossen, und dann – Wasser Marsch!«

      Ich blickte auf meine Armbanduhr. »Meine Herren, so sehr ich Ihre nostalgischen Anwandlungen auch nachvollziehen kann, wäre es nicht an der Zeit, etwas zu unternehmen?«

      Smith hatte wieder sein ernstes Gesicht aufgesetzt und nickte. »Allerdings. Es wird langsam Zeit. Ich hab’s euch erzählt: Marilyn Monroe schluckt Pillen und verschläft regelmäßig den Drehbeginn. Alle am Set sind schon völlig mit den Nerven runter, weil sie manchmal einfach ein, zwei Tage gar nicht erscheint. Wenn es uns gelingt, sie zu finden, bevor überhaupt einer gemerkt hat, dass sie weg ist, ist vielleicht noch was zu retten.«

      »Wenn es keine Lösegeldforderung gibt, ist das doch eigentlich auch nicht gut«, warf ich ein.

      Die beiden sahen mich fragend an.

      »Na, immerhin sprach die junge Frau am Telefon von Mord.«

      »Mord, richtig! Oh Mann«, stöhnte Smith. »So ein verfluchter Dreck.«

      »Wir fahren noch einmal zu Madame Tussauds und fühlen der jungen Dame im Kittel ein wenig auf den Zahn.«, entschied Merridew. »Und Sie, Roger, kümmern sich darum, dass wir noch heute Nachmittag Zutritt zum Studio bekommen.«

      »Um Gottes Willen, die werden wissen wollen, was ihr da zu suchen habt!«, protestierte Smith.

      Merridew winkte mit großer Geste ab. »Kein Mensch wird uns von echten Bewunderern der Kinematographie unterscheiden können. Wir kommen wegen des dort entstehenden Meisterwerks Der Prinz und die Tänzerin, und wegen nichts anderem!«

      »Junge, Junge, wenn das mal gut geht«, knurrte Smith.

       3

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      Wir fanden Mr Anselm im untersten Stock der Ausstellungsräume des Wachsfigurenkabinetts. Er war ausgesprochen verwundert, uns schon so rasch wiederzusehen. Seine Brille hatte er immer noch auf den Kopf geschoben, und ich fragte mich, ob er sie überhaupt benutzte, oder ob sie nicht vielmehr eine Art modisches Accessoire war.

      Er erklärte uns ungefragt sein Vorhandensein im Ausstellungsraum: »Die Besucher werfen immer mit irgendwelchen Sachen nach Hitler.«

      »Bisschen spät«, grunzte Merridew.

      »Sehen Sie, hier. Die Nase ist schon wieder ramponiert.«

      In der Tat hatte irgendein Wurfgeschoss deutliche Spuren im Gesicht des Diktators hinterlassen. Anselm war mit provisorischem Flickwerk beschäftigt, während die Besucher des Museums vorbeigingen und sich schaudernd der morbiden Atmosphäre des Horrorkabinetts hingaben.

      »Und hier unten wird wohl auch mein Freund, Lord Merridew zu stehen kommen?«, fragte ich keck.

      Merridew warf mir einen böse funkelnden Blick zu. »Keine blöden Witzchen, Nigel. Ich gehöre ja wohl eher zu den gekrönten Häuptern weiter oben!«

      Aber Anselm gefiel der Spaß. »Ihr Freund hat irgendwie recht. Gleich neben Crippen und Christie, das wäre doch was. Ihre Klientel, oder nicht?«

      »Pah! Denen hätte ich zu ihrer Zeit jedenfalls schneller das Handwerk gelegt!«

      Ich beschloss, das Gespräch in die richtige Bahn zu lenken: »Wir haben eine Bitte, die Ihnen vielleicht ein wenig ungewöhnlich vorkommen mag. Wissen Sie wohl, wo sich Miss Markham zurzeit aufhalten könnte? Wir würden gerne mit ihr sprechen.«

      »Miss Markham? Cathy?«

      »Ganz recht«, sagte Merridew in betont unverfänglichem Tonfall. »Wir müssten ihr ein, zwei klitzekleine Fragen stellen.«

      »Seltsam, dass Sie sich nach ihr erkundigen. Sie ist heute nicht aus der Mittagspause zurückgekommen.« Anselm machte ein ernstes Gesicht. »Eigentlich wäre das hier ihre Aufgabe.«

      »Ist sie krank geworden?«

      »So scheint es«, sagte Anselm. »Ich hoffe, es ist nichts Ernstes, denn wir haben