Verhandlung keine Verschlechterung der Ausgangsposition eintritt;26 denn der Verkäufer ist bestrebt, einen Preis zu erzielen, der über seiner Preisuntergrenze liegt, und der Käufer wird versuchen, einen Preis unterhalb seiner Preisobergrenze auszuhandeln.
Besteht die Aufgabe des Bewerters in einer beratenden Funktion, so bestimmt er den subjektiven Entscheidungswert seines Mandanten. Bei seiner Unternehmensbewertung berücksichtigt er vor allen Dingen die individuellen Erwartungen, Planungen und alternativen Anlagemöglichkeiten des Investors und ermittelt auf diese Art und Weise für den Käufer den maximal zu zahlenden Kaufpreis bzw. für den Verkäufer den minimal zu fordernden Verkaufspreis.
Der Käufergrenzpreis ist der Preis, den ein potenzieller Käufer maximal zu bezahlen bereit ist.27 Diese maximale Zahlungsbereitschaft wird bestimmt „nach dem Ertrag, den [...] sich [der Käufer] aus dem betreffenden Unternehmen versprechen darf, und nach dem Preis, den er mindestens zu entrichten hätte, wenn der gleiche Ertrag alternativ zu beschaffen wäre“28. „[D]er Ertragswert (Grenzpreis) ergibt sich dann ohne weitere Berechnungen als Preis dieser alternativen Mittelanlage.“29 Würde der Käufer mehr bezahlen, als er zukünftig aus dem gekauften Unternehmen erwirtschaften kann, entspräche dies nicht dem Verhalten eines rational entscheidenden Wirtschaftssubjekts.
Im Gegensatz zum Käufergrenzpreis ist der Verkäufergrenzpreis der Preis, den der Verkäufer verlangen wird, um nach dem Verkauf finanziell nicht schlechter gestellt zu sein, bzw. der Preis, bei dem der Verkäufer zwischen dem Behalten des Unternehmens oder dessen Verkauf indifferent ist.30
cc) Vermittelnde Funktion: Ermittlung von Schiedspreisen
Können sich zwei Parteien nicht auf einen Preis einigen oder wollen sie Kosten für die Gutachtenerstellung sparen, bitten sie womöglich einen Dritten, zu vermitteln und/oder für beide Parteien einen akzeptablen Preis zu ermitteln.31 Der Unternehmensbewerter wird dann in der Vermittlungsfunktion tätig und errechnet einen fairen Einigungspreis, der auch als Schiedspreis (Arbitriumwert) bezeichnet wird.32 Schiedspreise können jedoch nicht nur bei der Bewertung von zum Verkauf stehenden Unternehmen erforderlich werden. Sie sind ggf. auch im Rahmen eines Scheidungsverfahrens zu ermitteln, wenn ein Unternehmen zur Aufteilungsmasse gehört, und finden häufig bei Erbstreitigkeiten Anwendung, wenn es darum geht, den Wert eines vererbten Unternehmens als Ausgangsbasis für die Ermittlung des Pflichtteils zu bestimmen.33 Schiedsgutachten spielen nicht zuletzt auch bei Squeeze-Out-Vorgängen gemäß § 327a AktG eine zentrale Rolle. Hier zwingt der Hauptgesellschafter aufgrund seiner erdrückenden Stimmrechtsmehrheit die Minderheitsgesellschafter aus dem Unternehmen. Er muss ihnen aber für diese Zwangsenteignung eine angemessene, faire Entschädigung zahlen. Bei ihrer Ermittlung sind die Interessen von Minderheits- und Mehrheitsgesellschaftern gleichermaßen zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen.34 Da die Minderheitsaktionäre häufig nur wenige Aktien besitzen, können (und wollen) sie sich keinen eigenen Gutachter leisten. Der von dem Mehrheitsaktionär beauftragte Gutachter muss dann bei seiner Wertfindung zugleich die Interessen von Mehrheits- und Minderheitsgesellschaftern beachten.
Die Ermittlung von Schiedspreisen ist ebenfalls durch die Subjektivität der Grenzpreisermittlung geprägt, denn der Schiedspreis vermittelt zwischen dem subjektiven Käufer- und dem ebenso individuellen (subjektiven) Verkäufergrenzpreis.
Der Schiedspreisfindung sind enge Grenzen gesetzt. Eine erste große Hürde bildet die asymmetrische Informationsverteilung zwischen dem Bewerter (bzw. dem Gutachter) und dem Mandanten. Der Gutachter kennt nicht alle Unterlagen oder Personen, die ihm kompetent Auskunft erteilen könnten, und ist damit in vielen Belangen auf umfassende und wahrheitsgetreue Informationen seitens seines Mandanten angewiesen.35 Um zu einem bestmöglichen Ergebnis zu kommen, könnte Letzterer die Unwahrheit sagen, die Unternehmenssituation beschönigen oder für ihn nachteilige wertbeeinflussende Tatsachen zurückhalten.
Doch selbst wenn der Bewerter hinreichende Klarheit über die jeweiligen Grenzpreise gewonnen hat und ihnen berechtigtes Vertrauen schenkt, besteht das Problem in einer fairen Wertfindung, die beiden Parteien gleichermaßen gerecht wird. Letzten Endes ist der Bewerter in seiner Funktion nichts anderes als ein Schiedsrichter, der einen Spielverlauf objektiv beobachtet und nur bei Regelverletzungen einschreiten darf und muss. Im Rahmen des Schiedsgutachtens simuliert er aber zusätzlich den (fairen) Ausgang der Verhandlungen, die erst gar nicht aufgenommen wurden oder aber ins Stocken geraten sind und nicht fortgesetzt werden.
Häufig wird der Schiedsgutachter ein ausgewogenes Kräfteverhältnis von Verkäufer und Käufer im Rahmen der simulierten Verhandlungen unterstellen und die Grenzpreise von Käufer und Verkäufer mitteln.
dd) Weitere Funktionen
Die Argumentationsfunktion soll in der Unternehmensbewertung ergänzend eingesetzt werden, um bei Verkaufs- oder Gerichtsverhandlungen geeignete Argumente zum Erreichen eines Verhandlungsergebnisses zu finden.36 Der Entscheidungswert stellt dabei die letzte Rückzugslinie der Argumentation dar, denn der Argumentationswert darf weder geringer als der Verkäufergrenzpreis noch höher als der Käufergrenzpreis sein.37
Bei der Bilanz- oder auch Kommunikationsfunktion genannten Bewertungsaufgabe steht die Ermittlung von Bilanzwerten im Vordergrund, wie z.B. zur Ermittlung von Unternehmens(teil)werten im Rahmen des Impairmenttest des Goodwill nach IAS 36.38
Im Rahmen von Bewertungen für Besteuerungszwecke zielt die Unternehmensbewertung auf die Ermittlung einer Steuerbemessungsgrundlage für die Steuerfestsetzung, z.B. für die Schenkung- oder die Erbschaftsteuer.39
c) Ermittlung von Grenzpreisen
Der Grenzpreis eines Unternehmens (GPU) wird mithilfe des Gesamtbewertungsverfahrens berechnet, da es gilt, monetäre Vorteile anhand von diskontierten Zahlungsüberschüssen einzuschätzen:40
Die zu diskontierenden periodenspezifischen Erträge (CFt) bezeichnen die künftigen Nettoausschüttungen aus dem Unternehmen, die ein Bewerter unter Beachtung der individuellen Besonderheiten seines Mandanten prognostiziert. Der Kapitalisierungszinssatz (i) stellt sich als beste alternative Mittelanlage dar. Für uniforme, unendlich lang fließende Zahlungsüberschüsse kann die ewige Rentenformel angewandt werden, und die Berechnungsformel vereinfacht sich zu:41
Grenzpreise werden sowohl für den Verkäufer als auch für den Käufer ermittelt. Der Verkäufergrenzpreis zeichnet sich dabei durch zwei wesentliche Merkmale aus:
1. Der Verkäufergrenzpreis ist ein subjektiver Wert, weil er auf den individuellen Möglichkeiten und Fähigkeiten des Verkäufers basiert. Der Begriff „subjektiv“ hat im allgemeinen Sprachgebrauch einen negativen Beigeschmack. Er wird häufig mit Willkür und gefühlvollen Wertungen gleichgesetzt. Dies gilt im Kontext der Unternehmensbewertung nicht. Hier kennzeichnet der Begriff „subjektiv“ die Berücksichtigung der individuellen Besonderheiten des Einzelnen. Aus diesen individuellen Faktoren ergeben sich handfeste materielle Auswirkungen auf den Nettocashflow des Unternehmens und der Alternativanlage. Sie sind bewertungsrelevant.
2. Der Verkäufergrenzpreis ist ein Minimumpreis.
Auch der Käufergrenzpreis weist zwei wesentliche Merkmale auf:
1. Der Käufergrenzpreis ist – wie der Verkäufergrenzpreis – ein subjektiver Wert, weil auch er auf den individuellen Möglichkeiten und Fähigkeiten desjenigen basiert, für den die Bewertung erstellt wird. Wiederum werden individuelle Besonderheiten, wie z.B. die Möglichkeit zur Mietersparnis, die in dieser Form keinem anderen Marktteilnehmer offen steht, berücksichtigt, weil sie für den Käufer – und nur für ihn – einen Konsummehrwert schaffen.
2.