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Kirchlicher Dienst in säkularer Gesellschaft


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Däubler/Wolfgang Däubler, Arbeitskampfrecht, § 12 Rn. 34; ErfK/Wolfgang Linsenmaier, GG Art. 9 Rn. 94, 123, 164.

      53 Zu dem breit ausgetragenen Streit, wer letztlich die Organisationsmacht für Notdienstarbeiten hat, soll nicht Stellung genommen werden (dazu ErfK/Wolfgang Linsenmaier, GG Art. 9 Rn. 180 ff., 188; Däubler/Waldemar Reinfelder, Arbeitskampfrecht, § 15 Rn. 48 ff.). Regelmäßig wirken Arbeitgeber und Gewerkschaft hier tatsächlich im wechselseitigen Eigeninteresse sinnvoll zusammen.

      54 Däubler/Waldemar Reinfelder, Arbeitskampfrecht, § 15 Rn. 55; ErfK/Wolfgang Linsenmaier, GG Art. 9 Rn. 187.

      55 BAG, 05.12.2007 – 7 ABR 72/06, NZA 2008, 653 („Alfried-Krupp-Krankenhaus“); dazu Hermann Reichold, NZA 2009, 1377, 1378 f.

      56 So zu Recht auch Hermann Reichold, NZA 2009, 1377, 1378.

      57 Dazu zuletzt MHdB ArbR/Hermann Reichold, § 158 Rn. 40 ff.

      58 BAG, 22.05.2012 – 1 ABR 7/11, NZA-RR 2013, 367.

       Ralph Bergold

      I. Kirche und kirchlicher Dienst

      Zu allen Zeiten ist die Kirche von dem Bewusstsein geprägt, dass die einzelnen Gläubigen von Jesus Christus zu einer Gemeinschaft der Glaubenden zusammengerufen wurden und der Kirche die Verantwortung für die Bewahrung und Weitergabe der Botschaft Jesu anvertraut wurde. In Erfüllung dieses Sendungsauftrages der Kirche hat es im Laufe der Zeiten viele Formen und viele Ämter und Dienste gegeben. Maßgeblich hat das II. Vatikanische Konzil grundlegende Aussagen der dogmatischen Konstitution Lumen Gentium (LG) über das Kirchenverständnis und die Bedeutung und Stellung des kirchlichen Dienstes getroffen.1 Dabei ging es auch um die Mitwirkung der Laien und deren Anteil am kirchlichen Dienst. Da ist von Einheit des Leibes Christi (LG 4 u. 7), von Gemeinschaft und Communio (LG 13–15) und vom pilgernden Gottesvolk die Rede, das heißt von einer Größe, die geschichtlich unterwegs ist (LG 8).

      Die Kirche ist nach dem II. Vatikanischen Konzil Volk Gottes, aber eines Gottes, der nicht nur die absolute Transzendenz ist, sondern ein Gott der absoluten Immanenz, ein Gott des Lebens und der Geschichte. Die Kirche wird somit zum Dialog Gottes mit den Menschen. Mit dem Bild des Gottesvolkes will das Konzil die gemeinsame Verantwortung aller Gläubigen für das Evangelium und den Aufbau des Reiches Gottes verdeutlichen. Daneben, und dies wird sehr deutlich in der Pastoralkonstitution Gaudium et Spes (GS) des II. Vatikanischen Konzils, gibt es auch eine Verantwortung des Glaubens und der Gläubigen gegenüber der Welt (GS 7). Und dieses geschieht maßgeblich durch das gelebte Leben.

      Diese Mitverantwortung der Laien und der Sendungsauftrag an die Laien sowie die Bedeutung, die das Zeugnis des christlichen Lebens für die gesamte Sendung der Kirche hat, wird in dem Dekret über das Laienapostolat Apostolicam Actuositatem (AA) des Konzils noch detaillierter benannt. Das Dekret spricht von der Berufung aller Gläubigen zum Apostolat (AA 2) und alle sollen entsprechend ihren Fähigkeiten zum Wachstum und Aufbau der Kirche beitragen. Die Laien nehmen aufgrund ihrer Taufe teil am priesterlichen, prophetischen und königlichen Amt Christi und verwirklichen in der Kirche, aber vor allem und in besonderer Weise in der Welt, ihren Anteil an der Sendung des ganzen Gottesvolkes. Sie sind berufen, „nach Art des Sauerteigs, ihr Apostolat in der Welt auszuüben“ (AA 2).

      II. Wandel der Ära

      Nun erleben wir in der heutigen Zeit enorme und grundlegende Veränderungen in allen Bereichen des Lebens, der Gesellschaft, der Welt, die Auswirkungen auf den kirchlichen Dienst haben, beziehungsweise den kirchlichen Dienst verändern. Papst Franziskus sagte auf der Jahresversammlung der italienischen Bischöfe radikal: „Wir leben nicht in einer Ära des Wandels, sondern erleben den Wandel einer Ära“.2 Damit kündigte er einen beunruhigenden Wandel der Ära an und warnte gleichzeitig davor, sich in einer letztlich beruhigenden Ära des Wandels weiterhin einzurichten. Es ist der Wandel einer gesamten Ära, ein Übergang in ein neues Zeitalter. Die gesamte Ära wandelt sich. Das heißt nicht der Wandel ist der Motor der Veränderung, sondern die Veränderung des gesamten Kontextes. Das heißt nicht alles wird schneller, kurzfristiger, komplexer, unüberschaubarer, pluriformer, digitaler, brüchiger etc., sondern wir erleben den Wandel in ein Zeitalter der Pluralität, der Beschleunigung, Virtualität, Komplexität, der Migration etc.

      Vier für den kirchlichen Dienst relevante Kennzeichen dieser neuen Ära möchte ich im Folgenden nennen:

      1. Pluralität

      Das erste Hauptkennzeichen ist die Pluralität, und zwar Pluralität in allen Bereichen, so auch in den Lebenswelten der Menschen. Peter Berger spricht hier von einem „Explosiven Pluralismus“, da sich die Möglichkeiten der Art und Weise zu leben, innerhalb von einer Generation sprungartig vervielfältigt haben.3 Wir verzeichnen eine Pluralität im religiösen Bereich und der Weltanschauungen; denn die Zahl der Religionen aber auch der Konfessionslosen steigt. Auch im ethischen Bereich erleben wir plurale Prozesse. Es finden immer mehr Debatten und Werturteile statt. Protestgruppen wie Rechtspopulisten und Rechtsradikale begründen mit dem Kampf um Werte ihr Engagement.

      Die Kirche und der kirchliche Dienst stehen inmitten dieser pluralen Ära und müssen sich mit diesem Kontext auseinandersetzen. Die Pluralität wird noch durch die zunehmende Medialisierung exponentiell gesteigert.

      Die Frage stellt sich, wie man in einer solchen pluralen Welt leben kann? In einer solchen Welt entstehen Ängste und Orientierungslosigkeit, Sehnsucht nach Geborgenheit und Heimat, nach Verbindlichkeit und Klarheit. All das sind Herausforderungen, vor der eine Kirche und ein kirchlicher Dienst inmitten einer Ära der Pluralität steht. Glaubwürdigkeit, Erkennbarkeit, Authentizität, Vertrauenswürdigkeit, Vorbildlichkeit erlangen dabei eine zunehmend wichtige Bedeutung.

      2. Flüchtigkeit

      Ein zweites prägendes Kontextmerkmal der neuen Ära, die Zygmunt Baumann als „Flüchtige Moderne“4 bezeichnet, ist das veränderte Raum- und Zeitgefühl. Nichts ist von Dauer. Die Zeit ist nicht länger ein Kontinuum, das sich als verlässliche Konstante durch die Lebensgeschichte zieht, sondern ist eine Abfolge von Episoden. Die Zeit wird auf den Punkt gebracht. Der Augenblick, die Jetzt-Zeit wird zum entscheidenden Zeitmaß und Zeitgefühl.

      Auch die menschliche Identität durchläuft diesen Episodenprozess. Man spricht von der flüchtigen Identität und von Patchwork-Identitäten. Die Identität ist keine Lebenslinie mehr, sondern eine Ansammlung von Episodenpunkten ohne inneren Zusammenhang. Menschen unserer Gegenwart sind nicht mehr eingebettet in ein festes System, das ihnen auf Dauer Sicherheit, Orientierung und Halt gibt, sondern sie sind „entbettet“. Und die flüchtige Moderne bietet auch keine Chancen zu einer Wiedereinbettung. Die Möglichkeiten sich neu zu betten, zerbröseln bevor man es sich bequem gemacht hat. Und in der Flüchtigkeit der Zeit herrscht Bettenknappheit.

      Die zunehmende Beschleunigung führt zu einer zunehmenden „Entfremdung“ des Menschen, so der Soziologe Hartmut Rosa5. Das Paradoxe dabei ist, dass zum Beispiel durch technische Beschleunigungen wie Computer, Internet, Verkehrsmittel wie Auto, Haushaltstechnologien wie Geschirr- und Waschmaschine, nicht mehr Zeit zur Verfügung gestellt wird, sondern die Menschen noch gehetzter werden. Immer mehr E-Mails müssen geschrieben werden, immer größere Entfernungen müssen bei Arbeit und Freizeit zurückgelegt werden, immer mehr Kleidungen und Geschirr werden angeschafft und werden gebraucht. Der Grund liegt darin, dass die Wachstumsraten höher als die Beschleunigungsraten sind und die Zeitknappheit ein ständiger Begleiter ist. Wachstum, Wettbewerb, und das zunehmende Problem der Endlichkeit in der diesseitigen Welt sind die Motoren dieser Beschleunigung. Die Folge dieser Beschleunigung ist, dass die Zeit schrumpft. Hartmut Rosa spricht hier von einer sogenannten Gegenwartsschrumpfung. Der Erfahrungsraum der Vergangenheit und der Erwartungsraum der