Regina Mathy

Das Arbeitsrecht ökumenischer Einrichtungen, Unternehmen und Konzerne


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hierzu insbes. BVerfG, 11.10.1977 – 2 BvR 209/76, NJW 1978, 581 (583); BVerfG, 17.02.1981 – 2 BvR 384/78, NJW 1981, 1829 (1830 f.); BAG, 05.12.2007 – 7 ABR 72/06, NZA 2008, 653 (656).

      316BVerfG, 11.10.1977 – 2 BvR 209/76, NJW 1978, 581 (583).

      317Beyer, in: Freiburger Kommentar, MAVO, § 1b Rn. 1; Fey/Rehren, MVG-EKD, § 5 Rn. 9.

      318Loritz, in: GdS Heinze, S. 541 (544); hierzu ausführlich § 6 A II 1 b) (ii).

      319Das gilt, wenn die Entscheidung anders ausgefallen wäre, vgl. BAG, 24.03.1977 – 2 AZR 289/76, 2 AZR 289/76, NJW 1978, 122 (123).

      320Gescher, in: Freiburger Kommentar, MAVO, § 14 Rn. 11; zur Nichtöffentlichkeit s. auch Fey/Rehren, MVG-EKD, § 24 Rn. 17.

      321Eberle, Sozialstationen in kirchlicher Trägerschaft, S. 174.

      § 3 Verfassungsrechtliche Anerkennung ökumenischer Einrichtungen

      Das kirchliche Arbeitsrecht ist keine vom staatlichen Arbeitsrecht abgrenzbare Sonderrechtsordnung322, dennoch gelten für die verfassten Kirchen und ihre Wohlfahrtsorganisationen viele Besonderheiten.323 Diese ergeben sich aus den religionsverfassungsrechtlichen Bestimmungen. Ehe sich die Arbeit den einzelnen Modellen einer Arbeitsrechtsgestaltung in ökumenischen Einrichtungen widmet, müssen die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen für ökumenische Einrichtungen untersucht werden. Zunächst bedarf es einer Auseinandersetzung mit der Frage, woher die Sonderstellung der Religionsgemeinschaften rührt und wie diese konkret in Deutschland ausgestaltet ist (A). In einem zweiten Schritt wird das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften als Grundlage des kirchlichen Arbeitsrechts näher betrachtet (B). In einem dritten Schritt sollen die Voraussetzungen einer Zuordnung einer ökumenischen Einrichtung zu einer oder mehreren Religionsgemeinschaften untersucht werden (C).

      In den letzten Jahren ist die Diskussion über das Religionsverfassungsrecht324 erneut entflammt. Das gilt nicht nur für Fachkreise, sondern für die breite Öffentlichkeit.325 „Religionsverfassungsrecht“ bezeichnet die „Gesamtheit aller Rechtssätze (…) welche gerade die Beziehungen zwischen dem Staat und den Religionsgemeinschaften oder ihren Mitgliedern regeln“.326 Religionsverfassungsrecht als Ganzes ist staatliches Recht, d.h. Verfassungsrecht, Parlamentsrecht und untergesetzliche Normen des Bundes und der Länder, unions- und völkerrechtliche Bestimmungen (insbes. EMRK) sowie Staatskirchenverträge.327 Die Länder haben im Wesentlichen die Gesetzgebungskompetenz und daher insbesondere in ihren jeweiligen Verfassungen zahlreiche eigene Normen erlassen.328

      Die verfassungsrechtlichen Grundlagen finden sich in Art. 4 Abs. 1, 2 und Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 ff. WRV. Über Art. 140 GG werden die Art. 136, 137, 138, 139 und 141 WRV ins GG inkorporiert. Obwohl die Artikel zu den ältesten des GG zählen, unterliegen gerade sie einer stetigen Entwicklung. Die Gesellschaft von 1919, in der sie entstanden sind, unterscheidet sich deutlich von der heutigen. Damals waren christliche Werte und die Volkskirchen noch wesentlich präsenter. Unsere heutige Gesellschaft ist durch zunehmend individualistische und säkulare Tendenzen, bis hin zu areligiösen Strömungen, gekennzeichnet.329 Die Landschaft der Religionsgemeinschaften wird immer pluralistischer, die großen Kirchen verlieren an prägender Kraft.330 Hierdurch stellen sich viele Fragen erneut.

      Da es spätestens mit Erstarken des Christentums in der abendländischen Welt zu Auseinandersetzungen zwischen weltlicher und geistlicher Herrschaft kam, blickt das Religionsverfassungsrecht auf eine lange Entstehungsgeschichte zurück. Religion und Staat stehen hier seit jeher in einem Spannungsverhältnis.331 Solange beide im gleichen Raum existieren, werden sie nie vollkommen unabhängig voneinander betrachtet werden können.332 Das gilt nicht zuletzt deshalb, weil das „personelle Substrat“ teilweise identisch ist.333

      Bis ins Mittelalter bestand eine enge Verbindung zwischen weltlicher und kirchlicher Herrschaft (Bündnis von Thron und Altar).334 Die durch die Thesenverbreitung von Martin Luther im Oktober 1517 ausgelöste Reformation hatte weitreichenden Einfluss auf das Religionsverfassungsrecht.335 Entgegen ihrer Zielsetzung gelang es der Reformation nicht, die enge Verquickung von Staat und Kirche zu beenden. Der Augsburger Religionsfrieden von 1555 sicherte eine Koexistenz der Konfessionen und eine Wahlmöglichkeit.336 Der zum Ende des Dreißigjährigen Krieges geschlossene Westfälische Friede von 1648 bestätigte im Wesentlichen die Bestimmungen des Augsburger Religionsfriedens.337 Der Reichsdeputationshauptschluss von 1803 leitete eine neue Epoche des Verhältnisses Staat/Kirche ein.338 Die hiermit verbundenen Ausgleichsverpflichtungen des Staates an die Kirchen haben bis heute Bedeutung.339 Mit dem Untergang der Monarchie 1918 war eine Neuordnung des Religionsverfassungsrechts möglich.340 Nach langen Diskussionen, die von einer strikten Trennung bis hin zu einer einseitigen Bevorzugung des Christentums gegenüber anderen Religionen reichten, gehen die Art. 135 bis 141 WRV341 letztlich auf einen Vorschlag der Abgeordneten Friedrich Naumann (DDP) und Wilhelm Kahl (DVP) zurück.342 Geschaffen wurde eine „hinkende Trennung von Staat und Kirche“.343 Während der NS-Zeit erfuhren die Kirchen zahlreiche Einschränkungen, die nicht zuletzt auch ihren Status betrafen.344 Ihre Wirkung konnten die Gewährleistungen der WRV erst vollständig durch die Erfahrungen der NS-Zeit345 entfalten.

      Der Parlamentarische Rat, der von September 1948 bis Mai 1949 tagte, hatte zunächst über die Gewährleistung der Religionsfreiheit hinaus mit Blick auf die Gesetzgebungskompetenz der Länder keine weiteren Regelungen in diesem Bereich für das GG vorgesehen. Erst auf Verlangen der Kirchen wurden erste Vorschläge für die Verankerung des Religionsverfassungsrechts im GG vorgelegt.346 Auf Anregung von Theodor Heuss und Hermann Höpker-Aschoff fand man den Kompromiss, über Art. 140 GG die Art. 136, 137, 138, 139 und 141 WRV in das GG zu inkorporieren.347 Eine solche Inkorporation348 findet sich an keiner anderen Stelle im GG. Trotz Übernahme der Normen der WRV ist ein Verständnis im Kontext des GG zugrunde zu legen.349

      Die Artikel der WRV überschneiden sich teilweise mit Art. 4 Abs. 1, 2 GG, da sie sowohl individual- als auch kollektivrechtliche Gewährleistungen enthalten.350 Art. 140 GG ist im Einklang mit der Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1, 2 GG) und der Religionsgleichheit (Art. 3 GG) auszulegen351, jedoch als lex specialis anzusehen.352 Bei den inkorporierten Artikeln handelt es sich um vollgültiges Verfassungsrecht.353 Sie gehen hinsichtlich der institutionellen Gewährleistungen weiter, d.h. die Religionsfreiheit wird in Art. 140 GG spezifiziert.354

      Das Religionsverfassungsrecht besteht aus zahlreichen verschiedenen Normen, die jedoch einige verbindende Grundsätze erkennen lassen.355 Neben der Religionsfreiheit, die individuell, kollektiv, positiv und negativ durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gewährleistet wird, ist der Vorrang des staatlichen Rechts relevant. Zudem gilt das Prinzip der Bekenntnisneutralität des Staates, d.h. der Staat darf sich nicht mit religiösen oder atheistischen Auffassungen identifizieren.356 Die Gleichstellung aller Religionen und Weltanschauungen soll der Grundsatz der Parität gewährleisten (religionsverfassungsrechtlicher Gleichheitssatz).357 Es besteht eine Trennung von Staat und Religionsgemeinschaften, die durch gewisse Formen der Kooperation gekennzeichnet ist.358 Die staatliche Rechtsordnung genießt den Vorrang, kann jedoch keine Regelungen für Religionsgemeinschaften treffen („Inkompetenz