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Pragmatikerwerb und Kinderliteratur


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entwickelnden Kindern auswirkt, wurde mittlerweile in vielen Studien gezeigt. Inwieweit das auch bei Kindern mit atypischen Sprachentwicklungsverläufen der Fall ist und ob hier spezielle Rezeptionsformate besser geeignet sind als andere, um das spracherwerbsförderliche Potenzial von Kinderliteratur auch in therapeutischen Kontexten nutzbar zu machen, muss jedoch noch weiter erforscht werden.

      8 Die Beiträge in diesem Band

      Die in diesem Band versammelten Beiträge sind aus der Tagung „Pragmatikerwerb und Kinderliteratur“ hervorgegangen, die im September 2018 an der Universität Leipzig stattfand. Sie greifen jeweils einzelne der oben benannten Aspekte auf und tragen somit zur Erforschung des Zusammenhangs von Pragmatikerwerb und Kinderliteratur bei.

      Die ersten drei Beiträge beschäftigen sich mit Aspekten der internen Pragmatik kinderliterarischer Texte. In dem Beitrag von Bettina Kümmerling-Meibauer und Jörg Meibauer geht es um die Maxime der Art und Weise bzw. das M-Prinzip und die Frage, inwieweit deren/dessen Erwerb durch Kinderliteratur – hier besonders herausfordernde Bilderbücher – unterstützt wird. Die Autoren gehen zunächst auf die Maxime der Art und Weise, das M-Prinzip und den Begriff der Markiertheit im Allgemeinen ein. Sie wenden die Maxime der Art und Weise auf Literatur an und zeigen anhand einiger Beispiele, dass diese in der Literatur systematisch ausgenutzt wird. Ausgehend von der These, dass herausfordernde Bilderbücher solche Bilderbücher sind, die Normalvorstellungen verletzen und daher markiert sind, wird eine Reihe herausfordernder Bilderbücher hinsichtlich deren Text- und Bildebene sowie der Text-Bild-Kombinationen analysiert, um diese These zu erhärten. Im Anschluss wird die Frage diskutiert, wie Pragmatikerwerb – hier insbesondere hinsichtlich der Maxime der Art und Weise/des M-Prinzips – und Kinderliteratur zusammenhängen.

      Kristin Börjesson beschäftigt sich in ihrem Beitrag mit dem Phänomen des verbalen Humors in kinderliterarischen Texten. Anhand zweier humoristischer Kinderbücher für jeweils unterschiedliche Altersgruppen erforscht die Autorin in einem textanalytischen Zugriff den Zusammenhang zwischen Humor in der Kinderliteratur und Humorerwerb. Insbesondere geht sie der Frage nach, ob Kinderliteratur einen spezifischen Input für den (weiterführenden) Humorerwerb (im Selbstlesealter) darstellt. Dafür prüft sie, ob der entsprechende Input an den jeweiligen kognitiven Entwicklungsstand des Kindes angepasst ist, d.h., ob in Texten für jüngere Leser (mehr) einfachere Arten von Humor auftreten als in Texten für ältere Leser und ob in literarischen Texten für jüngere Leser Humormarker, welche das Identifizieren humorvoll intendierter Textstellen unterstützen sollen, eine größere Rolle spielen als in Texten für ältere Leser.

      In dem Beitrag von Juliane Stude und Olga Fekete geht es um das Verhältnis kinderliterarischer Texte zum kindlichen Erzähl- und Lügenerwerb. Insbesondere gehen die Autorinnen den Fragen nach, welche sprachlichen Mittel Kinder in Narrationen einsetzen, um Realisierungen des Lügens vorzunehmen, welche Kontextualisierungshinweise zur Kenntlichmachung des Lügens sie aus kinderliterarischen Texten übernehmen, wie Kinder das lügenhafte Verhalten kinderliterarischer Figuren verstehen, wie sie in Nacherzählungen narrative Figuren als Lügner porträtieren und wie sie sich selbst zu lügenden Protagonisten der Kinderliteratur positionieren. Außerdem interessiert die Frage, inwieweit kinderliterarische Texte kindlichen Rezipienten zum einen Kontextualisierungshinweise als Deutungshilfen zur Interpretation unterschiedlicher Interaktionsmodalitäten bereitstellen und inwieweit diese zum anderen von Kindern wahrgenommen werden.

      Es folgen zwei Beiträge, in denen der Fokus auf Aspekten der externen Pragmatik liegt. Linda Stark beschäftigt sich mit der Feinabstimmung der vorlesenden Person bezüglich der kindlichen Fähigkeiten, in Bilderbüchern Referenz herzustellen. Die Autorin beschreibt den Akt der Referenzherstellung als eine sprachliche Handlung mit Glückensbedingungen. Sie macht die Relevanz solcher referenzherstellenden Akte im Spracherwerb deutlich. In Ihrem Beitrag zeigt die Autorin, wie derartige, auf den Entwicklungsstand des Kindes abgestimmte referenzherstellende Akte in Bilderbuchvorlesesituationen durch Bezugspersonen vorgenommen werden und weist auf die besonderen Bedingungen hin, die sich dadurch ergeben, dass neben der sprachlichen, zusätzlich eine bildliche Ebene zu berücksichtigen ist. Zwar wird bei Kindern häufig die Fähigkeit, Bilder inhaltlich zu erschließen, vorausgesetzt, aber tatsächlich muss auch diese Fähigkeit erst erworben werden. Insofern erscheinen referenzherstellende Akte in Bilderbuchvorlesesituationen doppelt relevant: sowohl für den Spracherwerb (inklusive Pragmatikerwerb) als auch für die Ausbildung der visual literacy.

      Lisa Porps stellt die Hypothese auf, dass Vokative Indikatoren für den Redehintergrund seien, so dass ihre Verwendung in Gesprächen zu textlosen Bilderbüchern das Kind bei der Identifikation verschiedener Akteure und ihrer Beziehungen unterstützen kann. Zunächst geht die Autorin auf den Begriff des Redehintergrunds ein, sowie auf den Erwerb der Fähigkeit, Redehintergründe situationsangemessen zu identifizieren. Dann stellt sie den Zusammenhang von Redehintergrund und Vokativ dar, um im Anschluss auf das Besondere an Vorlesesituationen mit textlosen Bilderbüchern in Bezug auf die Menge und Identifikation möglicher Redehintergründe einzugehen. Hier bezieht sie sich auf das Vorlesemodell nach Rothstein (2013), für welches sie eine Erweiterung vorschlägt, mit der sich auch textinterne Kommunikation berücksichtigen und sich das Modell auch auf textlose Bilderbücher anwenden lässt. Die Autorin stellt zwei Datenbeispiele aus Vorlesesituationen mit textlosen Bilderbüchern vor und analysiert die in diesen vorkommenden Verwendungen von Vokativen hinsichtlich deren angenommener Funktion, dem kindlichen Gesprächspartner die Identifikation der angemessenen Redehintergründe zu erleichtern.

      In den nächsten beiden Beiträgen geht es jeweils um den Zusammenhang von Kinderliteratur und der Ausbildung von Erzählfähigkeiten. In seinem Beitrag zeigt Benjamin Jakob Uhl, wie mithilfe textloser Bilderbücher eine konzeptionell schriftsprachlich geprägte Erzählfähigkeit bei Grundschulkindern angebahnt werden kann. Insbesondere macht der Autor auf das Potenzial der gemeinsamen Bilderbuchbetrachtung hinsichtlich der Gestaltung des Übergangs von prä- und paraliterarischer zu quasi-literarischer Kommunikation aufmerksam. Vor dem entsprechenden theoretischen Hintergrund argumentiert er dafür, dass Literalität und Literarität über das Nacherzählen textloser Bilderbücher vermittelt werden können. Er untermauert seine theoretische Argumentation mit Daten einer Vorlesesituation, in der ein Kind zunächst mit einem kompetenten Leser ein Bilderbuch betrachtet, während der kompetente Leser eine passende Begleitgeschichte vorliest. In den Daten zeigt sich, dass der kompetente Leser das Kind durch prä- und paraliterarische sowie quasi-literarische Kommunikationsangebote in das narrative Geschehen involviert. Im Anschluss an das Vorlesen erzählt das Kind die Geschichte nach. Dabei zeigt sich, dass das Kind sich an der soeben gehörten Begleitgeschichte inhaltlich und strukturell orientiert.

      Kern des Beitrags von Claudia Müller-Brauers und Friederike von Lehmden ist die Untersuchung sogenannter „Einpassungen“ sprachlicher Konstruktionen oder Wendungen durch Kinder, die diese aus Bilderbuchtexten kennen, in ihre eigenen Erzählungen. Dafür analysieren die Autorinnen Daten eines Kindes aus zwei Situationen, zum einen eine Situation des imitierenden Vorlesens, zum anderen eine Nacherzählsituation. Sie gehen den Fragen nach, wie sich solche Einpassungen erklären lassen und in welcher Relation Buchvorlage und Vorleseprozess dazu stehen. Dabei gehen sie theoriegeleitet bzw. ausgehend von bisherigen empirischen Erkenntnissen vor. Sie identifizieren Frequenz des Vorlesens, die jeweiligen sprachlichen und strukturellen Gegebenheiten des zugrundliegenden Bilderbuchs sowie spezifische Eigenschaften der Vorlesesituationen als mögliche Einflussgrößen. Auch die Frage, welche Rolle die Bilder im Bilderbuch spielen und inwieweit Kinder auch Bildeinpassungen in ihren Erzählungen vornehmen, werfen sie auf.

      Der letzte Beitrag in diesem Band zeigt, dass die Beziehung zwischen Pragmatikerwerb und Kinderliteratur auch eine historische Dimension hat. Sebastian Schmideler konzentriert sich auf die in historischen Texten vorfindlichen pragmatischen Phänomene und ordnet diese in den Zusammenhang der sich entwickelnden Kinderliteratur und -kultur ein. Der Autor nähert sich mittels einer exemplarischen Analyse historischer Kinderbücher der Beantwortung der Frage, welche Grundannahmen Kinderbuchautoren bezüglich der kognitiven und sprachlichen Fähigkeiten ihrer Leserschaft hatten und wie sich diese im Laufe der Zeit verändert haben. Es wird gezeigt, dass sich