Bernhard Kempen

Europarecht


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Vorschriften des BGB: Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) führt ein Verstoß gegen das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV zur Nichtigkeit des Vertrags gem. § 134 BGB, da Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV als Verbotsgesetz angesehen wird (BGH, NJW-RR 2008, 429, Rn. 34 ff.). Aufgrund der Nichtigkeit des Vertrags kann die beihilfengewährende Stelle auf dem Zivilrechtsweg nach den Regeln des Bereicherungsrechts der §§ 812 ff. BGB vorgehen. Die Regelungen des Bereicherungsrechts werden wiederum durch die unionsrechtlichen Regelungen überformt. Daher ist dem Beihilfeempfänger der Entreicherungseinwand abgeschnitten. Die §§ 818 Abs. 3, 817 S. 2 sowie 814 Alt. 1 BGB werden nicht angewendet.

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      Auch die Verjährung bereicherungsrechtlicher Ansprüche, die gem. §§ 195, 199 Abs. 1 BGB regelmäßig drei Jahre ab Schluss des Jahres des Entstehens des Anspruchs und der Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen und der Person des Schuldners eintritt, wird durch die unionsrechtlichen Beihilfenvorschriften im Zusammenhang mit Konkurrentenklagen überlagert. Zwar müssen Konkurrenten innerhalb der Verjährungsfrist Klage gegen die beihilfengewährende Stelle erheben, wobei aber dem Beihilfeempfänger der Einwand der Verjährung verwehrt ist, wenn die beihilfengewährende Stelle innerhalb von drei Monaten nach Abschluss der Konkurrentenklage die Rückforderung vor den Zivilgerichten geltend macht.

      cc) Rückforderung bei öffentlich-rechtlichen Verträgen

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      Im Falle eines Rückforderungsbeschlusses durch die Kommission liegt in der Regel Nichtigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrags gem. § 59 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 134 BGB vor. Eine Nichtigkeit aufgrund Verbotsgesetzes kommt allerdings nur bei einem qualifizierten Rechtsverstoß in Betracht, welcher aber in der Verletzung des Durchführungsverbots als zwingender Regelung zu sehen ist. Geltend gemacht wird die Rückforderung mittels des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs im Wege der allgemeinen Leistungsklage. Die Ausführungen zu privatrechtlichen Verträgen gelten entsprechend.

      dd) Vorläufige Maßnahmen

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      Die mitgliedstaatlichen Stellen sind dazu verpflichtet, auch alle vorläufigen Maßnahmen zu ergreifen, die die sofortige und tatsächliche Vollziehung eines Rückforderungsbeschlusses der Kommission ermöglichen. Im Rahmen einer Rückforderung nach Rücknahme gem. § 48 VwVfG ist daher die sofortige Vollziehung der Rückforderungsverfügung gem. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO anzuordnen.

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      Des Weiteren sind Gerichte im Zusammenhang mit Konkurrentenklagen dazu angehalten, einstweilige Maßnahmen zum Schutz des klagenden Wettbewerbers zu treffen. Als Maßnahmen kommen die einstweilige Rückforderung der Beihilfe sowie die Einzahlung der Beihilfe auf ein Sperrkonto in Betracht.

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      Der Verpflichtung zur Rückforderung unionsrechtswidriger Beihilfen sind nur wenige Grenzen gesetzt. Gem. Art. 16 Abs. 1 S. 2 BeihVerfVO verlangt die Kommission die Rückforderung der Beihilfe dann nicht, wenn dies gegen allgemeine Grundsätze des Unionsrechts verstoßen würde. Auch nationale Gerichte müssen allgemeine Unionsgrundsätze in Rückforderungsverfahren berücksichtigen. Einziger bislang durch den EuGH (Urt. v. 27.6.2000, C-404/97 – EPAC –, Rn. 52 f.) anerkannter Unionsgrundsatz ist die objektive Unmöglichkeit der Rückforderung. Eine rein rechtliche Unmöglichkeit der Rückforderung genügt hingegen nicht. Auch die wirtschaftliche Unmöglichkeit, bspw. wegen Insolvenz des Beihilfeempfängers, steht der Rückforderung grundsätzlich nicht entgegen. Von einer absoluten Unmöglichkeit ist aber etwa dann auszugehen, wenn bereits die Liquidation des Vermögens des Beihilfeempfängers erfolgt ist. Neben dem Grundsatz der Unmöglichkeit kommt der Grundsatz des → Vertrauensschutzes als Rückforderungsgrenze allenfalls dann in Betracht, wenn das Vertrauen des Mitgliedstaates auf die Rechtmäßigkeit der Beihilfe durch eine unanfechtbare Entscheidung der Kommission begründet ist. Das Vertrauen des Beihilfeempfängers spielt als Grenze der Rückforderung keine Rolle. Von diesem wird vielmehr verlangt, dass er nach Maßstab eines gewissenhaften Gewerbetreibenden vor der Gewährung der Beihilfe bei der Kommission bezüglich deren Rechtmäßigkeit Erkundigungen einholt. Es verdient zudem keinen Vertrauensschutz, dass der Beihilfeempfänger einen ihm vom Staat ohne wirtschaftlich entsprechende Gegenleistung erbrachten Vorteil behalten darf. In zeitlicher Hinsicht sieht Art. 17 Abs. 1 BeihVerfVO für Rückforderungsbeschlüsse der Kommission eine Verjährungsfrist von zehn Jahren vor, beginnend mit der Gewährung der rechtswidrigen Beihilfe.

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      Nationale Behörden und Gerichte sind allerdings dann nicht zu einer Rückforderung bzw. zu einer entsprechenden Verurteilung wegen Verstoßes gegen das Durchführungsverbot verpflichtet, wenn zwischenzeitlich durch Kommissionsbeschluss die materielle Rechtmäßigkeit der Beihilfe bestätigt wurde. In diesem Falle zwingt die bloß formelle Rechtswidrigkeit nicht zur Rückforderung durch nationale Gerichte, wobei Zinsen für die verfrüht gewährte Beihilfe allerdings zu fordern sind.

      B › Beistandsfall (Peter Dreist)

      I.Einleitung356, 357

      II.NATO-Bündnisklausel358 – 360

      III.EU-Beistandsklausel361 – 373

       1.Allgemeines361, 362

       2.Bewaffneter Angriff363 – 373

       a)Angriffe von Privatpersonen364 – 367

       b)Ausgang der Angriffe vom Zielstaat368, 369

       c)Zurechnung zu einem Staat370, 371

       d)Tragfähiges Ergebnis372, 373

      IV.Solidaritätsklausel, Art. 222 AEUV374

      V.EU als System gegenseitiger kollektiver Sicherheit375 – 377

      VI.Einsatzregeln378

      Lit.:

      A.