Karolin Freund

Der Theatermonolog in den Schauspielen von Hans Sachs und die Literarisierung des Fastnachtspiels


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wollte keine Übersetzungen antiker Dramen leisten, weshalb er, ähnlich wie Sachs, die Handlung nicht nur christianisierte, sondern auch antike Namen, Sprichwörter und Amtsbezeichnungen durch frühneuzeitliche ersetzte.11

      Mit dem Spiegel der Sitten und Neidharts Übersetzung und Kommentierung des Eunuchus liegen zwei Texte vor, die Sachs als Vorlage nutzte und in denen sich theoretische Ausführungen zum Aufbau der Komödie finden. Beide schließen aus der Etymologie auf das Personal der Komödie, wenngleich Eyb daraus eine Ständeklausel ableitet und die Struktur weniger ausführlich als Neidhart beschreibt: Am Beginn und in der Mitte ist sie traurig und zum Ende wendet sie sich ins Positive. Stuplich bemerkt dazu: „Der didaktische Nutzen der Komödie liegt nun darin, daß diese ‚widerwertikait‘ und die ‚verkerten sitten der menschen‘ spielerisch entlarvt und damit angeprangert werden.“12

      Der von Eyb ins Deutsche übertragene Plautus ist neben Terenz der zweite wichtige Dichter der Palliata, wenngleich er hinter diesem – vor allem im Schulunterricht – weit zurückstand. Auch für Sachs, der eine der vier Nürnberger Lateinschulen von 1501–1509 besucht hat, dürfte Terenz schon im Schulunterricht präsent gewesen sein.13 So könnte er, wenn auch nicht explizit Dramentechniken, zumindest Latein mit Dramen von Terenz erlernt haben.14

      1.2 Tragödie

      In Evanthius’ Abhandlung De Fabula, die bis ins 16. Jahrhundert als ein Teil von Donats De Comedia galt, gibt es bereits eine unscharfe Charakterisierung der Tragödie in Abgrenzung zur Komödie,1 die in dieser Form, wie Mitschriften von Studenten zeigen, im Heidelberger Poetikunterricht gelehrt wurde:

      Der Unterschied zwischen der Tragödie und der Komödie besteht unter anderem v.a. darin, dass in der Komödie die Schicksale der Menschen unbedeutend, die Gefahren, denen sie begegnen, gering und die Ausgänge der Handlungen glücklich sind; in der Tragödie aber ist alles entgegengesetzt: da gibt es berühmte Persönlichkeiten, große Schrecken und tödliche Ausgänge. Dort beginnt es stürmisch und endet schließlich ruhig, in der Tragödie nehmen die Geschehnisse den entgegengesetzten Verlauf; außerdem gilt, dass in der Tragödie das zu meidende Leben zum Ausdruck gebracht wird, in der Komödie das erstrebenswerte, und schließlich, dass es in der Komödie stets um Fiktives geht, während die Tragödie oft bezüglich der Geschichte für glaubwürdig angesehen wird.2

      Der Unterschied zwischen Komödie und Tragödie liegt demnach im unterschiedlichen Ausgang, in der Trennung zwischen Fiktivität und Wahrheit und im unterschiedlichen Stand des Dramenpersonals.

      Als einer der ersten deutschen Humanisten äußerte sich Konrad Celtis 1486 in seiner Ars versificandi zur Tragödie. Darin betont er „das moralisch-didaktische, aber auch das rhetorische Element der Tragödien und […] empfiehlt jungen Dramatikern Senecas Tragödien zur Nachahmung“.3 Sein Ziel ist es dabei, neben der weitaus erfolgreicheren Komödie, die Tragödie – und das heißt vor allem die Tragödien Senecas – als Literaturgattung wieder zu etablieren, weil sie Regeln vorgeben, wie Staatsdiener zu leben haben: „sie stellen die Gesamtheit der wichtigsten Regeln für das Leben eines Fürsten dar, und zwar in Form von sehr eindrücklichen Verboten und Lastern.“4

      Cora Dietls Untersuchung der neulateinischen Dramendichter Jakob Wimpheling, Joseph Grünpeck, Heinrich Bebel, Konrad Celtis, Johannes Reuchlin und Jacob Locher zeigt, wie heterogen die neulateinischen Dramen sind.5 Einerseits finden sich unter ihnen Rezitationsdramen, die dem Prosadialog ähneln, andererseits können Tragödien bspw. zu Festspielen in Herrscherlob münden. Nur Reuchlins Scaenica progymnasmata stellt eine Ausnahme dar. Seine Komödie ist

      „ein dramaturgisch straff durchgearbeiteter, dem klassischen Handlungslauf folgender jambischer Fünf-Akter mit Choreinlagen und geregelten Auf- und Abtritten, der ideal auf einer Terenzbühne aufgeführt werden kann und sich an die Ständeklausel hält.“6

      2 Gattungsverständnis von Hans Sachs

      Als Sachs 1527 seine erste Tragedi schrieb, konnte er sich nur bedingt auf eine nachahmbare Dramenform stützen,1 kannte aber mit den Kommentierungen von Donat und Albrecht von Eyb die für die humanistischen Dramatiker wichtigsten theoretischen Ausführungen zur Komödie. Wenngleich Kontakte von Sachs zu Nürnberger Humanisten nicht nachweisbar sind,2 kann doch von einem mit ihnen gemeinsamen „Wertekanon“3 gesprochen werden. Das Bild, wie Sachs gesehen werden wollte, macht durchaus seinen Bezug auf die Antike deutlich: In einem Holzschnitt-Portrait von 1545 mit beigefügtem lateinischen Verstext steht er mit Dichtern wie Ovid und Vergil in einer Reihe; im Spruchgedicht Ein Gesprech, die neun Gab Muse oder Kunstgöttin betreffend4 von 1536 stellt er sich als von Musen begnadet dar.5 In diesem Text erscheinen dem jungen Sachs im Traum die neun griechischen Musen, die, von Apollo und Pallas beauftragt, Dichter für ihre Kunst suchen. Mit Apollo nimmt Sachs in gleicher Weise Bezug auf die antiken ‚Auftraggeber‘ für sein literarisches Schaffen wie schon Celtis 1486 in Ode ad Apollinem repertorem poetices: ut ab Italis cum lyra ad Germanos veniat und 1492 in seiner Ingolstädter Rede Oratio habita in gymnasio in Ingelstadio publice recitata.6 Der Unterschied zu Celtis liegt jedoch in der Sprache: Während dieser auf Latein dichtete, wendete Sachs, von den Musen beauftragt, sich nicht nur der „teutschen poeterey“ zu,7 sondern, wie Bernstein bemerkt, stellte er sich zugleich „selbstbewußt in eine illustre Reihe griechischer, römischer und deutscher Dichter.“8 Der Rückgriff auf antike Autoritäten ist insbesondere im Dialog zwischen dem „jüngling“ und der Muse Clio sichtbar. Diese unterbreitet jenem das Angebot, die gleiche poetische Kompetenz zu erlangen, wie sie zuvor schon griechische, lateinische und auch deutsche Dichter von den Musen zugesprochen bekommen haben:

Ich bin, ein jüngling bey zweintzig jarn,
Der poetery gantz unerfarn,
135 Hab keiner kunst mich angenommen.
Die poeten von himel kommen,
Wie von in sagt Ovidius.
Deshalb ich mich verzeihen muß
Der kunst. Gott danck euch aller ehren!
[…]
Mir wider-rufft die göttin wech
145 Und sprach: O jüngeling, ob dir
Haben ein groß mitleyden wir.
Wiltu, so wöll wir dich begaben
Mit den neun gaben, die wir haben,
Darmit wir vor begaben thetten
150 Griechisch und lateinisch poeten,
Dergleich vil teutscher im Teutschlandt.

      Zusätzlich nennt Sachs Gattungen9, die er bearbeitet bzw. deren Neufassung ihm in jungen Jahren die Göttin Clio aufgetragen haben soll:

Die göttin sach mich freundtlich on
Und sprach: O jüngling, dein dienst sey,
Das dich auff teutsch poeterey
Ergebst durch-auß dein leben lang,
110 Nemblichen auff meistergesang,
Darinn