Karolin Freund

Der Theatermonolog in den Schauspielen von Hans Sachs und die Literarisierung des Fastnachtspiels


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160 Mit jr Meyd stets fispert vnd lechelt. Mich duͤnckt, sie sey deß rechten flugs, Sie wird geleich seyn meines fugs, Ich wil sie kecklich reden an.

      Dieser Zutrittsmonolog bietet mit einer ausführlichen Teichoskopie eine Charakterisierung der bereits aufgetretenen Figur. Die wortreiche Darstellung erscheint zunächst retardierend, da die Beschriebene selbst vor wenigen Augenblicken auf der Bühne zu sehen war. In die Beschreibung ist jedoch eine Fremdcharakterisierung eingewoben: Die Kupplerin vermutet, das geeignete Opfer gefunden zu haben, denn jene Frau habe sich so herausgeputzt, weil sie auf dem „Finkenstrich“ (v. 154) sei – also nach Männern Ausschau halte. Auch ihr Verhalten zeige, dass sie „rechten flugs“ (v. 161) sei. Nicht zuletzt scheint es sich um eine hinreichend vermögende Frau zu handeln. Der Entschluss, die Frau anzusprechen, scheint auseichend begründet.

      Der Monolog kommentiert und deckt bisher nicht bekannte mögliche Absichten auf. Zudem bringt er die Handlung begründend voran. Der parallele Aufbau beim Finden der ‚Auserwählten‘ stellt einerseits den Rückbezug zum Domherrn her und macht andererseits den Unterschied zu diesem deutlich. Denn im Gegensatz zum Domherrn, der in seinem Auftrittsmonolog seine Absicht enthüllt hat, ist es in diesem Monolog die Kupplerin, die der Frau aufgrund ihres Auftretens eine Absicht unterstellt.

      Am Ende der zweiten Szene geht der Domherr mit den Worten „Ich will zu Hauß zu dem Fruessen“ (v. 128) von der Bühne. Der Auftrittsmonolog der fünften Szene (vv. 213–218) stellt über die Analepse die Verbindung zum erwähnten Frühstück her und verknüpft dadurch die beiden Monologe miteinander:

Ich hab das Morgenmahl eingnommen,
Bin wider her in den Thumb kommen
215 Vnd wil da auff dem platze schawen,
Ob mir von der zart schoͤnen Frawen
Die Alt brecht etwann gute Mehr.
Dort kombt sie eben gleich daher.

      Dem semantischen Anschluss an das Frühstück fügt Sachs eine Prolepse an, die mit der Bekundung, auf Nachricht von der Kupplerin zu warten, in den folgenden Dialog überleitet. Die wesentliche Funktion ist indes technisch bedingt, da der Zeitverlauf und der Ortswechsel zum Dom vermittelt werden müssen. Zudem bleibt über die zeitliche Klammer und die Wiederholung der grundlegenden Motivation des Domherrn die Handlungssituation der Figur über die bisherigen Orts- und Szenenwechsel erhalten. Aus dieser figurenspezifischen Perspektive heraus wird der Blick auf die bald auftretende Person gerichtet.

      Die dadurch gewährleistete Konstanz der Figurenperspektive erfährt einen umso stärkeren Bruch, wenn der Domherr im folgenden Dialog der Kupplerin eine Absage erteilt. Es ist auffällig, dass Sachs den Auftrittsmonolog nicht dazu nutzt, die zeitliche Verhinderung darzustellen, die dem Domherrn bereits bekannt sein müsste. Mit Blick auf die Vorlage wäre es eine denkbare Möglichkeit, den Auftritt des Boten zu streichen und den dadurch frei gewordenen Inhalt in den Monolog zu übernehmen. Sachs jedoch verankert diese Information im Dialog mit der Kupplerin. Das überraschende Moment, das sich daraus für die Wahrnehmung der Figur Domherr ergibt, fängt er mit dessen bedauernden Worten vor seinem endgültigen Abgang ab. Auch sie sind also nicht als Monolog geformt.

      Grund dieser dramaturgischen Ausgestaltung könnte sein, dass Sachs erstens die enge zeitliche Abfolge der Vorlage beibehalten wollte. Dass das Zusammentreffen mit der Frau so rasch zu erfolgen habe, scheint der Domherr nicht vermutet zu haben. Ebenso wie sein Alter Ego in der Vorlage kann er jedoch einen Auftrag des Bischofs nicht aufschieben. Zweitens verlagert Sachs den sich aus der Absage ergebenden Konflikt ganz auf die Figur der Kupplerin. Indem er dafür auf den Dialog zurückgreift, findet sie sich direkt in einer völlig veränderten Situation wieder. Damit entscheidet sich Sachs drittens gegen eine berichtsmäßige Informationsvergabe im Monolog und folglich gegen einen Wissensvorsprung der Rezipienten vor der Kupplerin. Stattdessen schafft er Parallelität von innerem und äußerem System für die Informationsvergabe und den größtmöglichen Effekt für die Peripetie. Obwohl damit die Vorlage hier eine Möglichkeit für die Verwendung des Monologs eröffnet, hat sich Sachs an dieser Stelle gegen eine Informationsvermittlung von Figurenwissen in dieser Form entschieden.

      Am Ende der fünften Szene (vv. 241–248) bringt ein Abgangsmonolog den Ärger der Kupplerin zum Ausdruck, einen neuen Mann finden zu müssen:

Potz Leber Huͤnr, wo muß ich nauß?
Die Fraw wart daheim in meim Hauß,
Vnd wo ich kein Mann zu jr bring,
Wird ich vbel bstehn aller ding.
245 Ich wil nach eim andern umbschawen,
Denselben bring ich zu der Frawen,
Auff daß mit ehren ich besteh
Vnd mein handel von statten geh.

      Mittels Affektdarstellung und raschem Entschluss nach kurzer Reflexion kommt es zur Tempoverschärfung im Spiel. Der Monolog findet sich an einer Stelle, an der die Situationsveränderung eine intentionale Reaktion der Figur erfordert. Er verstärkt so die Spannung hinsichtlich des kommenden Handlungsverlaufs.

      Zu Beginn der sechsten Szene tritt der interessierte, angebliche neue Mann monologisierend auf (vv. 249–258). In Wahrheit ist es der Ehemann, der seine Frau sucht. Die ersten beiden Verse identifizieren die Figur:

Mein Fraw die ist heut gen marck gangen
250 Mit jrer Meyd, vnd thun vmbprangen.
Nun hat die Vhr schon neun geschlagen,
Wo thun sien tag im korb vmbtragen?
Ich meyn, sie hab der Teuffel hin,
Biß her ich noch vngessen bin,
255 Vnd ist noch kein funck Fewrs im Hauß,
Bin gleich vor zorn gelauffen auß;
Ich wil jr den Peter puff singen,
Thu ich sie heym zu Hause bringen.

      Mit dem Dialog zwischen der Frau und der Magd, der einzig den Einkauf zum Thema hatte, sowie die ausführliche Beschreibung der Frau durch die Kupplerin stellt Sachs sicher, dass an dieser Stelle eine kurze Replik zur Identifikation der Figur ausreicht. Die analeptische Konstruktion über die verstrichene Zeit unterstützt diesen Ansatz. In logischer Folge wird deutlich, warum die Kupplerin den Ehemann trifft. Das in der Vorlage allein vom