Karolin Freund

Der Theatermonolog in den Schauspielen von Hans Sachs und die Literarisierung des Fastnachtspiels


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alone. It is a kind of talking to oneself, not intended to affect others.9

      Monolog als soliloquy ist das Konzept, welches der weiteren Darstellung zugrunde liegt. Ihm entspricht der Monologtyp self-addressed speech, den Hirsh wie folgt bestimmt: „The character is unaware of playgoers and speaks only to himself.“10 Voraussetzung für einen solchen Monolog im Drama ist die unausgesprochene Übereinkunft zwischen Rezipient und Autor, dass einerseits eine Dramenfigur laut denkt und dabei mit sich selbst spricht, andererseits solches Verhalten nicht pathologisch ist. Der Monolog ist folglich eine theatrale Konvention, deren Darstellungs- und Verständnisweisen bei Autor, Darsteller und Publikum vorausgesetzt werden müssen.11 Die Konvention erhält ihre Berechtigung aus den zu erfüllenden Funktionen, die in narrativen Texten das vermittelnde Kommunikationssystem des Erzählers übernimmt, während das Drama auf Figuren als sprechende Subjekte rekurriert: „Daher kann der Monolog als eine Konvention betrachtet werden, die die Abwesenheit dieses vermittelnden Kommunikationssystems im Drama kompensieren soll.“12

      Als vorgängige Konvention des Dramas ist der Monolog Teil der Codes im äußeren, sekundären Kommunikationssystem, die die Kommunikation zwischen Autor und Rezipient bzw. zwischen Bühne und Publikum regeln. Das Selbstgespräch oder ‚laute Denken‘ der Figuren eines Dramas kann jedoch in Ausnahmefällen auch Teil der Informationsvergabe im inneren Kommunikationssystem, zwischen den dramatis personae, sein, etwa als Form des ‚belauschten‘ Monologs. Im Kern stellt jedoch auch diese Form ein Selbstgespräch dar, für das die Einsamkeit des Sprechers angenommen wird und das grundsätzlich nicht an andere gerichtet ist.13

      Für alle Monologe gilt die Annahme: Je mehr die referentielle Funktion einer narrativen Rede im äußeren Kommunikationssystem angesiedelt ist und je weniger die Rede in der inneren Spielebene motiviert erscheint, desto stärker baut sich eine epische Vermittlungsebene auf und desto intensiver empfindet sich das Publikum als primärer Rezipient der Rede.14 So dienen bestimmte Monologtypen mehr noch als andere der Informationsvermittlung und können als ‚dramentechnische‘ Konventionen gelten, etwa zur Stückeröffnung oder der Präsentation einer ‚verdeckten Handlung‘. Grundsätzlich aber sind auch sie im inneren Kommunikationssystem verankert.

      Daneben lassen sich alle Selbstgespräche mit Pfister in aktionale und nicht-aktionale Monologe differenzieren. Sein Vorschlag einer Dichotomisierung als Ansatz zur Klassifizierung erfolgt in Bezug auf Handlung und Situation. Das Differenzkriterium ist dabei die Relation von Rede und Handlung. „In einem aktionalen Monolog vollzieht sich im Sprechen Handlung als Situationsveränderung“,15 dies kann zum Beispiel das Entscheiden zwischen Handlungsalternativen oder auch die Aufhebung einer getroffenen Entscheidung sein.

      Aktionale Monologe haben die jeweilige dramatische Situation als Ausgangspunkt der Rede und entwickeln eine Handlungsankündigung oder Handlungsvorwegnahme. Dem gegenüber stehen Monologe, die in der Rede die gerade erreichte dramatische Situation thematisieren. Nicht-aktionale Monologe vermitteln zwar Handlung, in ihnen vollzieht sich diese indes nicht unmittelbar.16 Untergliedert werden müssen die nicht-aktionalen Monologe in kommentierende und informierende:

      Sie unterscheiden sich durch ihren unterschiedlichen Handlungsbezug, indem in informierenden Monologen dem Zuschauer Handlungen und Sachverhalte erst zur Kenntnis gebracht, während in kommentierenden Monologen eine dem Zuschauer bereits bekannte Handlung in figurenperspektivlicher Brechung gespiegelt wird.17

      Diese grundlegende Unterscheidung betrifft die textuelle, vom Autor intendierte Anlage von Monologen und nicht nur die bisher in den Mittelpunkt gerückten adressatenspezifischen, sondern auch inhaltsbezogenen Typisierungen. Insbesondere der nicht-aktionale Charakter ermöglicht es, ein eigentlich im Drama nicht vorhandenes vermittelndes Kommunikationssystem entstehen zu lassen. Es baut sich auf, „sobald die Reflexion und der Kommentar von der gegebenen dramatischen Funktion weitgehend abstrahieren und zur allgemeingültigen Maxime oder Sentenz gerinnen, oder wenn Reflexion und Kommentar den Bewusstseinsstand der Figur überschreiten.“18 Nicht-aktionale Monologe bieten dem Autor die Möglichkeit, nicht im Drama situierte Inhalte zu kommunizieren, möglicherweise gerade mittels der dem Monolog per Konvention ‚erlaubten‘ und funktional begründbaren epischen Formen der Rede.

      In der Auseinandersetzung mit den funktionalen Bezügen finden sich verschiedenste Formen der begrifflichen Klassifikation, wie sie in der folgenden Typologie vorgestellt werden. Alle diese Ansätze einer Klassifikation von Monologen betonen die inhaltstragende Seite der Rede. Jedoch überlagern sich Information, Kommentar und Handlungsvollzug in je eigener Weise. Die Spezifik der situativen Einbettung kann zudem von ‚technischen‘, d.h. strukturell-gliedernden Funktionen des Monologs bestimmt oder mitbestimmt sein und ist daher bei jedem Monolog mit zu bedenken.19

      2.1 Typologie

      Die Arbeiten von Fernau, Krause und Stuplich haben gezeigt, dass das Ordnen und Kategorisieren von Monologen dort seine Grenze findet, wo eine einzige Zuschreibung alle Merkmale eines Monologs enthalten soll.1 Pfisters Unterteilung in aktionale und nicht-aktionale Monologe ist dieser Unschärfe geschuldet und ist als Einordnung hilfreich. Sie umgeht das Problem insoweit, als hier die Einteilung der Monologe nicht mit Blick auf ihren Inhalt, sondern auf ihre Funktion hin erfolgt. Damit erfasst sie, vom Expositionsmonolog abgesehen, jede Monologform sowohl im szenischen Gefüge und als auch in Bezug auf die Handlung.

      Um alle Bereiche der Funktionen abdecken zu können, muss die kategoriale Ordnung auf unterschiedlichen Ebenen erfolgen. Eine erste Ebene betrifft die Position im szenischen Gefüge. Dem Monolog kommt hier eine strukturell-gliedernde Funktion zu. Sie ist nicht handlungsbezogen, sondern erfasst die Gesamtstruktur bzw. die Szenen und Akte der Schauspiele und Fastnachtspiele, weshalb für sie auch keine Beispiele angegeben werden können. Gleichwohl ermöglicht dieses Klassifizierungsschema einen ersten Überblick über die Verteilung und Positionierung.

      Neben die strukturell-gliedernden treten handlungsbezogene Funktionen, die figurenspezifisch und auf der Ebene von Raum und Zeit zu klassifizieren sind. Auf der Ebene von Raum und Zeit sind es Funktionen, die nach dem Schema Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft den Stand der Handlung in Beziehung zu Zeit und Raum setzen.2

      Tabellarischer Überblick:

strukturell-gliedernde Funktionen handlungsbezogene Funktionen
Zeit und Ort Figur
Auftritt-Abgangs-Monolog Zukunft/proleptisch zukunftsungewiss zukunftsgewiss Entschluss
Auftrittsmonolog Zutrittsmonolog Expositionsmonolog Vergangenheit/ analeptisch Zeitsprung Enthüllung
Abgangsmonolog Gegenwart Teichoskopie Reflexion