Karolin Freund

Der Theatermonolog in den Schauspielen von Hans Sachs und die Literarisierung des Fastnachtspiels


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Ort Ortswechsel Selbstcharakterisierung Fremdcharakterisierung Affektdarstellung

      2.1.1 Strukturell-gliedernde Funktionen

      Das Klassifizierungsschema für die funktionale Einordnung im szenischen Gefüge, nach dem eine vollständige Zuordnung aller Monologe stattfinden kann, geht grundlegend auf die Arbeit von Bruno Denzler Der Monolog bei Terenz zurück. Denzler benennt für die Differenzierung der Monologe im szenischen Gefüge fünf Monologtypen: Auftritt-Abgangs-Monolog, Auftritts-Monolog, Abgangs-Monolog, Übergangs-Monolog und Zutritts-Monolog.1 Stuplich wählt einen ähnlichen Ansatz und unterteilt die Monologe nach Eingangsmonolog bzw. einleitendem Monolog, abschließendem Monolog, Überleitungsmonolog, Überbrückungsmonolog und Monolog als eigene Szene.2 Diese Arbeit folgt den Klassifizierungsschemata von Denzler und Stuplich weitestgehend.

      Betritt eine Figur allein die Bühne und verlässt diese wieder, nachdem sie ihren Monolog gesprochen hat, handelt es sich um einen Auftritt-Abgangs-Monolog. Durch die Abgrenzung nach beiden Seiten mit einer leeren Bühne bildet er eine eigenständige Szene und ist „für den Zuschauer deutlich als selbständige Handlungseinheit erkennbar“.3 Nachweisbar ist er in den Fastnachtspielen 66 und in den Schauspielen 113 Mal. Er dient häufig zur Darstellung eines Zeitsprungs oder eines für den Handlungsverlauf wichtigen, aber ohne Vollzug bleibenden Entschlusses. Wesentliches Merkmal des Auftritt-Abgangs-Monologs ist darum sein nicht-aktionaler Charakter.

      Der Auftrittsmonolog stellt im szenischen Gefüge einen weniger starken Bruch dar als der Auftritt-Abgangs-Monolog, weil er nicht nach beiden Seiten abgetrennt ist, sondern in einen Dialog übergehen kann. Er dient bevorzugt der Präsentation eher „undramatisch“4 gehaltener Inhalte und eignet sich darum besonders gut für Berichte.5

      Sachs lässt 30 Fastnachtspiele mit Monologen beginnen, die in der Regel expositorische Funktionen haben und in die Situation und Handlung einführen. Dieser Umstand rechtfertigt es, hier vom Expositionsmonolog zu sprechen. Zu beachten ist dabei jedoch, dass der Monolog „nie allein die Funktion der Exposition [erfüllt]. Das heißt umgekehrt, die Exposition besteht nie nur aus einem Monolog.“6

      Daneben finden sich die Auftrittsmonologe zu Beginn eines Aktes oder einer Szene. Sie bieten die Möglichkeit, in Form einer Fremd- oder Selbstcharakterisierung neue Figuren einzuführen, in Form eines analeptischen Berichtes dramaturgisch relevante Informationen zu übermitteln, den Schauplatz zu etablieren oder einen Zeitsprung zu signalisieren.7 Im Fastnachtspiel bildet der Auftrittsmonolog die mit 146 Nachweisen am häufigsten zu findende Monologart. Gleiches gilt für die Tragedis und Comedis, in denen Sachs 401 Auftrittsmonologe integriert. Im Vergleich zu den Fastnachtspielen beginnen weniger Schauspiele mit Monologen: Von den insgesamt 128 sind es 35 mit Monolog am Beginn.8 Dies liegt möglicherweise am vorangehenden Prolog, dessen narrativer Gehalt eine Exposition mittels Monolog weniger notwendig macht als im Fastnachtspiel.

      Eine Variante des Auftrittsmonologs ist der Zutrittsmonolog. Die monologisierende Figur betritt die Bühne, auf der sich bereits eine Figur befindet. Die monologisierende Figur sieht in den meisten Fällen die andere Figur, wird selbst jedoch nicht bemerkt. Sachs verwendet diesen Monologtyp relativ selten. Die Mehrzahl hat Sachs aufrund der antiken und neulateinischen Dramenvorlagen in seine Schauspiele integriert. Während die Tragedis und Comedis 32 Zutrittsmonologe aufweisen, sind im Fastnachtspielkorpus lediglich 9 zu finden. Davon sind drei im Fastnachtspiel G 57, das auf einer Fastnachtspielvorlage beruht und im Anschluss analysiert werden soll, eingesetzt.9

      Der Abgangsmonolog bildet das Ende einer Szene oder das Ende des Fastnachtspiels, das, anders als die Schauspiele ohne Epilog endet. Der das Fastnachtspiel beschließende Monolog ist jedoch einem Epilog ähnlich, indem er in einigen Fällen das Publikum mit einbezieht, häufig mit Lehren aufwartet und in jedem Fall die Autorschaft von Sachs benennt. Anders als in den Schauspielen spricht den epiloghaften Abgangsmonolog immer ein Figur des Fastnachtspiels und nicht der Herold.

      Der Monologtyp Abgangsmonolog, der nicht das Fastnachtspiel beschließt, entsteht durch das vorzeitige Verlassen des Dialogpartners bzw. anderer Figuren. Der Monologisierende bleibt allein auf der Bühne zurück und beendet somit die Szene.10 Der Abgangsmonolog fügt sich in den szenischen Fluss gut ein, weil er sich inhaltlich an das zuvor geführte Gespräch anschließt.11 Das Verhältnis der Anzahl von Abgangsmonologen in den Fastnachtspielen und Schauspielen ist ähnlich dem Verhältnis von Auftrittsmonologen: In den Fastnachtspielen lassen sich 65 und in den Schauspielen 133 Abgangsmonologe finden, die damit weitaus weniger verwendet werden als die Auftrittsmonologe.12

      Eine weitere eigenständige strukturelle Funktion von Monologen ist die Überbrückung, die 70 Mal in Fastnachtspielen und 138 Mal in Schauspielen nachgewiesen werden kann. Der Überbrückungsmonolog „ist ein beidseitig verhaktes, gelenkartiges Überbrückungselement zur Ermöglichung durchgehender Bühnenhandlung“.13 Stuplich unterscheidet zwei Typen von überleitenden Monologen: Zum einen spricht sie von ‚Überleitungsmonologen‘, wenn Monologe am Ende einer Szene stehen und auf die nächste vorbereiten. Zum anderen führt sie den Terminus ‚Überbrückungsmonolog‘ für Monologe ein, die im Inneren einer Szene angesiedelt sind und die rein technisch motiviert sein sollen: Der Zurückbleibende sei zum Monolog gezwungen, bis sein Gesprächspartner wieder zurück sei.14 Die Unterscheidung der beiden Monologtypen durch Stuplich trifft zwar zu, wird aber nicht benötigt. Wenn sich ein Monolog am Ende einer Szene befindet und es sich um seine Klassifizierung im szenischen Gefüge handelt, ist er ein Abgangsmonolog. Seine überleitende Funktion kommt entsprechend auf der handlungsbezogenen Ebene zum Tragen. Bei den von Stuplich als Überbrückungsmonologe bezeichneten Typen handelt es sich hingegen um strukturell-gliedernde Monologe, weil in der Regel ein von Stuplich als Überbrückungsmonolog bezeichnetes Selbstgespräch thematisch-inhaltlich an den vorhergehenden Dialog anschließt, zugleich aber in einen neuen Szenengehalt einführt. Wenn der Dialogpartner des Monologisierenden abtritt, um verdeckt im Off eine Handlung zu vollziehen und im Anschluss an den Monolog wieder aufzutreten, leitet der Monolog nicht in eine neue Szene über, sondern überbrückt den Abgang des Dialogpartners.

      Eine Sonderform des Überbrückungsmonologes ist die simultane Variante. Im Simultanmonolog „monologisiert ein Sprecher ohne direkten Adressaten, aber in Anwesenheit anderer Spieler, ohne jedoch von diesen registriert zu werden“,15 d.h. der Monologisierende befindet sich nicht allein auf der Bühne. Im Fall des Zutritts zu Beginn der Szene kann der Zutrittsmonolog darum auch als simultane Monologform gewertet werden. Seine Stellung im Szenengefüge spricht jedoch eher dafür, ihn als gesonderte Form des Auftrittsmonologs zu klassifizieren. Während der Simultanmonolog in den Schauspielen 25 Mal vertreten ist, findet er sich in den Fastnachtspielen nur 2 Mal.

      2.1.2 Handlungsbezogene Funktionen

      Die handlungsbezogenen Funktionen, die Zeit und Ort zum Gegenstand haben, sind an dem auf strukturellen Prinzipien basierenden Ansatz von Manfred Pfister, erweitert um die Terminologie von Gérard Genette1, orientiert. Zusätzlich ist es notwendig, das auf figurenspezifische Funktionen orientierte Klassifizierungsschema von Fernau heranzuziehen, um ein rein auf den jeweiligen Monolog ausgerichtetes Begriffsinventar bereitzustellen, das ohne den Blick auf die dramaturgische Konstruktion auskommt.

      Ein strukturalistisches Kategoriensystem, das die Differenzierung entlang der Achse aktional – nichtaktional und, davon abhängig, Information – Kommentar ermöglicht, bietet sich für die orts-