TM Smith

Hide and Seek


Скачать книгу

ausgeschlafen hat. Wir sehen uns.«

      Die Nachricht endete. Er warf das Handy auf den Lehnstuhl in Matties Büro und griff nach seiner Jeans, die fein säuberlich gefaltet über der Lehne des Schreibtischstuhls lag.

      Es dauerte nicht einmal fünf Minuten, bis er angezogen, die Treppe nach unten gestürmt, zu seinem Pick-up gerannt und losgefahren war. Sobald er den Schlüssel im Zündschloss gedreht hatte, hörte er die nächste Sprachnachricht ab.

      »Ich wollte dich wissen lassen, dass David aufgewacht ist. Er ist jetzt viel ruhiger. Im Moment hat er noch mit den Nachwirkungen von dem Mittel zu kämpfen, das Megan ihm gegeben hat, und er fragt nach dir, also hoffe ich, dass du fast fertig bist. Bis gleich.«

      Die nächste Nachricht war von seinem Vater, der Dusty bat, ihn zurückzurufen, sobald er Zeit hatte. Er betonte, dass es nicht dringend wäre und er sich einfach demnächst bei ihm melden sollte, wenn es passte.

      Dusty wollte gerade die letzte Nachricht abhören, als sein Handy klingelte. Er drückte den Bluetooth-Button auf der Konsole und verband das Handy mit dem Autoradio. »Hallo?«

      »Dusty, bist du gerade auf dem Weg zurück?« Tristans Stimme hallte durch das Führerhaus seines Pick-ups.

      »Ja. Was ist los? Ist was passiert? Wie geht es David?«

      »Er ist frustriert und fragt immer wieder nach dir. Er hat sich an einige Dinge erinnert, von denen ich annehme, dass sie zu dem Vorfall gehören, aber es sind nur Bruchstücke. Ich kann mir keinen Reim darauf machen; er noch weniger. Warte einen Moment.« Am anderen Ende der Leitung war ein Rascheln zu hören, Stimmen, die Dusty nicht verstand. Dann war Tristan wieder da. »Okay, du bist jetzt auf Lautsprecher, Dusty. David will dich etwas fragen.«

      »Kannst du zwischendurch irgendwo anhalten und mir ein paar Tacos besorgen, D? Ich hab richtig Lust auf Tacos.« Davids Stimme war schwach, aber gut zu verstehen. Endlich fragte er mal etwas anderes als Was zur Hölle ist mit mir passiert? Dusty musste unwillkürlich lächeln.

      »Klar, D. Welche soll ich mitbringen? Hühnchen oder Rind?«, fragte Dusty und die Angst, die sich wie eine Schlange um seine Brust geschlungen hatte, als er Tristans erste Nachricht abgehört hatte, ließ langsam von ihm ab.

      »Ist mir egal, überrasch mich. Hauptsache, du bringst extra scharfe Soße und Guacamole mit, okay?«

      Alles klar, dann bis später.« Er legte auf und trat aufs Gaspedal. Da es bereits spät war, brauchte er nicht lange, um die Distanz zwischen Mamaroneck und der Stadt zu überbrücken. Als er etwa eine Stunde später im Krankenhaus ankam, die Arme mit vier Tüten voller Essen beladen, war er froh, David lächeln und mit Tristan reden zu sehen. Da er sich nicht sicher gewesen war, was David mochte, hatte Dusty einfach von allem etwas gekauft, nur für den Fall der Fälle.

      Nachdem sich jeder von ihnen etwas ausgesucht hatte, brachte Dusty den Rest rüber zum Stationszimmer. Einige der Schwestern, die heute hier waren, schoben eine Wochenendschicht und waren überglücklich, etwas zu essen zu bekommen, das nicht aus der Mikrowelle oder einem Automaten kam.

      Dusty wartete, bis alle aufgegessen hatten, bevor er anfing, nachzubohren, um herauszufinden, woran David sich erinnert hatte.

      »Ich weiß noch, dass ich von der Uni nach Hause gekommen bin und Dale auf mich gewartet hat. Er hat wieder angefangen, mich zu würgen, aber Mom war nicht da, um ihn aufzuhalten. Und dann hat er …« Er hielt inne, nahm einen zitternden Atemzug und begann an den Fäden der Decke zu zupfen, wie er es oft tat, wenn er bedrückt oder nervös war. »Er hat mir hart ins Gesicht geschlagen. Ich … Ich denke, das ist mit meinem Auge passiert.« Er hob unbewusst die Hand und fuhr sich über das Auge, mit dem er nicht mehr sehen konnte und vermutlich nie wieder sehen würde. »Es hat so schrecklich wehgetan, als er mich geschlagen hat, D, als würde mein Kopf explodieren«, flüsterte David.

      Dusty trat einen Schritt näher an das Bett heran, hielt dann inne und warf Tristan einen finsteren Blick zu, als dieser den Kopf schüttelte. Mit den Lippen formte er die Worte Warte, lass ihn ausreden in Dustys Richtung.

      »Aber dann bin ich plötzlich wieder in der Nacht, als ich mich geoutet habe, und sitze mit Mom und dem Pfarrer am Küchentisch. Zumindest denke ich, dass es die Nacht ist, in der ich mich geoutet habe.« Davids Finger gruben sich in die Decke. Dann ließ er sie los, hob die Arme und stieß den Betttisch mit aller Kraft von sich. »Scheiße, das ist doch total sinnlos! Ich werde mich nie daran erinnern, was passiert ist!«, schrie er.

      Dusty musste jeden Rest seiner Selbstbeherrschung zusammenkratzen, um nicht zu ihm zu gehen und ihn zu beruhigen.

      Davids Kopf fuhr zu Dusty herum, seine Miene war finster und aufgebracht. »Und du weißt, was passiert ist, und sagst es mir nicht! Keiner von euch!« David wandte sich nun auch Tristan zu, sein Blick war scharf wie eine Messerklinge.

      »Das stimmt nicht, D. Du weißt, wieso wir es dir nicht gesagt haben.« Dusty ignorierte Tristans kaum wahrnehmbares Kopfschütteln, das ihn stumm darum bat, David nicht zu beruhigen. Eine Sekunde später war er an Davids Seite, setzte sich auf die Bettkante, zog ihn in seine Arme und hielt ihn, bis er aufhörte zu zittern. Dusty klopfte ihm auf den Rücken und redete ihm gut zu, versicherte ihm, dass seine Erinnerung mit der Zeit zurückkommen würde.

      Wellen der Verzweiflung brachen über David zusammen und schließlich brach der Damm. Dusty saß einfach nur da und hielt ihn so lange, bis er keine Tränen mehr übrig hatte. »Es tut mir leid«, sagte David schließlich, als er die Kontrolle über seine Stimme wiedererlangt hatte. Er klammerte sich noch einige Sekunden länger an Dusty, dann sah er zu ihm auf, seine feuchten Wangen waren zu einem halbherzigen Lächeln verzogen. »Tut mir leid, D, es ist einfach so frustrierend; diese chaotischen Erinnerungen, die einfach keinen Sinn ergeben …« Er wandte sich an Tristan. »Entschuldige auch du, Tristan. Ich weiß, dass du nur versuchst, mir zu helfen. Ihr beide.«

      Dusty griff nach Davids Kinn und drehte sein Gesicht zu sich. »Es gibt nichts, wofür du dich entschuldigen müsstest, D. Hast du verstanden? Überhaupt nichts.« Dusty gelang es gerade noch, ein Seufzen zu unterdrücken, das in seiner Kehle aufstieg, als er bemerkte, wie Davids Augen seine Lippen fokussierten und sich seine Nasenflügel blähten. Ein kurzer Seitenblick von Tristan verriet ihm, dass er es ebenfalls bemerkt hatte. Er zog eine Augenbraue hoch, während er die beiden beobachtete.

      Glücklicherweise kam in diesem Augenblick eine Schwester, um Davids Vitalfunktionen zu überprüfen, und gab Dusty damit die Chance, so zu tun, als hätte er nichts bemerkt.

      Tristan ruckte mit dem Kopf in Richtung Flur und Dusty folgte ihm aus dem Zimmer, doch er weigerte sich, allzu weit zu gehen. »Er hängt ziemlich an dir, das ist dir bewusst, oder?«, fragte Tristan.

      Dusty nickte und lehnte sich zurück, sodass er einen Blick in Davids Zimmer werfen konnte. Die Schwester sprach leise zu ihm. Dusty konnte nicht hören, was sie sagten, doch er war beruhigt, als er David kichern hörte.

      Tristan schnippte mit den Fingern, um Dustys Aufmerksamkeit zurückzugewinnen. »Dir ist auch bewusst, dass nichts dabei ist, wenn du auch an ihm hängst, oder?«

      Dusty verspürte den Drang, Tristan zu widersprechen. Er drückte die Wirbelsäule durch, hörte auf, mit den Füßen zu scharren, und stand kerzengerade da, die Worte bereits auf der Zungenspitze.

      Tristan schnaubte und verschränkte die Arme. »Du brauchst gar nicht erst versuchen, dich zu verteidigen. Es steht dir ins Gesicht geschrieben. Du kannst dich belügen, du kannst auch versuchen, mich zu belügen, aber belüg nicht ihn.«

      Dusty seufzte und fuhr sich mit der Hand durch sein widerspenstiges Haar. »Du hast recht. Es ist nur … Ich komme mir vor wie ein Arsch, wenn ich in ihm nach allem, was er durchgemacht hat, mehr als einen Freund sehe, Tris. Und, ja, ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich ihn nicht anziehend finde. Aber was er jetzt braucht, ist ein Freund, und das will ich im Moment für ihn bleiben.«

      Tristan seufzte. »Sei einfach ehrlich zu ihm, Dusty. Versteck dich nicht hinter seinen Verletzungen. Deine Beziehung zu ihm, wie auch immer sie aussehen mag, könnte der Schlüssel zu seinen Erinnerungen sein. Oh, und nur fürs Protokoll: