TM Smith

Hide and Seek


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er zurück in sein Zimmer kam. Sobald er sich vergewissert hatte, dass Dusty immer noch da war, fiel er sofort ins Bett und schlief, bis der Doktor kam, um mit ihm über die Ergebnisse zu sprechen.

      »Sie haben ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitten, Mister Thompson. Auf den Bildern ist zu erkennen, dass einige Regionen immer noch geschwollen sind, das erklärt die Beeinträchtigung Ihres Erinnerungsvermögens. Die kognitiven Funktionen Ihres Gehirns sind allerdings sehr gut, also gehe ich davon aus, dass Sie keine bleibenden Schäden davontragen werden. Sobald die Schwellung weiter abnimmt, werden Sie den Großteil Ihrer Erinnerungen zurückerlangen. Vielleicht sogar alle«, gab der Doktor bekannt.

      »Was denken Sie, wie lange ich noch hierbleiben muss?«, wollte David wissen.

      Der ältere Herr im weißen Kittel gluckste, lehnte sich vor und klopfte behutsam auf Davids Bein. »Also wenn Sie weiter solche Fortschritte machen, denke ich, noch eine Woche, höchstens zwei. Ich ordne eine weitere CT für übermorgen an, sodass wir die Schwellung weiter beobachten können. Danach können wir über Ihre Entlassung sprechen. Wie klingt das?«

      Dusty war froh, dass der Doktor so direkt war und nicht versuchte, irgendetwas schönzureden.

      Als David nicht sofort antwortete, sprang Dusty für ihn ein. »Klingt gut, Doc.«

      »Vergessen Sie nicht, den Papierkram zu erledigen, Mister Thompson, damit wir Ihren Freund hier auch weiterhin über Ihren Gesundheitszustand informieren dürfen«, sagte der Doktor, bevor er etwas in Davids Patientenakte schrieb und sie der Schwester reichte. Dann verabschiedete er sich mit einem weiteren Lächeln.

      David nickte mit einem Gähnen und reckte sich.

      Dusty lachte. »Wieso versuchst du nicht, ein bisschen zu schlafen?«

      »Nur, wenn du mir versprichst, dass du immer noch hier sein wirst, wenn ich aufwache.«

      Dusty nickte, und als sich ihre Blicke trafen, prüfte er unbewusst die Farbe seiner Augen. Sie waren blau, genau, wie er es sich vorgestellt hatte. Im Moment waren sie blutunterlaufen, aber Dusty war sich sicher, sobald das Rot verschwunden war, würden sie kristallklar sein wie ein Wasserfall in einem tropischen Inselparadies.

      Kapitel 2

      Coming-out

      David hatte Angst, seine Augen zu schließen. Was, wenn der Mann, der neben seinem Bett saß, sich einfach auflöste, so wie seine Erinnerungen? Warum wusste er nicht, was passiert war? Warum konnte er sich nicht an Dusty erinnern? Er musste ihn kennen; seine Stimme war wie die Ruhe nach einem wütenden Sturm: etwas, an dem er sich festhalten konnte, auch wenn er nicht wusste, wieso. Seine Kopfschmerzen klangen langsam ab. Das Schmerzmittel, das ihm die Schwester gegeben hatte, bevor sie gegangen war, begann zu wirken. Seine Lider wurden schwer und das leise Piepen der Maschine, an der er hing, ging mehr und mehr in Rauschen über. Dann glitt er langsam in einen unruhigen Schlaf.

      ***

      »Was soll das heißen, du bist schwul?«, brachte Dale zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

      »Welchen Teil davon verstehst du nicht, Dale? Ich bin schwul.« David zuckte mit den Schultern und warf seinem großen Bruder einen Blick zu, der ihn fragte, ob er Chinesisch sprach.

      »Das ist widerlich, Davie, und es ist nicht witzig«, schrie Dale. Sein plötzlicher Wutausbruch ließ David einige Schritte zurückstolpern. Nur für den Fall, dass sein Bruder plötzlich zuschlug. Dale Thompson war immer schon ein Tyrann gewesen, und dass David sein eigen Fleisch und Blut war, hatte dabei nie eine Rolle gespielt. Wenn überhaupt, dann ging Dale mit seinem kleinen Bruder nur noch härter ins Gericht.

      »Das heißt also, du findest mich widerlich? Denn ich bin schwul, Dale. Ich bin, wie ich bin, und ich kann es nicht ändern.« David senkte seine Stimme, um seinen Bruder zu beruhigen, bevor die Dinge außer Kontrolle geraten konnten.

      Dale knurrte ihn an, fletschte die Zähne und ballte die Hände zu Fäusten, bevor er vorschnellte und David mit dem Rücken an die Wand drängte. Eine seiner großen, fleischigen Hände packte David an der Gurgel und hob ihn hoch, sodass seine Füße einige Zentimeter über dem Boden hingen. »Du hörst mir jetzt genau zu, du kleines Stück Scheiße. Du bist nicht schwul, hast du mich verstanden? Du schlägst dir diesen Blödsinn aus deinem kleinen Spatzenhirn, bevor ich ihn aus dir rausprügle, kapiert, Davie?«

      »Dale Thompson, du lässt deinen Bruder sofort los!« Ihre Mutter schlug die Haustür hinter sich zu, ließ ihre Einkäufe, ihre Handtasche und ihre Schlüssel fallen, rannte auf sie zu und packte Dale am Arm. Er versuchte nicht, sich ihrer Mutter zu widersetzen. Stattdessen gab er nach und ließ seine Hand sinken. Dann trat er einige Schritte zurück und ging wie ein Raubtier im Käfig im Zimmer auf und ab.

      David landete mit dem Hintern auf dem harten Holzboden.

      Seine Mutter kniete sich neben ihn und hob sein Kinn, um ihm in die Augen zu sehen. »Hat er dir wieder wehgetan, Schatz?«, fragte sie, während Tränen in ihre Augen stiegen. Sie drehte sich um und sah zu Dale hinauf. »Verdammt, Dale! Du hast mir versprochen, dass das aufhört! Er hat ein Würgemal von dir am Hals. Was ist hier los, Jungs?«

      Dale blieb stehen. Er beugte sich vor und spuckte David vor die Füße. »Wieso fragst du nicht deinen kleinen, süßen Engel da, was hier los ist? Komm schon, sag deiner Mutter, dass du darauf stehst, an Schwänzen zu lutschen, Davie. Dann sehen wir, ob sie immer noch auf deiner Seite ist.«

      Diane Thompson keuchte und schlug die Hand vor den Mund, während sie ihren älteren Sohn ansah, als hätte er den Verstand verloren. »Das reicht jetzt …«

      Dale brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen. »Frag ihn, Mom.«

      Diane wandte sich um und sah ihren jüngeren Sohn an. Er lehnte an der Wand und zitterte wie Espenlaub. Offensichtlich hatte er Angst, dass sein Bruder ihm etwas antun könnte. Tränen liefen über seine Wangen und große, hellblaue Augen flehten sie stumm um Hilfe an. »Davie, Schatz, was redet dein Bruder da?«

      Ganz langsam stand David auf, darauf bedacht, auf der anderen Seite seiner Mutter zu bleiben, außerhalb der Reichweite seines Bruders, wie er hoffte. »Ich … Ich bin …« Er hustete. Nach dem Würgegriff fühlte sich seine Kehle rau und trocken an.

      »Er ist schwul, Mom! Schwul. Dein armer kleiner Schatz steht auf Kerle statt auf Frauen. Das ist hier los.« Dale verschränkte die Arme und starrte seinen kleinen Bruder so hasserfüllt an, dass David erschauderte. Sie beide hatten nie das beste Verhältnis gehabt. Die acht Jahre Altersunterschied steuerten nur einen Bruchteil zu dem klaffenden Abgrund bei, der die beiden Thompson-Brüder voneinander trennte. Dale sah aus wie ein Gorilla, David dagegen war klein und schlank. Abgesehen von ihrem Nachnamen, waren ihre tiefblauen Augen und das weißblonde Haar das Einzige, was die beiden miteinander verband.

      »Davie, Schatz, ist das wahr?«, flüsterte seine Mutter und riss David damit aus seinen Gedanken.

      Da er sich nicht sicher war, ob seine Stimme ihm gehorchen würde, nickte David nur.

      Dianes Augen weiteten sich vor Entsetzen und sie stolperte einige Schritte zurück. »Nein, Davie, du bist nur ein bisschen durcheinander. Du kannst nicht schwul sein, mein Süßer. Das wäre abscheulich. Eine Sünde.«

      Davids Herz sank. Er hatte gewusst, dass es nicht leicht sein würde, dass sein grobschlächtiger Bruder und seine gläubige Mutter ein Problem damit haben würden. Doch mit dem abgrundtief hasserfüllten Blick, den sein Bruder ihm zuwarf, hatte er nicht gerechnet.

      Als Diane den ersten Schreck schließlich überwunden hatte, kam sie wieder zu ihm zurück, nahm ihn in die Arme und zog ihn an ihre Brust. »Ist schon gut, Schatz, wir rufen Vater Felps an und bitten ihn, herzukommen. Wir finden schon eine Lösung.« Sie drehte sich zu Dale um. »Dale, ruf Vater Felps an und sag ihm, dass er sich beeilen soll. Das hier ist ein Notfall und …«

      Doch bevor sie ihren Satz beenden konnte, befreite sich David aus ihren Armen. »Nein. Es ist alles in Ordnung damit, mit mir, Mom. Ich bin schwul. Verstehst du? Ich bin einfach so«, sagte er.

      »Du