Maya Shepherd

Schattenchance


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lass gut sein“, meinte Lucas jedoch besänftigend und klopfte seinem Freund auf die Schulter.

      Eliza sah empört zwischen ihnen hin und her. Die Art, wie sie die Lippen spitze, verriet mir, dass sie gleich etwas sagen würde, was ihr später leid täte: „Man könnte meinen, du würdest meine Schwester nur benutzen, um dich unbemerkt an meinen Freund ranmachen zu können.“

      Evan verstummte, während Lucas sie entsetzt anstarrte. „Jetzt bist du zu weit gegangen!“, schimpfte er. „Bevor du dich nicht bei Evan entschuldigt hast, brauchst du bei mir nicht mehr anzukommen. Ich gehe jetzt, viel Spaß noch!“ Wütend stampfte er davon. Ich versetzte Evan einen Stoß, um ihm zu verstehen zu geben, dass er ihm nachgehen sollte. Vielleicht war das seine Chance, Lucas wieder näherzukommen. Eigentlich hatte ich angenommen, dass Eliza glücklich in der Beziehung mit Lucas wäre, doch ich hatte mich wohl in ihr geirrt und zu sehr gehofft, wenigstens etwas der alten Eliza in dieser Version wiederzufinden. Doch nicht einmal ihre aufrichtige Liebe zu Lucas schien ihr geblieben zu sein. Eigentlich war es sogar falsch, von der alten Eliza zu sprechen, denn im Grunde war meine Schwester nie anders gewesen. Seitdem ich sie kannte, spielte sie mit den Gefühlen von Menschen wie mit Spielbällen. Erst im letzten Jahr hatte sie begonnen, sich zu verändern und war zu einem liebenswerten Menschen geworden. Der Tod von Liams Schwester hatte sie dazu gebracht, sich und ihr bisheriges Leben zu überdenken.

      Sie machte nur eine wegwerfende Handbewegung und ging auf die Tanzfläche, wo sie sicher nicht lange alleine sein würde.

      „Läuft das so nicht jedes Mal?“, wandte sich Dairine an mich. „Lucas kann einem echt leidtun!“

      „Er hat sich seine Freundin selbst ausgesucht“, murmelte ich und suchte die Theke erneut nach Liam ab. Er stand immer noch da und ließ die Eiswürfel in seinem Glas tanzen.

      „Ich kann immer noch nicht verstehen, warum er sich nicht in dich verliebt hat. Ihr beide würdet wirklich toll zusammenpassen. Im Gegensatz zu Eliza würdest du ihn wenigstens bei seinen Abschlussprüfungen unterstützen.“ Scheinbar war es auch in dieser Realität kein Geheimnis, dass ich Lucas lange Zeit für den tollsten Jungen der Welt gehalten hatte.

      Dairine räusperte sich verlegen. „Nicht, dass Evan und du nicht auch ein tolles Paar wärt. Das war euer erster gemeinsamer Clubbesuch als Paar, oder?“

      Ich nickte gedankenverloren und wog das Für und Wider ab, zu Liam zu gehen und ihn anzusprechen.

      „Eliza hat es mal wieder vermasselt“, schimpfte Dairine aufgebracht, bis sie feststellte, dass sie sich mehr darüber zu ärgern schien als ich, deren Blick nur noch an ihrem Lehrer klebte. Sie hob die rechte Augenbraue. „Ziehst du gerade unseren Lehrer mit deinen Augen aus?“

      Ich spürte, wie mir augenblicklich die Röte in die Wangen stieg und wandte beschämt den Blick ab. „Ich habe nur über etwas nachgedacht.“

      „Ach ja und worüber genau?“, lachte meine beste Freundin. „Ob du ihm erst das Hemd vom Körper reißt oder dich direkt an seinen Gürtel wagst?“

      Bei jedem anderen Lehrer hätte ich angewidert das Gesicht verzogen, aber es war nun einmal Liam, der dort stand - mein Liam. Mit ihm hatte ich mein erstes Mal erlebt. Bedeutete das etwa, dass ich in dieser Realität noch Jungfrau war?

      Dairine ergriff meine Hand. „Komm, wir sagen ihm hallo!“, rief sie kurzerhand und zog mich mit sich. Ich sträubte mich und versuchte zu protestieren, doch ehe ich mich versah, standen wir bereits hinter ihm. Dairine tippte ihm sich räuspernd auf die nackte Schulter.

      „Hallo Mr. Dearing, so sieht man sich wieder“, flötete sie in ihrer frechen Art, als er sich zu uns umdrehte. Er hob die Augenbrauen, musterte erst Dairine und dann mich. Er wirkte nicht gerade erfreut, eher peinlich berührt.

      „Hallo“, meinte er nur und schien nicht so recht zu wissen, wen er überhaupt vor sich hatte. Sein Blick streifte meinen. „Winter, oder?“

      Auch wenn mir die ganze Situation mindestens genauso unangenehm war wie ihm, stolperte mein Herz, als er meinen Namen aussprach. Ich nickte schüchtern.

      „Und Dairine!“, rief meine Beste aus und deutete auf sich. „Sie sind wohl noch nicht lange in Wexford, sonst wüssten Sie, dass man sich als Lehrer besser nicht ins Devil’s hell verirrt, wenn man dort nicht seinen Schülern begegnen möchte.“

      „Wer sagt, dass ich meinen Schülern nicht begegnen möchte?“, konterte Liam frech. „Ich bin doch noch nicht alt genug, damit es peinlich wäre. Oder etwa doch?“

      „Für uns sicher nicht“, lachte Dairine und versetzte mir einen unauffälligen Stoß in die Rippen, was so viel heißen sollte wie Sprich mit ihm!

      „Ich war gestern Joggen“, rutschte es mir heraus, woraufhin Liam mich mit einer seltsamen Mischung aus Unbehagen und Belustigung musterte.

      „Vorbildlich“, erwiderte er und sah an mir vorbei auf die Tanzfläche. Sein Blick blieb offenbar an etwas haften, das ihm gefiel und er schien uns gar nicht mehr wahrzunehmen. Ich drehte mich herum, um zu erfahren, was es dort Interessantes zu sehen gab: Eliza. Sie tanzte in der Mitte des Raums mit ihren hautengen Jeans und dem roten Top im Rhythmus der Musik und sah dabei, wie könnte es auch anders sein, einfach atemberaubend aus.

      „Geht sie auch zur Schule?“, fragte Liam plötzlich.

      „Die meiste Zeit nicht“, kicherte Dairine, woraufhin er sie irritiert ansah.

      „Eliza macht ihren Abschluss“, setzte ich schnell hinterher.

      „Eliza“, wiederholte er und ließ sich ihren Namen scheinbar auf der Zunge zergehen. Es tat verdammt weh.

      „Sie ist meine Schwester“, erklärte ich, wobei meine Stimme von den Tränen, die ich krampfhaft zurückhalten musste, brach.

      Eine vierte Person räusperte sich lautstark: Faye. Sie schien von der Toilette zu kommen. Liam fuhr zu ihr herum. „Oh, das ist meine gute Freundin Faye.“ Er deutete auf uns. „Das sind zwei meiner Schülerinnen.“

      „Sehr erfreut“, sagte Faye, ohne danach auszusehen. „Gehen wir jetzt tanzen?“

      Liam erhob sich. „Euch noch einen schönen Abend, Mädels. Und trinkt nicht zu viel.“

      Er verschwand in der Menge. Sein leeres Glas stand auf dem Tresen. Ich ließ mich niedergeschlagen auf seinem Platz nieder. „Einmal das Gleiche, bitte“, orderte ich und ignorierte dabei den entsetzten Blick von Dairine.

      „Scotch?“, quiekte sie.

      Kaum, dass das Glas vor mir stand, goss ich es in einem Schluck meine Kehle hinab. Es brannte erst wie Feuer in meinem Hals und dann in meinem Bauch. Wenigstens betäubte es für den Moment mein pochendes Herz. Angewidert verzog ich das Gesicht.

      „Hab ich irgendetwas verpasst?“, wollte Dairine verständnislos wissen, während sie mich skeptisch musterte. „Mir ist zwar nicht entgangen, dass du unseren neuen Sportlehrer ziemlich heiß findest, aber so schlimm? Du bist doch mit Evan zusammen!“

      Ich ignorierte sie, weil ich nicht wusste, was ich dazu sagen sollte. Vielleicht wäre es der Zeitpunkt gewesen, um ihr die Wahrheit zu sagen, aber ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass sie mich ansehen würde, als sei ich völlig übergeschnappt. So hatte sie mich schon einmal angeblickt, als ich unter dem Jägerfluch gestanden hatte und das wollte ich nie wieder erleben müssen.

      Sie stieß mich ungeduldig an. „Hallo? Redest du nicht mehr mit mir?“ Mittlerweile wurde sie wirklich sauer auf mich.

      „Was finden alle nur an ihr?“, knurrte ich zurück und ließ meinen Blick über die Tanzfläche schweifen. Es war nicht schwer, Eliza auszumachen. Sie fiel auf wie ein flammender Komet am Nachthimmel.

      „Ach, darum geht es wieder“, seufzte Dairine und ließ sich neben mir nieder. Sie bestellte uns zwei Cola, damit ich nicht auf die Idee kam, mir vor Frust noch mehr Alkohol zu verabreichen. Es war nicht so, dass sie mich nicht verstehen konnte, aber manchmal ging ich ihr mit meiner ständigen Eifersucht auf meine