von Oma, lächelt mich an.
»Hallo Frau Törschen.« Jochen öffnet die hintere Tür am Polizeiwagen und ich mache Anstalten einzusteigen. Frau Törschen verfolgt das Geschehen mit großen Augen.
»Hast du was angestellt?«, fragt sie mit einem Unterton, der durchaus die Interpretation zulässt, dass sie dies im Bereich des Möglichen sieht.
»Nein, nein, Frau Törschen«, versuche ich sie zu beschwichtigen. »Ich muss der Polizei nur helfen.«
Jochen schließt die Tür hinter mir und ich sehe im Gesicht von Frau Törschen, dass sie nicht überzeugt ist.
V
Jochen hat mich an einen Kollegen von der Kripo übergeben, dessen Namen ich mir nicht merken kann. Der Beamte weist auf einen Stuhl und sagt, dass ich warten solle. Ich schaue mich um. Das Polizeirevier hatte ich mir glanzvoller vorgestellt. In den Serien, die ich mir so ansehe, sind die Polizisten mit Hightech ausgerüstet und die Büros sehen aus wie in Hochglanzprospekten. Die Wache in Kempen ist eher das Gegenteil. Schon von außen strahlt das Gebäude den morschen Charme der Siebziger aus. Innen wird es nicht besser. Es wirkt alles dunkel und die Wände müssten dringend mal gestrichen werden. Wenn dies so sein soll, um die Verbrecher einzuschüchtern, muss ich sagen, dass es bei mir auf jeden Fall seinen Zweck erfüllt. Ob das bei wirklichen Verbrechern auch so ist, kann ich nicht sagen. Die sind wahrscheinlich noch dunklere Löcher gewohnt.
Der Schreibtisch vor mir ist mit Akten und Papieren bedeckt. Ich hatte damit gerechnet, in einen Vernehmungsraum geführt zu werden, an dessen einer Seite ein großer Spiegel prangt, durch den mich die Beamten erst einmal beobachten würden. Stattdessen sitze ich mitten in einem Büro und warte darauf, dass ich nun endlich vernommen werde.
Endlich kommt Leben auf. Ein Mann von ungefähr fünfzig, mit grauem, lockigen Haar, einer randlosen Brille und ziemlich missmutigem Gesichtsausdruck kommt herein. Der Beamte, der mich hier hingesetzt hat, begrüßt ihn und zeigt mit der Hand in meine Richtung. Der Mann kommt auf mich zu.
»Sie sind Frau Hagen?«
»Ja.«
Er reicht mir die Hand.
»Ich bin Hauptkommissar Terhoven.« Wir schütteln uns kurz die Hände, dann zieht er seine Jacke aus, schmeißt sie auf das Ende des Schreibtischs und setzt sich mir gegenüber hin. Er wiegt leicht den Kopf, als er die Unordnung wahrnimmt, und schiebt einige Akten zur Seite. Er legt einen Block in den freigewordenen Bereich, zieht einen Kugelschreiber aus seiner Jacke und legt diesen dazu.
»Danke, dass Sie sich gemeldet haben, Frau Hagen. Vielleicht können Sie uns einen näheren Einblick geben, wie Frau Schöller zu Tode gekommen ist. Sie waren also bei der Leiche. Was haben Sie da gemacht?«
»Ich war mit ihr dort verabredet.«
»Wann waren Sie verabredet?«
»Um 18 Uhr. Sie hatte mir eine SMS gesendet.«
»Schildern Sie bitte, was Sie vorgefunden haben, als Sie am Treffpunkt angekommen waren.«
Ich beginne zu erzählen, wie ich zuerst dachte, sie würde sich nur verspäten und wie ich dann später bei ihr angerufen hatte, als das Klingeln ihres Handys mich zur Leiche führte. Er macht Notizen auf seinem Block und schaut nur kurz zu mir auf.
»Wie haben Sie die Leiche vorgefunden?«
»Zuerst habe ich nur ihre Schuhsohlen gesehen. Sie lag bäuchlings im Teich. Ihr Gesicht lag ganz im Wasser.«
»Was haben Sie dann gemacht?«
»Ich habe mich zu ihr gebeugt und versucht, ihren Kopf aus dem Wasser zu ziehen. Ich musste mit den Armen tief ins Wasser, um sie erreichen zu können. Dann erst wurde mir klar, dass sie tot war.«
»Sie haben aber nicht die Polizei gerufen.« Er hat seinen Kopf wieder gehoben und mustert mich.
»Nein, eine ältere Dame war zwischenzeitlich auch gekommen und war schon dabei, die Polizei zu rufen.«
»Warum sind Sie nicht am Ort des Geschehens geblieben?«
Das ist die Frage, vor der ich schon die ganze Zeit Angst habe. Ich knete nervös meine Finger und überlege, wie ich die Antwort möglichst unverfänglich formulieren könnte.
»Die alte Dame hat am Telefon gesagt, ich sei die Mörderin. Da habe ich Panik bekommen.«
»Wie ist die alte Dame denn darauf gekommen?« Sein Kopf bewegt sich leicht auf mich zu.
»Das weiß ich nicht. Wahrscheinlich weil sie gesehen hat, wie ich mich über Judith beuge.«
»Sind Sie denn die Mörderin?«
»Nein, nein!« Ich muss hastig nach Luft schnappen. »Nein, ich habe Judith nicht ermordet.« Nie hätte ich damit gerechnet, dass ich derartige Sätze einmal sagen müsste.
»Wie ich gehört habe, hatten Sie aber einen kräftigen Streit mit dem Opfer. Erst vorgestern hat sie Sie angezeigt. Geprügelt sollen Sie sich auch haben. Leute berichten, dass Sie das Opfer gehasst und mehrfach gesagt haben, dass Sie ihr nichts Gutes wünschen. War es gestern endlich so weit? Haben Sie Ihre Drohung nun endlich in die Tat umgesetzt?«
Er hat sich vom Stuhl erhoben. Sein Gesicht ist immer näher an mich gerückt. Seine grauen Bartstoppeln sehe ich deutlich vor mir. Ich rieche seinen Atem. Eine Mischung aus Zigarettenrauch und Pfefferminz.
»Nein, nein, das habe ich nicht. Ich könnte so etwas nie tun«, jammere ich und muss sehr kämpfen, nicht gleich loszuheulen. Einen kurzen Moment schaut er mir tief in die Augen. Dann setzt er sich wieder auf den Stuhl und fährt ruhig fort: »Wo waren Sie in der Zeit von siebzehn bis achtzehn Uhr?«
»Da war ich in der Kanzlei. So gegen zwanzig vor sechs bin ich dann losgefahren.«
»Kann das jemand bezeugen?«
»Ich war alleine in der Kanzlei.«
»Hmm.« Er macht eine Notiz, aber sein Kugelschreiber versagt. Er schüttelt ihn und versucht erneut zu schreiben, aber es klappt nicht. Dann beginnt er, auf dem Schreibtisch nach einem anderen Schreibgerät zu suchen. Als er eines gefunden hat, schreibt er weiter, aber auch dieser Kugelschreiber funktioniert nicht.
»Verdammt, wird jetzt sogar schon an Kugelschreibern gespart!« Er wühlt weiter unter den Akten und findet endlich einen Bleistift. Während er etwas notiert, fällt mir etwas ein. »Moment mal! Da war ein Mann.«
Ein ganzes Gebirge fällt mir vom Herzen. Na klar, der Mann mit dem blauen Kittel.
»Welcher Mann?«
»Als ich am Hallenbad vorbeiging, war da ein Mann im blauen Kittel, der irgendetwas reparierte. Wir haben uns gegrüßt. Er kann bezeugen, wann ich gekommen bin.« Ich habe ein Alibi. Juchhuh, ich habe ein Alibi. Ich könnte vor Erleichterung gleich lostanzen.
»Wer ist der Mann?«
»Das weiß ich nicht, aber er hat mich gesehen.«
»Sie sagten doch, Sie hätten sich gegrüßt.«
»Ja, haben wir. Aber ich kannte ihn trotzdem nicht.«
»Hmm.« Wieder notiert er etwas.
»Wir werden das überprüfen.«
»Halten die mich für die Mörderin?« Jochen sitzt neben mir und lenkt den Wagen auf die Umgehungsstraße in Richtung Grefrath. Da er gerade Dienstende hat, nimmt er mich mit nach Hause.
»Wenn sie dich für die Mörderin halten würden, hätten Sie dich belehren müssen, dass du verdächtigt wirst. Das war nur eine Zeugenvernehmung.« Das klingt beruhigend.
»Aber sie werden sicher alles genau überprüfen, was du gesagt hast und auch sonst Nachforschungen anstellen.« Das ist jetzt gar nicht mehr beruhigend.
»Was mache ich denn jetzt?« Jochen dreht sich kurz zu mir. Sein Blick ist für mich nicht einzuordnen. Irgendetwas zwischen Besorgnis und Unmut.
»Du machst gar nichts.« Der Ton ist sehr bestimmend. Ich spüre, wie Widerspruch in mir aufsteigt. Ich hasse es, wenn er mir Vorschriften machen will.
»Wie