David Goliath

The Outlaw


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Carl Taylor den Lauf absenkte, warf Robert White Claire Taylor zur Seite und schnappte sich die Schrotflinte, um die Patronen zu entnehmen und beides in getrennte Ecken zu schmeißen. Dann klatschte er in die Hände. »So, wenn das geklärt wäre, würde ich mich über eine warme Suppe und ein paar Cracker freuen. Oder hat die Geschäftsfrau die Hausfrau verdrängt?«

      Hinter ihm kritzelte es auf Papier. Er drehte nur seinen Kopf.

      Viola Finch schrieb etwas in ihr Buch, halb benommen, halb fläzend auf dem Polstersofa, im Beisein der Petroleumlampen.

      Robert White kniete sich, um auf Augenhöhe mit Carl Taylor zu sein, der verängstigt und doch angestachelt visuell zwischen Mutter und Großvater pendelte, die beide angeschlagen auf dem Boden lagen, vor Schmerz stöhnend.

      »Mein Junge, sag mir, kannst du schon reiten?«

      Carl Taylor nickte.

      »Wie ist dein Faustschlag?« Er hielt ihm eine Hand als kompaktes Segel, als Boxsack, hin.

      Der Junge fühlte sich herausgefordert. Er schlug in die dargebotene Hand und brachte Robert White zum Taumeln. Dieser lachte.

      »Hervorragend! Und deine Schießkünste?« Er reichte ihm seinen Revolver, doch Claire Taylor ging rechtzeitig dazwischen.

      »Genug!«, sie warf sich in die Bresche zwischen ihrem Sohn und dem Eindringling. »Was willst du, Robert?«

      »William oder Carl«, sagte er und lächelte düster. »Was kannst du mir geben, Weib?«

      »William«, sagte Claire Taylor sofort, sich mit der gebrochenen Hand irgendwie behauptend.

      Robert White überlegte, zog es künstlich in die Länge. »Führt mich zu ihm.« Er reichte Claire Taylor eine Hand und packte Carl Taylor mit der anderen. »Ein kleiner Abendspaziergang? Fördert den gesunden Schlaf.«

      In Ermangelung einer Rettung gab Claire Taylor ihre ungebrochene Hand.

      Sie ließen den stöhnenden Milton Smith auf dem Boden zurück und gingen zur Tür. Bei Viola Finch stoppte Robert White. »Wenn der Alte uns verpfeifen will, knall ihn ab.«

      Die Schreiberin nickte eilig und holte ihren Revolver, mit der einen Patrone in irgendeiner Kammer der Trommel, umständlich aus der Tasche, kaum den Eindruck erweckend, sie könne damit umgehen, geschweige denn, einen alten, wütenden Mann aus der Nahdistanz erschießen.

      Mit Mutter und Sohn an der Hand flanierte Robert White durch die Stadt. »Zwei Kugeln für euch, solltest du mich in die Irre führen«, flüsterte er ihr zu, als sie am Büro des City Marshals vorbeikamen.

      Auf dem Friedhof, im Dämmerlicht der städtischen Fackeln hinter ihnen, an einem frisch zugeschütteten Grab hielten sie inne. Robert White schaute sich ablehnend um. »Was sollen wir hier, Weib? Willst du dir dein Erdloch aussuchen?«

      »William«, zeigte Claire Taylor auf den frisch vertikutierten Boden. Sie fädelte sich langsam aus seiner Hand. In ihrem Geist überschlugen sich die Fluchtstrategien. Sie suchte den Blickkontakt zu ihrem Sohn, der sich ebenfalls aus dem Griff befreien konnte, weil Robert White grantig auf das Grab starrte.

      »Lauf!«, rief sie ihrem Jungen zu, der flugs die Flucht ergriff. Sie wollte noch nach dem Revolver im Holster des Mannes greifen, scheiterte aber.

      Im selben Moment wurde sie von Robert White am Schopf gepackt, zu Boden gezerrt und kranial überstreckt. »Was soll das, Weibsstück? Wieso tust du mir das an?« Er schaute Carl Taylor hinterher, der wie von der Tarantel gestochen über eine der Brücken, die über den ausgetrockneten Dead Creek führten, zurück in die Stadt rannte.

      »Wo wird er wohl hinrennen?«, grübelte Robert White gespielt. »Wird er seine Mutter opfern, um den Marshal zu informieren? Oder wird er die Schrotflinte holen und das Gesetz selbst in die Hand nehmen?« Bei der zweiten Frage schwoll seine Brust an und sein Kinn reckte sich nach vorn oben. Stolz übermannte ihn.

      Claire Taylor kämpfte nicht gegen ihn an. Sie versuchte nur, nicht umzufallen, um ihre gebrochene Hand zu schonen, die sie dann hätte zum Abfedern verwenden müssen.

      »Rusty hat mir von einem gewissen John berichtet«, schwenkte Robert White um, den Lauf des Jungen beobachtend. »Merkwürdig, denn einen gewissen John durfte ich auch erst neulich kennenlernen. Wer ist dieser Depp?«

      Doch sie verweigerte eine Aussage, woraufhin sie herumgewirbelt und härter gepackt wurde. Sie schrie auf, jammerte und verfluchte ihn.

      »John!«, verlangte Robert White ruppig Auskunft.

      »Nur ein Rancher von Sherman Mayor«, japste sie letztlich.

      »Der Bisonbaron?«

      »Ja.«

      Er warf sie zu Boden, wo sie sich noch abrollen konnte, ohne ihre verletzte Hand zu belasten.

      »Und wieso pisst mir dieser beschissene Rancher in meine Suppe?«

      »Emma.«

      Robert White stutzte. »Emma? Diese kleine Hure von William?«

      »Ja.« Claire Taylor rollte sich zum Schutz ein und suhlte sich im Schmutz, vor Schmerz. »Mayors Tochter.«

      Robert White grunzte gefährlich. Seine Zähne klackerten aufeinander. Seine Nase rümpfte sich. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen. Doch plötzlich begann er zu lachen. Laut. Ausgelassen. Krankhaft. Im Wahn.

      Claire Taylor robbte sich ein paar Inches weg. Sie rechnete mit ihrem Tod, wollte sich irrtümlicherweise mit ihren Armen vor den Kugeln abschotten.

      »Fabelhaft!«, schallte er. »Da hat William doch tatsächlich die Tochter vom Bürgermeister gebumst. Was für ein schlimmer Finger.« Sein Gelächter hallte im Umkreis. »Und jetzt liegt er bei den Schlangen und frisst Dreck wie eine verkappte Sau.« Sein Ton wandelte sich wieder ins Gallige. Er sprang auf Claire Taylor zu, griff ihre Haare und hievte sie hoch.

      »Komm, meine Hübsche! Es wird Zeit, dass die Familie wieder vereint wird. In Whiteland wird Carl lernen, wie man Schweine ausweidet.«

      Auf halbem Wege zurück zum Textilgeschäft, stellte sich ihnen Porter Point in den Weg. »Alles okay, Claire?«, fragte er besorgt, den einäugigen Fremden ohne Schnauzbart taxierend.

      Robert White kniff fester zu.

      Claire Taylor jammerte auf.

      »Ja«, antwortete sie schnell.

      Aber Porter Point ließ sich nicht abwimmeln. »Wer ist das, Claire?« Seine Augen fixierten den Mann, versuchten, unter den Schatten der Hutkrempe zu blicken.

      »Sprechen Sie immer mit dem Weibe, wenn der Herr danebensteht, Marshal?«, knurrte Robert White.

      »Deputy Marshal«, korrigierte Porter Point.

      »Das ist respektlos!«, setzte Robert White fort.

      Porter Point studierte die Zwangslage. »Es ist ebenso respektlos, eine Lady am Schopfe durch die Stadt zu führen.«

      Robert White ließ los. Nicht aus Gnade, sondern aus Kampfeswille. Umgehend trat Claire Taylor ein paar Schritte von ihm weg.

      »Was wollen Sie jetzt machen, Deputy?«, fragte Robert White kompromittierend. »10 Pins oder 52 Karten?«

      »Nichts von alledem! Sie werden sich bei der Lady entschuldigen und von dannen ziehen.«

      Robert White lachte verächtlich. »Haltet ihr so die Schurken fern? Mit Gefasel?«

      »Sind Sie ein Schurke?«, Porter Point sah genauer hin, konnte aber keinen bekannten Verbrecher erkennen. Er gab Claire Taylor ein Zeichen, dass sie sich hinter ihn stellen sollte. Er bemerkte ihre abnormale Handhaltung. Unverzüglich legte er die Hand an den Revolver.

      Die Menschen rundherum machten bereits Platz, denn ein Duell schien greifbar zu sein. Aus dem Büro des City Marshals traten 4 Männer, alle mit Stern – einer mit 5, drei mit 6 Zacken.

      »Porter«,