gespielt entrüstet schaute ich sie an. Wir lachten und machten uns auf den Weg zum Hörsaal.
„Dir scheint es ja wirklich wieder besser zu gehen. Das freut mich, Tara, endlich sehe ich dich mal wieder lachen“, meinte Fine.
„Ja, mir geht es auch wirklich besser“, antwortete ich. „Ich habe gestern meine ganze Wohnung geputzt und seit langem endlich einmal wieder gut geschlafen. Übrigens, ich war heute bei Paula gewesen. Sie hat mir ein wunderschönes Halsband gemacht. Das werde ich wohl am Samstag gleich tragen und weißt du was, sie ist schwanger“, sprudelte es aus mir heraus. Fine fand Paula immer ein bisschen schräg, aber dennoch mochte sie die Frau genauso wie ich.
„Ist nicht wahr, oder? Wurde ja auch langsam Zeit bei den Beiden. Jetzt muss Nele ihren Kleinen nicht mehr ständig zum Spielen an Paula ausleihen.“ Wir lachten und überlegten uns, was wir ihr zur Geburt schenken könnten. Es war zwar noch einige Zeit hin, aber es machte einfach Spaß sich darüber zu unterhalten. Als wir gerade überlegten, ob wir ihr nur Babysachen aus DDR-Zeiten schenken wollten, damit das Baby auch aus dieser Zeit noch etwas miterleben konnte als kleines Einheitskind, blieb ich auf einmal wie vom Blitz getroffen stehen.
Mir wurde eiskalt und ich begann zu zittern. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals, so laut, dass ich befürchtete, jeder im Umkreis von zwei Metern könnte es schlagen hören. Max stand fünf Meter von mir entfernt und unterhielt sich gerade mit einem Kommilitonen. Es war das erste mal, dass ich ihn seit der Trennung sah und es war genau der Moment, vor dem ich seit der Trennung am meisten Angst gehabt hatte.
Fine schien meinem entsetzten Blick gefolgt zu sein, denn sie griff nach meiner Hand und versuchte mich weiter zu ziehen. Ich war wie versteinert. Ich konnte keinen Schritt machen und auch keinen klaren Gedanken fassen. Das Einzige was mir nur im Kopf herum ging war „Max steht hier. Max steht hier.“ Dann verabschiedete sich Max. Er schaute mich kurz an und gleich wieder weg und ging wortlos an mir vorbei. Kein „Hallo“, kein „Ich hoffe dir geht es gut“, einfach gar nichts. Ich hatte jetzt nicht erwartet, dass er vor mir auf die Knie fiel und mir sagte, dass er mich liebte und ohne mich nicht Leben wollte, aber nach knapp zweijähriger Beziehung konnte man doch wenigstens einen Gruß erwarten, anstatt, dass man aneinander vorbei ging, als ob man sich nicht kannte. Ich war fassungslos. Mit einer Ohrfeige hätte er mich nicht mehr verletzen können, wie mit dieser Ignoranz.
„Hey Tara, alles ok?“ Fine’s Stimme holte mich zurück aus meiner Starrheit.
„Hast du das gesehen?”, fragte ich sie verwirrt. „Was sollte denn das? Als ob ich ihm sonst etwas angetan hätte! Er hatte doch Schluss gemacht. Wegen ihm gab es immer Streit. Ich war doch nicht die Böse.“
Ich schüttelte den Kopf und Tränen rollten über meine Wangen. Krampfhaft versuchte ich sie zu stoppen, aber dies erwies sich als äußerst schwierig, erst recht als Fine mich in die Arme nahm.
„Der wusste einfach nicht zu schätzen, was er an dir hat und so jemanden wie den hast du einfach nicht verdient. Er ist keine Einzige deiner Tränen wert“, versuchte mich Fine zu trösten.
Im Gegensatz zu letzter Woche, wo ich mir die Schuld für die Trennung gab und nach meinen Fehlern suchte, konnte ich ihr dieses Mal glauben. Dennoch tat es einfach so weh. Dieses ohnmächtige Gefühl der Hilflosigkeit, das ich der Entscheidung von ihm so ausgesetzt war und selbst nichts daran ändern konnte, die Wut darüber, dass er mich nicht brauchte und ich hingegen noch so an ihm hing, zu sehen, dass es ihm gut ging und ich litt wie ein Hund..., dies alles machte mich so fertig. Immer wieder diese Fragen im Kopf, warum er mich nicht lieben konnte, warum ich ihn liebte, warum ich ihn nicht einfach vergessen konnte und wie ich ihn verletzen könnte? Ein Wechselbad aus Gefühlen, zwischen Liebe, Hass, Wut und Gleichgültigkeit. Ich hatte es so satt. Ich wollte heraus aus der Gefühlsachterbahn, ich wollte endlich wieder nur ich sein, mein Leben in den Griff bekommen und einfach wieder nur glücklich sein.
Nach gefühlt zehn Minuten Weinkrampf in den Armen meiner Freundin, die mir liebevoll über den Kopf strich, wurde mir bewusst, dass wir uns in der Öffentlichkeit befanden und langsam wurde mir die Situation peinlich. Da standen zwei Gruftis herum und heulten, wie klischeehaft war das denn!
Ja, ich weinte nicht allein. Fine hatte die Angewohnheit, dass ihr stets Tränen kamen, wenn sie jemand anderen weinen sah. Als wir uns in die Augen sahen, wirkten ihre genauso glasig und rot, wie wohl auch meine und auch ihre Wangen wurden von Mascara und Eyeliner verziert.
Wir mussten Lachen, als wir uns einander anschauten. Was war das wohl für ein Bild für die Menschen um uns herum. Aber das war uns egal, wir fielen sowieso unter Anderen auf, skeptische Blicke waren wir gewöhnt.
„Oje“, meinte Fine, als sie in den Spiegel schaute und wischte sich mit einem Taschentuch das Make Up aus dem Gesicht. „So muss ich jetzt in die Vorlesung. Das geht doch nicht. Wenn ich dich so anschaue, du kannst so auch nicht rein“, schmunzelte sie. Sie ließ mich in ihren Spiegel schauen. Alles war bei mir verwischt. Mein roter Lippenstift war über die Lippen hinaus verschmiert, ich sah aus wie ein Clown. Gut, dass Fine schwarz trug, so konnte man meinen Lippenstift in ihrer Kleidung kaum entdecken.
„Was hältst du davon, wenn wir nicht zur Vorlesung gehen und uns stattdessen eine Flasche Wein holen und es uns bei mir gemütlich machen?“, fragte ich Fine und ein Lächeln umspielte meinen Mund.
„Nun ja, verpassen würden wir bei dieser Vorlesung nichts. Außerdem wäre das eine sehr gute Gelegenheit, den ganzen Max’ Kram, den du bestimmt gestern nicht mit weg geräumt hast, zu entsorgen“, stimmte Fine in meinen Vorschlag ein. „Wir könnten auch Dana vorbei kommen lassen. Das ist ja keine Haarfarbe mehr, die du da hast. Da könnte sie dich gleich mit färben.“
Ich nickte. Dana war gelernte Frisöse, oder wie es inzwischen genannt wurde, Friseurin. Vor ein paar Monaten war ihr Chef jedoch in den Westen gemacht und hatte den Laden hier geschlossen. Seit dem suchte sie nach einem neuen Job und bis sie einen fand, hielt sie sich mit Schwarzarbeit ein bisschen über Wasser.
Wir gingen zum nächsten Münztelefon und riefen Dana an. Sie freute sich wieder etwas zu tun zu bekommen und wollte gegen um vier bei mir vorbei kommen. Zufrieden mit unserem Plan hakten Fine und ich uns ein und machten uns auf den Weg zu mir. Unterwegs besorgten wir uns noch drei Flaschen Rotwein und einiges zum Kochen. Ich freute mich auf den gemeinsamen Nachmittag und Abend, aber ein bisschen Angst hatte ich schon vor dem Ausmisten von Max’ Sachen, Geschenken und Erinnerungsstücken.
5 Ausmisten
Als ich gerade die erste Flasche Wein öffnete und uns je ein Glas eingoss, hielt Fine mir ein pinkfarbenes T-Shirt unter die Nase auf denen Erdbeeren in sämtlichen Größen gedruckt waren und dazwischen standen in unterschiedlichen Schriftformen- und größen „strawberry pie“, „strawberry jam“, „strawberry soda“, „strawberry mark“, „strawberry cake“, halt alles was es so mit Erdbeeren zu essen und trinken gab.
„Das ist nicht dein Ernst?“, fragte sie mich entsetzt. „Das ist nicht nur viel zu groß für dich, das ist auch noch unbeschreiblich hässlich.“
„Naja“, antwortete ich verlegen: „Das hatte mir Max zum Geburtstag geschenkt, weil ich so gern Erdbeeren esse. Er wollte immer das ich es anziehe und um ihn nicht zu verletzen hatte ich es wenigstens zum Schlafen angezogen.“
„Tara, das geht überhaupt nicht. Er wollte, dass du das anziehst? Was dachte er denn wie du aussiehst? Das Ding ist mindestens vier Nummern zu groß für dich und das pink nicht deine Farbe ist, hat er wohl auch nie gemerkt?“ Ich musste lachen. Dieses entsetzte Gesicht von Fine und ihre Art sich aufzuregen waren zu lustig. „Das ist nicht witzig Tara, das ist mein voller Ernst.“
„Ich weiß Fine, deswegen ja.“ Ich glaube niemand konnte sich wegen so einem T-Shirt so aufregen wie Fine. Ich war schon gespannt, was sie zu den anderen Dingen sagte, wenn sie diese fand. Max hatte mir kaum etwas geschenkt, was mir wirklich gefallen hatte. Das einzige Geschenk, bei dem er sich wirklich Gedanken gemacht und genau auf meinen Geschmack geachtet hatte, war ein silberfarbenes Armband, das er mir zum dreimonatigen Jubiläum geschenkt hatte. Es war verschnörkelt