Martin Cordemann

Shylock Holmes und Dr. Wattsen


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Also was?

      WATTSEN: Also woher willst du das wissen?

      SHYLOCK: Dass er zu früh ist? Ganz einfach: Du hast gerade unsere erste Verdächtige nach draußen geleitet. Und ich wage einfach mal zu bezweifeln, dass du gedacht hast, das Verhör würde so kurz werden. Deshalb tippe ich darauf, sein Termin ist… in ner halben Stunde?

      WATTSEN: Weißt du, was ich an dir hasse?

      SHYLOCK: Meine Klugscheißerei?

      WATTSEN: Arrghh! Ja, er ist zu früh.

      SHYLOCK: Möchtest du mir nicht etwas über ihn erzählen?

      WATTSEN: Ja, schon…

      SHYLOCK: Aber?

      WATTSEN: Ich… weiß nicht genau, wer er ist!

      SHYLOCK: Bitte?

      WATTSEN: Naja, er hat mich mit Frau Draeger gesehen und kam auf mich zu und fragte ob ich die Detektivin wäre mit der er gesprochen hätte und er hätte einen Termin bei uns. Und ob er unsere Toilette benutzen dürfte.

      SHYLOCK: Aber du hast nicht gefragt, wie er heißt?

      WATTSEN: Nein. Ich nehme an, es ist Werner Hirthe, aber er ist…

      SHYLOCK: …ein bisschen zu früh, schon klar. Und wenn es nicht Werner Hirthe ist…

      WATTSEN: …dann ist er extrem zu früh…

      SHYLOCK: …denn sein Termin wäre dann…

      WATTSEN: …morgen!

      SHYLOCK: Das wäre in der Tat ein wenig zu früh.

      WERNER: (kommt herein) Vielen Dank, dass ich Ihre Toilette benutzen durfte.

      SHYLOCK: Gar kein Problem.

      WERNER: Ich bin ein bisschen zu früh, glaube ich.

      SHYLOCK: Das kommt darauf an.

      WERNER: Oh. Worauf?

      SHYLOCK: Wer Sie sind!

      WERNER: Ach so. Ja, entschuldigen Sie, mein Name ist Werner Hirthe und ich glaube, wir hatten telefoniert.

      SHYLOCK: Sie hatten telefoniert. (deutet auf Wattsen und ihn, reicht ihm dann die Hand) Mein Name ist Shylock Holmes.

      WERNER: Werner Hirthe. Das ist ein ungewöhnlicher Name.

      SHYLOCK: Man gewöhnt sich dran. Nehmen Sie doch bitte Platz.

      WERNER: Gerne. Danke.

      SHYLOCK: Was zu trinken?

      WERNER: Dann muss ich so oft zur Toilette. Ach, was soll’s, ein Bier bitte.

      SHYLOCK: Wir haben nur Wasser, fürchte ich.

      WERNER: Dann ein Wasser.

      SHYLOCK: Ohne Kohlensäure!

      WERNER: Das ist fein.

      SHYLOCK: (macht es) Herr Hirthe, welches Motiv hatten Sie…

      WATTSEN: (sieht ihn böse an)

      SHYLOCK: …einem Schützenverein beizutreten? (reicht ihm das Glas)

      WERNER: Danke. Nun, ich war ein kleiner Junge und ich habe auf dem Land gelebt. Da gibt es nicht viel. Und wenn man zur Gemeinschaft dazugehören will, dann tritt man dem Schützenverein bei oder der freiwilligen Feuerwehr.

      WATTSEN: Und Sie haben sich für den Schützenverein entschieden!?

      WERNER: Ich bin beidem beigetreten. Hatte ich „oder“ gesagt? Ich meinte „und“. Man tritt beidem bei. Das Wasser schmeckt merkwürdig.

      SHYLOCK: Ja, das hab ich auch schon gehört. Also Schützenverein und freiwillige Feuerwehr. Schießen oder Löschen.

      WERNER: Es geht um andere Dinge.

      WATTSEN: Sie meinen Kameradschaft und Gemeinschaftsgefühl?

      WERNER: Nein, Trinken. Viel trinken. Das ist oft das einzige, was man auf dem Land tun kann. Auf den Feldern oder im Stall arbeiten oder trinken. Ich meinte „und“.

      SHYLOCK: Und wenn Sie trinken meinen…

      WERNER: Alkohol! In rauen Mengen. Das Landleben kann sehr langweilig sein. Aber es sind diese Vereine, die das Gemeinschaftsgefühl erhalten.

      SHYLOCK: Sind Sie noch immer bei der freiwilligen Feuerwehr?

      WERNER: Nein. Ich hatte Probleme mit meiner Leber.

      SHYLOCK: Wie ging es weiter?

      WERNER: Ich bin in die Stadt gezogen. Ich hatte Abitur und habe studiert. Das war eine schöne Zeit. Aber dann habe ich irgendwann festgestellt, dass ich das Landleben ein bisschen vermisse.

      WATTSEN: Und deshalb sind Sie einem Schützenverein beigetreten?

      WERNER: Das ist richtig. Dürfte ich Ihre Toilette noch einmal benutzen?

      SHYLOCK: Aber natürlich.

      WERNER: Danke. (erhebt sich)

      WATTSEN: (will ihm den Weg weisen)

      WERNER: Ich finde den Weg schon. (verschwindet auf die Toilette)

      SHYLOCK: (wendet sich dem Computer zu)

      WATTSEN: Was machst du da?

      SHYLOCK: Na, wir haben doch gerade Pause, oder?

      WATTSEN: Wir könnten über den Fall sprechen.

      SHYLOCK: Was willst du wissen?

      WATTSEN: Wer der Täter war!

      SHYLOCK: Ist im Moment noch ein bisschen diffus. Hat sonst noch jemand einen Schlüssel?

      WATTSEN: Für den Waffentresor? Nein, praktischerweise nur unsere Verdächtigen.

      SHYLOCK: Und das Opfer.

      WATTSEN: Bitte?

      SHYLOCK: Na, das Opfer wird doch auch einen gehabt haben.

      WATTSEN: Ja, und?

      SHYLOCK: Was, wenn die Person, die das Opfer angeblich gefunden hat, der Täter war? Hat den Schlüssel des Opfers genommen, die Waffe geholt, das Opfer erschossen und die Waffe wieder eingeschlossen.

      WATTSEN: Es gibt ein paar Dinge, die dagegen sprechen.

      SHYLOCK: Die da wären?

      WATTSEN: Die Fingerabdrücke.

      SHYLOCK: Okay, ja, die hatte ich vergessen.

      WATTSEN: Und natürlich die Leute, die die Leiche gefunden haben.

      SHYLOCK: Denen kann man vertrauen, weil…?

      WATTSEN: …sie die Polizei sind? Die haben spät am Abend Licht im Vereinsheim bemerkt und haben sicherheitshalber mal nachgesehen.

      SHYLOCK: Tja, klingt so, als könnten wir die dann wohl ausschließen.

      WERNER: (kommt herein) Bin ich zu früh.

      SHYLOCK: Sie sind genau richtig.

      WERNER: Danke, dass ich Ihre Toilette benutzen durfte.

      SHYLOCK: Kein Problem. Noch ein Wasser?

      WERNER: Nein, danke. (setzt sich) Sie haben sicher noch Fragen an mich.

      SHYLOCK: Eine ganze Menge.

      WATTSEN: (sieht ihn böse an)

      SHYLOCK: Ein paar. Kleine. Hier und da.

      WERNER: Fragen Sie.

      SHYLOCK: Nun… jetzt hab ich’s vergessen.

      WATTSEN: Wie lange sind Sie schon in dem Schützenverein?

      WERNER: Seit 41 Jahren.

      WATTSEN: Waren Sie jemals Schützenkönig?

      WERNER: Nein. Wissen Sie, es geht mir nicht so ums Schießen.