WATTSEN: Die kommen alle morgen.
SHYLOCK: Dann haben wir jetzt Zeit für was anderes?
WATTSEN: Zeit? Verdammt, es ist Zeit!
SHYLOCK: Geht es noch kryptischer?
WATTSEN: (sieht auf ihre Uhr) Es ist Zeit. Für den Anruf. Genau jetzt.
SHYLOCK: Offensichtlich ja!
WATTSEN: Wir müssen telefonieren.
SHYLOCK: Ich kann dich sehen und hören, also…
WATTSEN: Es geht um unseren Auftraggeber.
SHYLOCK: Ah. Der kommt… nein, der ist im Knast, der wird wohl kaum hierher kommen. Besuchen wir ihn?
WATTSEN: Nein. Er ruft uns an.
SHYLOCK: Er… was?
WATTSEN: Er ruft uns an. Jetzt gleich. Um diese Zeit.
SHYLOCK: Ich nehme an, das hat einen Grund?!
WATTSEN: Ich bin davon ausgegangen, dass du mit ihm sprechen möchtest?
SHYLOCK: Das stimmt.
WATTSEN: Da gibt es nur ein kleines Problem. Sagt dir der Name O. Thello etwas?
SHYLOCK: Bühnenfigur oder Polizeiinspektor?
WATTSEN: Letzteres.
SHYLOCK: Mit dem hab ich mal einen Fall bearbeitet.
WATTSEN: Und er ist derjenige, der diesen Fall bearbeitet. Deshalb möchte er nicht, dass du dich da einmischst. Also hast du Hausverbot im Knast. Und ich musste was anderes arrangieren.
SHYLOCK: Dass er uns hier anruft?!
WATTSEN: Dass er uns hier anruft! (hält ihr Handy hoch)
SHYLOCK: Super, Freisprechanlage.
WATTSEN: Das ist… ein weiteres Problem: Nachdem ich die Sache vereinbart hatte, habe ich festgestellt… dieses Handy hat keine Freisprechanlage.
SHYLOCK: Hm! Ich würde dir meins anbieten…
WATTSEN: …aber das ist noch veralteter als das hier.
SHYLOCK: Japp!
WATTSEN: (das Handy klingelt) Das ist er. Hallo? Oh. (hält den Hörer zu) Meine Nichte.
SHYLOCK: Die nervige oder die andere?
WATTSEN: Welche andere?
SHYLOCK: Das hatte ich befürchtet!
WATTSEN: (ins Handy) Chloe, wie geht es dir? Ja, er ist hier.
SHYLOCK: Ist er nicht!
WATTSEN: (ins Handy) Ich kann mir gut vorstellen, dass er mit dir sprechen möchte.
SHYLOCK: Das nenn ich Phantasie.
WATTSEN: (ins Handy) Wie kommst du denn auf die Idee? Natürlich mag er dich!
SHYLOCK: Erzähl ihr doch nicht son Mist.
WATTSEN: (ins Handy) Nein, warum sollte er dir erzählen, dass er umgezogen ist? Ach, das ist doch übertrieben. (hält den Hörer zu) Sie meint, du wärst umgezogen, damit sie dich nicht mehr finden kann.
SHYLOCK: Verdammt, das ist keine schlechte Idee. Warum bin ich nicht darauf gekommen?
WATTSEN: Aber selbstverständlich. (hält den Hörer zu) Möchtest du mit ihr sprechen?
SHYLOCK: Auf gar keinen Fall!
WATTSEN: (ins Handy) Er ist gerade… auf der Toilette. Das kann ne Weile dauern. Du hast… was??? Das ist… nein, warte, das musst du mir genau erzählen. (geht hinaus, vergisst aber ihren Schlüssel)
SHYLOCK: Dein Schlüssel! Oder benutz den… unter der Matte. Der Schlüssel unter der Matte. Hey! (zum Computer) Der Schlüssel liegt unter der Matte. Was für ein Klischee. Andererseits: Wo sonst soll man den Schlüssel hintun für den Fall, dass man sich mal aussperrt? Ich habe da ein ganz tolles Versteck – aber ich werde den Teufel tun, es zu verraten! Nein, ich sag’s euch nicht mal durch die Blume. Wo wir schon mal bei Blumen sind, was schenkt man seiner Geliebten eigentlich zum Jubiläum? Oh, und wo wir schon mal dabei sind: Heißt es teure Geliebte oder treue Geliebte? Wahrscheinlich teure Geliebte, weil sie einen eine Menge Geld kostet. Und wenn sie eine Geliebte ist, wird Treue bei ihr nicht besonders hoch im Kurs stehen, also würde treue Geliebte keinen Sinn ergeben. (es klopft an der Tür) Komme schon! (zum Computer) Zeit, meiner Partnerin die Augen zu öffnen – oder zumindest die Tür. (steht auf und geht die Tür öffnen, wobei er sich unterwegs den liegen gelassenen Schlüssel schnappt)
WATTSEN: Ich hab meinen…
SHYLOCK: (hält ihn ihr vor die Nase)
WATTSEN: Danke.
SHYLOCK: Keine Ursache.
WATTSEN: Chloe lässt schön grüßen. Sie hat gesagt, sie kommt nächste Woche vielleicht vorbei.
SHYLOCK: Es wird Zeit, wieder umzuziehen.
WATTSEN: (das Handy klingelt) Das ist er.
SHYLOCK: Das hast du schon mal gesagt.
WATTSEN: (ins Handy) Hallo? Er ist es.
SHYLOCK: Ich freu mich.
WATTSEN: (ins Handy) Ja, ich bin es, Katrin Wattsen. Shylock Holmes ist auch hier, so, wie wir es verabredet hatten. Ja, es ist ein komischer Name. (zu Shylock) Er sagt Hallo.
SHYLOCK: Hallo zurück.
WATTSEN: (ins Handy) Hallo zu… ach, Sie können ihn hören. (zu Shylock) Er kann dich hören.
SHYLOCK: Und ich kann dich hören!
WATTSEN: (ins Handy) Er konnte hören, dass Sie ihn hören konnten. Soll ich Sie jetzt weiterreichen?
SHYLOCK: Moment.
WATTSEN: Moment. (zu Shylock) Was ist?
SHYLOCK: Ich glaube, es wäre sinnvoller, wenn wir beide seine Antworten hören, oder?
WATTSEN: Ja, da könntest du recht haben. (ins Handy) Wir werden es so machen, dass Sie mir Ihre Antworten sagen und ich sage sie dann weiter, in Ordnung. (zu Shylock) Er ist einverstanden.
SHYLOCK: Super. Das wird… anders. Okay, fangen wir an. Herr Bauschulte, wie geht es Ihnen?
WATTSEN: (ins Handy) Moment, bitte. (zu Shylock) Bist du sicher, dass das eine angemessene Frage ist?
SHYLOCK: Es ist eine höfliche Frage und ich hätte sie in nem normalen Verhör möglicherweise auch gestellt.
WATTSEN: Okay. (ins Handy) Frage geklärt. Wie geht es Ihnen? (zu Shylock) Nicht so gut, das Gefängnis macht ihm zu schaffen.
SHYLOCK: Das tut mir leid.
WATTSEN: Er fragt, wie wir mit den Untersuchungen vorankommen.
SHYLOCK: Nun, wir haben leider noch nicht mit allen Zeugen sprechen können.
WATTSEN: (ins Handy) Bitte? (zu Shylock) Er fragt, wieso „Zeugen“, das wären doch alles Verdächtige.
SHYLOCK: Du hast… Wir haben leider noch nicht alle Verdächtigen verhören können.
WATTSEN: (ins Handy) Aber wir haben für morgen die drei noch ausstehenden auf der Liste. Nein, das habe ich zu Ihnen gesagt.
SHYLOCK: Herr Bauschulte…
WATTSEN: (zu Shylock) Er möchte, dass du ihn Theo nennst.
SHYLOCK: Nein! Herr Bauschulte, in welchem Verhältnis standen Sie zu dem Ermordeten?
WATTSEN: (zu Shylock) Er sagt, er habe ihn gut gekannt.
SHYLOCK: Wie lange.
WATTSEN: (zu Shylock) Er sagt, seit mehreren Jahren.
SHYLOCK: Mehr als 10?
WATTSEN: (zu