zu Kevin hinüber. Dieser schwieg und blickte nur nichtssagend auf das Cinderella-Top. »Ich wette Mia. Er hat schließlich DICH angesprochen, nicht mich.«
»Paisley!« Meine Stimme klang schrill und überschlug sich fast. In diesem Moment erkannte ich durch die Schaufensterscheibe ein mir bekanntes Gesicht. Blake! Seine fast schwarzen, kurzen Haare und das markante Kinn waren unverwechselbar. Suchend schaute er sich vor der Damenboutique um. Ruckartig zog ich Paisley hinter den nächstbesten Kleiderständer und von Kevin weg.
»He. Was …?«
»Blake ist da draußen! Wir dürfen ihm nicht auch noch begegnen.«
Meine beste Freundin reckte ihr Kinn und entdeckte den groß gewachsenen Jungen ebenfalls. »Verflixt.«
»Lasst mal, Mädels. Ich denke, ich bin euch noch etwas schuldig. Ich werde ihn ablenken und ihr verschwindet aus dem Laden.« Schon trat er nach draußen zu seinem Freund. Ich war zu überrumpelt, um etwas zu erwidern. Wild gestikulierend redete Kevin nun auf den E-Bassisten von 4 United Tones ein.
»Wir sollten schleunigst von hier verschwinden«, stieß Paisley hervor. Sie hatte Recht. Kevin würde Blake nicht ewig hinhalten können. Bis dahin mussten wir es aus dem Laden geschafft haben. In geduckter Haltung rannte ich hinter ihr her durch den zweiten Ladeneingang. Zu unserem großen Glück besaß das Geschäft sowohl auf der Nordals auch auf der Südseite eine Tür. Denn trotz Kevins Ablenkungsmanöver blieb Blake unbeirrt weiter direkt vor dem Nordeingang der Damenboutique stehen.
Kapitel 3
»Was machen wir denn jetzt?« Mein Puls hatte sich in den letzten Minuten um das doppelte beschleunigt. Eigentlich war ich davon ausgegangen, dass mein Aushilfsjob als Weihnachtselfe in diesem Minikleid das einzige Übel an diesem Tag sein würde. Stattdessen sorgte meine Arbeitsuniform jetzt auch noch dafür, dass ich mich in die Hetzjagd eines Kinofilms hineinversetzt fühlte. Und leider war ich die Verfolgte. Der Umstand, dass gleich vier Jungs nach einem Mädchen im Weihnachtselfenkostüm suchten, das sie nur allzu gern küssen wollten, schien auf den ersten Blick wie eine tolle Weihnachtsromanze zu klingen. Aber leider war das keine romantische Komödie.
»Auf jeden Fall nicht in Panik ausbrechen.« Zur Verdeutlichung zog mich Paisley von der gut besuchten Eingangstür der Damenboutique weg und hinter sich her in eine Traube einkaufswütiger Menschen, die sich ihren Weg Richtung diverser Geschäfte bahnten. »Pass dich dem Tempo der anderen an. Dann fallen wir weniger auf.«
»Selbst im Schneckentempo würden wir auffallen. Hast du etwa schon das Elfenminikleid vergessen?! Wenn mich Jonah darin sieht, bin ich erledigt.«
»Dann sorgen wir einfach dafür, dass er uns nicht zu Gesicht bekommt.«
»Haha. Und wie? Sollen wir uns etwa in der Damentoilette einsperren und warten, bis es nach 14:30 Uhr ist?«
»Natürlich nicht. Das wäre albern. Wir brauchen schließlich noch unsere Weihnachtsgeschenke und um 14:30 Uhr beginnt schon unser Job. Dann sind die Jungs ja hoffentlich schon wieder aus dem Einkaufszentrum verschwunden.«
»Wie kannst du jetzt an Geschenkekaufen denken?« Ich blickte immer wieder unsicher über meine Schulter. Das merkwürdige Gefühl beschlich mich, dass wir beobachtet wurden. War etwa schon einer der 4 United Tones-Jungs auf uns aufmerksam geworden? Vielleicht eilte bereits Mike, Blake oder Jonah hinter uns her, um sich leicht verdiente 100 Punkte zu holen. Jeden Moment rechnete ich mit einer Hand auf meinem Arm, die mich herumwirbelte und jemandem, der mir einen Kuss auf die Lippen drückte. Ich erschauderte. Bildete ich mir das nur ein oder bewegte sich da ein junger Mann hinter der Menschentraube eilig auf uns zu? Plötzlich hatte ich den Eindruck, alle umstehenden Menschen starrten uns an. Warum richtete nicht gleich einer einen Scheinwerfer auf uns und schrie laut: »Hier sind die Weihnachtselfen!«. Himmel, wurde ich jetzt schon paranoid?
»Wir sollten uns am besten aufteilen.«
»Was?«, schockiert blieb ich stehen und brachte damit eine junge Frau mit großen Einkaufstüten hinter mir dazu, fast in mich hineinzulaufen. Laut schimpfend schüttelte sie verärgert den Kopf und sah mich entrüstet an. Ich beeilte mich, eine Entschuldigung zu murmeln. Fing ja schon super an mit dem unsichtbar bleiben und unauffällig verhalten. Paisley stoppte ebenfalls und griff erneut nach meiner Hand, nur um mich sogleich wieder in Bewegung zu setzen.
»Pass auf. Ich habe noch keine Ahnung, was ich meiner Mutter kaufen soll. Das mit dem Schal ist im Prinzip eine gute Idee. Aber vielleicht fällt mir noch etwas Ausgefalleneres ein. Dafür weiß ich schon ganz genau, was ich meinem Vater schenken möchte; etwas aus dem Elektronikgeschäft. Und da wir jetzt wissen, dass Jonah, Mike und Blake nach uns Ausschau halten, sollten wir versuchen uns immer möglichst kurz in allen Geschäften aufzuhalten. Das heißt, nicht lange nach Geschenken suchen, sondern zielstrebig vorgehen und wachsam bleiben. Kevin wird uns mit Sicherheit im Auge behalten. Aber eher, um uns zu helfen und uns zu decken. Die Chance auf einen Kuss von dir hatte er ja schließlich schon und er hat sie nicht genutzt.«
»Würdest du bitte damit aufhören! Ich fühle mich in diesem Aufzug sowieso schon total lächerlich. Und jetzt darf ich auch noch vor Jonah wegrennen.« Ich strafte meine beste Freundin mit einem verärgerten Blick.
»Gut, pass auf. Für meinen Vater werde ich ein neues Videospiel besorgen. Er liebt es, nach der Arbeit seine Sachen in die Ecke zu stellen und entspannt am Fernseher oder Computer eine Runde zu zocken. Das hilft ihm, vom Arbeitsalltag abzuschalten. Zumindest behauptet er das. Ich glaube ja, er ist nie richtig erwachsen geworden und liebt es einfach immer noch, irgendwelche Miniaturautos zu Schrott zu fahren.« Sie kicherte kopfschüttelnd.
»Allerdings wird Mum wenig begeistert davon sein …« Für einen Moment war Paisley in Gedanken versunken. Vermutlich in der Überlegung, ob sie jetzt ihrem Vater oder doch lieber ihrer Mutter einen Gefallen tun sollte. Eilig räusperte ich mich, um sie wieder auf unser eigentliches Problem aufmerksam zu machen. »Entschuldige, wo waren wir? Ach ja. Um nicht unnötig hier im Einkaufszentrum herumzuirren, werde ich am besten jetzt gleich in das Elektronikgeschäft im 3. Stock gehen und das Geschenk kaufen.«
»Aber da befindet sich doch laut Kevins Aussage gerade mein Bruder Jonah. Wenn er dich sieht und erkennt, dann braucht er nur eins und eins zusammenzuzählen. Schon weiß er, dass ich dieses Jahr die zweite Weihnachtselfe bin. Wir sind beste Freundinnen. Da ist das doch klar.«
»Ich werde natürlich aufpassen, dass mich niemand bemerkt.« Das war leichter gesagt als getan. Niemand konnte seine Augen überall haben. Mittlerweile war das Einkaufszentrum wie erwartet überdurchschnittlich gut gefüllt. Egal in welche Richtung ich blickte, überall eilten bunt gekleidete Menschen durch die Passagen und blickten in die Schaufenster, stets auf der Suche nach den letzten Geschenken. Man hatte keine Chance, die vier Jungs in der Masse auszumachen. Wahrscheinlich hätte sich auch ein Promi im Einkaufszentrum aufhalten können und ich hätte ihn nicht erkannt. Andererseits lag auch etwas Wahres in Paisleys Worten.
»Und was soll ich in der Zwischenzeit machen?«
»Du kannst ebenfalls was für deine Mum oder deinen Dad besorgen.« Gute Idee. Ich konnte ja schlecht die ganze Zeit hier herumstehen, die Menge nach den 4 United Tones-Boys absuchen und darauf warten, dass Paisley zurückkam. Mir fiel ein, dass es im Erdgeschoss ebenfalls eine große Damenboutique gab. Wenn Blake und Kevin also das neue Modegeschäft angesteuert hatten, war ich dort vielleicht sicher und konnte mich in »Ruhe« nach einem Schal für meine Mutter umschauen.
»Schön. Ich werde im Erdgeschoss nach einem Geschenk für meine Mum suchen und anschließend etwas für meinen Dad besorgen.«
Paisley nickte zufrieden. »Dann treffen wir uns in einer halben Stunde wieder hier.«
Zwar war ich immer noch nicht hundertprozentig von diesem Plan überzeugt, stimmte jedoch zu. Mir behagte der Gedanke, als Treffpunkt einen Ort zu wählen, der unmittelbar in der Nähe von der neuen Damenboutique lag, allerdings wenig. Kevin hatte uns hier bereits entdeckt. Warum sollten das nicht auch die anderen aus