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Handbuch des Verwaltungsrechts


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Steuerungsmodell“ in den 1990er Jahren einen so großen Einfluss auf die Verwaltungsreformpolitik gerade in den alten Bundesländern erringen konnte, dürfte vor allem mit den hiermit verbundenen Hoffnungen nach Einsparungen zum Ausgleich der durch die Wiedervereinigung bedingten erheblichen Transferleistungen von West nach Ost verbunden gewesen sein.[142] Rechtlich erforderte das „Neue Steuerungsmodell“ vor allem eine Flexibilisierung des Haushaltsrechts und des öffentlichen Dienstrechts. Gerade dies ermöglichte der Politik, Verwaltungsorganisations- und Dienstrechtsreformen als einzelne Schritte zur Umsetzung des (positiv besetzten) „Neuen Steuerungsmodells“ auszuflaggen.[143]

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      Umsetzungsdefizite

      Mittlerweile hat das „Neue Steuerungsmodell“ an „Strahlkraft“ verloren:[144] Die grundlegende Finanznot von Staat und Kommunen lässt sich nicht durch reine Organisationsverbesserungen beheben.[145] Auch standen die Reformkosten nicht immer im rechten Verhältnis zum praktischen Nutzen der Maßnahmen.[146] Teilweise konnten die Reformen nach dem Konzept des „Neuen Steuerungsmodells“ nicht greifen, weil dieses aus einem Bündel aufeinander abgestimmter Maßnahmen bestehende Modell[147] auf Landes- und Kommunalebene nur teilweise verwirklicht und in unterschiedlichen Stadien (auch aus Kostengründen) „stecken“ geblieben ist. Die vom „Neuen Steuerungsmodell“ angestrebte „Outputsteuerung“ setzte aber vor allem die Messung der Outputs in Form von Kennzahlen voraus, ohne dass bisher für alle Verwaltungsleistungen uneingeschränkt brauchbare Messinstrumente gefunden sind.[148]

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      Fernwirkungen des „Neuen Steuerungsmodells“

      Wenn auch das „Neue Steuerungsmodell“ als Gesamtkonzept heute geringere Leitfunktionen für Verwaltungsreformen entfaltet, so ist doch seine „Rhetorik“ nach wie vor wirkmächtig: So scheint das Konzept der „Eingliederungsvereinbarung“ nach dem Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003[149] (Hartz IV Reform) durchaus von der Idee des „Kontraktmanagements“ geprägt.[150] Darüber hinaus wurden mit den Begriffen der „Effizienzsteigerung“ und „Kundenorientierung“ als Synonyme für „Bürgernähe“ positiv konnotierte Begriffe in den Verwaltungsreformdiskurs zur Bezeichnung von Maßnahmen eingeführt, die vor allem Einsparungen durch Einschränkungen von Verwaltungsleistungen und Personalabbau ermöglichen sollen. Dies betrifft etwa die bereits erwähnten Maßnahmen zum Abbau des Widerspruchsverfahrens,[151] aber auch die Tendenz in einigen Flächenstaaten, Fachbehörden aufzulösen und deren Aufgaben als „Gesamtpaket“ auf die „bürgernäheren“ Kommunen zu übertragen – was generell zu einer Reduktion der für die betroffene Aufgabe zur Verfügung gestellten Ressourcen, zur „Kommunalpolitisierung“ der Aufgabe und teilweise auch zu einem „kalten Aufgabenabbau“ führt.[152] Auch die durch die Föderalismusreform 2006[153] ermöglichten Dienstrechtsreformen sind sowohl vom „Wettbewerbsgedanken“ (nun auch zwischen den Ländern durch weitgehende Reföderalisierung) und Bemühungen zur Einführung leistungsorientierter Besoldungs- und Aufstiegssysteme geprägt.[154] Ähnlich wie beim „Neuen Steuerungsmodell“ hat sich aber noch nicht erwiesen, dass diese Reformen den öffentlichen Dienst sowohl effizienter wie attraktiver gemacht hätten. Die „Leistungsmessung“ ist (auch)[155] hier die „Achillesferse“ der Dienstrechtsreformen.[156] Zudem hat sich gezeigt, dass die Einführung leistungsorientierter Besoldungselemente zur Verdeckung einer Besoldungskürzung dienen kann, wenn die tatsächliche Nicht-Auskehrung der Leistungszulagen als Sparmaßnahme entdeckt wird.[157]

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      Eingliederungsvereinbarung als „Kontraktmanagement“?

      Es ist schon darauf hingewiesen worden,[158] dass gewisse Elemente des „Neuen Steuerungsmodells“ in die großen Reformen der Arbeitsmarktregulierung der rot-grünen Koalition (14. und 15. Wahlperiode) eingeflossen sind (ohne dass gesagt werden kann, diese Reformen seien eine Umsetzung des „Neuen Steuerungsmodells“).[159] So übertrug das Gesetz zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 10.12.2001 (Job-AQTIV-Gesetz)[160] mit der Eingliederungsvereinbarung (§ 6 und § 35 Abs. 4 SGB III i. d. F. des Job-AQTIV-Gesetzes [heute § 37 SGB III]) das „Kontraktmanagement“ erstmals auf die Rechtsbeziehungen zwischen Staat und Bürger. Als Handlungsform des „Förderns und Forderns“ ist die Eingliederungsvereinbarung jedoch vor allem durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003[161] (sog. Hartz IV Reform) in das Recht der Grundsicherung für Arbeitssuchende implementiert worden (§ 2 Abs. 1, § 15 SGB II). Kennzeichnend für die Eingliederungsvereinbarung ist, dass sowohl die Pflichten des Leistungsberechtigten als auch die ihm zustehenden Förderleistungen individuell – bezogen auf seinen konkreten Fall und sein „Potenzial“ zur Eingliederung/Vermittlung in den Arbeitsmarkt – auf Grundlage eines Verhandlungsprozesses vereinbart werden sollen.[162] Das „Potenzial“ des Leistungsberechtigten (die für die Eingliederung/Vermittlung erforderlichen persönlichen Merkmale, berufliche Fähigkeiten und die Eignung) ist dabei zunächst in einer „Potenzialanalyse“ zu ermitteln (vgl. heute § 15 Abs. 1 SGB II,[163] § 37 Abs. 1 SGB III), deren Ergebnisse dann Grundlage für die Eingliederungsvereinbarung sein sollen; kommt eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande, kann sie durch Verwaltungsakt ersetzt werden (§ 15 Abs. 3 S. 3 SGB II, § 37 Abs. 3 S. 4 SGB III). Die Nichteinhaltung der sich aus der Eingliederungsvereinbarung ergebenden Pflichten des Leistungsberechtigten kann im Recht der Grundsicherung nach den §§ 31 ff. SGB II,[164] im Recht der Arbeitsförderung indirekt nach § 159 Abs. 1 Nr. 3 SGB III sanktioniert werden.[165] Das SGB II sieht zudem vor, dass für jeden Leistungsberechtigten und die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft Lebenden ein „persönlicher Ansprechpartner“ in der Agentur für Arbeit zu benennen ist (§ 14 Abs. 3 SGB). Dieser Fallmanager[166] soll den Leistungsberechtigten individuell entsprechend seinem „Potenzial“ fördern – und fordern.

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      Vom Sachbearbeiter zum Fallmanager?

      Der „persönliche Ansprechpartner“ soll damit nicht mehr nur als schlichter „Sachbearbeiter“ das Vorliegen der gesetzlich fixierten Tatbestandsmerkmale von Leistungsansprüchen prüfen. Er hat – jedenfalls in „schweren“ Fällen – die Funktion eines Sozialarbeiters zu übernehmen, der mittels „Potenzialanalyse“ und Eingliederungsvereinbarungsentwurf einen „Hilfeplan“ erstellt.[167] Richtiges Fallmanagement stellt damit nicht nur höchste Anforderungen an die kommunikativen und psychologischen Fähigkeiten des Fallmanagers, sondern setzt auch eine hervorragende Kenntnis der Arbeitsmarktlage im Allgemeinen und den Branchen voraus, für die der einzugliedernde Hilfebedürftige Einstellungspotenzial aufweist.[168] Nur dieses durch individuelle Betreuung ermöglichte passgenaue Zuschneiden der zu erbringenden Sozialleistungen (das nicht mit Paternalismus zu verwechseln ist)[169] vermag auch die Abkehr von dem in der grundlegenden Entscheidung des BVerwG vom 24.6.1954[170] zu dem aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip hergeleiteten Grundsatz zu rechtfertigen, dass dort, wo das Gesetz dem Sozialleistungsträger Pflichten auferlegt, der Bedürftige entsprechend durchsetzbare Rechte hat,[171] in diesen Fällen also gebundene Verwaltung die Regel, Leistungen nach Ermessen die Ausnahme sein sollten.[172]

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      Eingliederungsvereinbarung als Farce?

      Im Grundsicherungsrecht zeigten sich jedoch erhebliche Mängel bei der Umsetzung des Fallmanagements durch die Jobcenter: Diese beschränkten sich teilweise darauf, Personen als Fallmanager einzusetzen, die vorher als Sachbearbeiter bei der Leistungsberechnung tätig waren. Zudem war die Falllast für die einzelnen Fallmanager zu hoch, um tatsächlich von einem „Ansprechpartner“ sprechen zu können.[173] Tatsächlich legt das SGB II weder eine Höchst-Falllast noch ein Anforderungsprofil für persönliche Ansprechpartner verbindlich fest.[174] Dementsprechend wurde das Verhandlungsmodell der Eingliederungsvereinbarung als Farce wahrgenommen, wenn den Leistungsberechtigten eine Standard-Eingliederungsvereinbarung ohne Rücksicht auf ihren individuellen Fall – unter Androhung der in § 31 Abs. 1 Nr. 1 lit. a SGB II ursprünglich vorgesehenen (seit 2011 abgeschafften) Sanktion für den Nichtabschluss einer Eingliederungsvereinbarung[175] –