sagte ein Mann, »dann wäre es doch schrecklich. Gestern abend waren die Enkelkinder zu Besuch. Da sollen die Jungens heimlich hinauf auf den Boden gegangen sein, um Zigaretten zu rauchen. Wahrscheinlich hat das umherliegende Gerümpel Feuer gefangen. Das kommt vom heimlichen Rauchen.«
Aufmerksam hatte Pommerle den Worten gelauscht. Es blickte von einem zum anderen, sah den Jule, der wie versteinert in der Tür stand. Warum riß er die Augen so weit auf? Warum sah er plötzlich so ganz anders aus? Und dann drehte sich der Jule um, Pommerle sah, wie er davonlief, er stürmte durch den Garten, weiter und weiter.
Was hatte der Mann gesagt? Zum ersten Male hatte der Jule gestern eine Zigarette geraucht. Er hatte einen guten Bekannten getroffen, nicht älter als er selbst, der hatte Zigaretten gehabt. Der Jule hatte bisher stets neidvoll auf alle jene gesehen, die rauchten. Ihm hatte man es verboten. Der Meister meinte, daß ein junger Bursche im ersten Lehrjahre noch nicht zu rauchen brauche. Und auch von Professor Bender hatte er niemals eine Zigarette bekommen. Gestern hatte ihm der Freund eine geschenkt, und am Abend hatte sich der Jule ganz heimlich in die bereits geschlossene Werkstatt geschlichen und dort geraucht.
»Die Werkstatt brennt«, murmelte Jule vor sich hin, während er im Sturmschritt die Straße hinunterlief. »Die Werkstatt brennt, ich habe sie angezündet, ich habe ja geraucht.« Er lief gegen zwei daherkommende Männer, die sich auch des Nachts aufgemacht hatten, um das schaurige Schauspiel zu betrachten. Er hörte nicht die Scheltworte der beiden. Nur weiter, daß er das Feuer in der Werkstatt löschen konnte.
Totenblaß, mit klopfendem Herzen erreichte der Jule das Haus Meister Reichardts. Es lag in tiefem Dunkel. Er ging hinter zur Werkstatt, schob den Riegel zur Seite. Alles war finster. Da sank der Jule erschöpft auf einem Haufen Hobelspäne nieder, rieb sich den Schweiß von der Stirn und sandte ein Dankgebet zum Himmel.
»Ich will niemals wieder heimlich rauchen«, sagte er vor sich hin. »Der Rübezahl hat es wohl nicht gesehen, sonst hätte er mir bestimmt einen Streich gespielt.« – –
»Nun aber zu Bett, Pommerle«, mahnte Frau Bender, »und bemühe dich, recht schnell einzuschlafen.«
»Ich bin gar nicht müde, Tante.«
»Doch, mein Kind, es ist kaum vier Uhr früh, da kannst du noch einige Stunden schlafen. Kleine Mädchen gehören um diese Zeit ins Bett.«
Pommerle wollte etwas erwidern, aber die Tante hob warnend den Finger. Sie drückte dem Kinde einen herzlichen Kuß auf die Stirn und wiederholte energisch: »Nun geh schnell zu Bett, wir kommen auch gleich nach.«
Da wußte Pommerle, daß es keine Widerrede gab. Es sagte der Tante gute Nacht und stieg die Treppe empor. Schon im Schlafzimmer der Pflegeeltern vernahm es das freudige Bellen der drei Hunde. Da strahlte das Gesicht des Kindes. Es würde jetzt mit den drei Hündchen schlafen gehen. Wenn das Licht wieder ausgelöscht war, würden auch die drei süßen Tierchen müde sein und schlafen. Ob es die niedlichen weißen Hündchen mit in sein Bett nehmen konnte?
Pommerle trat über die Schwelle. Die drei Hunde kollerten auf dem Teppich übereinander. Einer hielt etwas Graues im Maule, die beiden anderen bemühten sich, dem Bruder das Spielzeug zu entreißen.
Pommerle blickte auf die Hunde. Was hatten die im Maule? Was war das für ein langer Streifen?
Ritsch – ratsch, da war wieder in den Zähnen eines Hundes ein Stück grauer Stoff hängengeblieben. Und nun sah das Kind, was die drei süßen Tierchen angerichtet hatten. Beim schnellen Ankleiden hatte Pommerle auch das Strickzeug herausgeworfen. Der schöne fertige Strumpf, der für den Onkel als Weihnachtsgeschenk bestimmt war, diente den weißen, süßen Hündchen als Spielzeug. Sie schienen sich redlich darein zu teilen, denn jeder hatte ein Stück Strumpf abgerissen.
Anfangs war das Kind starr, dann hätte es am liebsten laut geweint.
»Oh, ihr Reißteufel! Oh, ihr schlimmen Tiere!«
Aber die drei Hunde schienen die Scheltworte als eine Liebkosung zu empfinden. Sie sprangen mit ihrer grauen Beute an dem kleinen Mädchen empor und kläfften es freudig an.
Da begann Pommerle bitterlich zu weinen. Langsam löste es ein Stück Strumpf nach dem anderen aus den Zähnen der Tiere. Hier war freilich nicht mehr viel zu retten.
»Da wollte ich nun mit euch zusammen schlafen gehen; nun dürft ihr zur Strafe nicht mit hereinkommen.«
Pommerle ergriff eins seiner Kopfkissen und warf es verärgert nach den Hunden. Dieses Wurfgeschoß wurde mit Freuden begrüßt. Der Kleinste biß sogleich kräftig hinein. Dem Kinde blieb das Herz stehen.
»Laß los«, rief es ängstlich, »das Bett gehört mir! Du böser Hund, laß doch los!«
Gerade in dem Augenblick, als Pommerle kräftig an dem Kissen zerrte, stürzten auch die beiden anderen Hunde auf das neue Spielzeug.
»Bitte, bitte«, rief Pommerle angstvoll, »laßt doch los, das ist ein gutes Bett! Laßt doch los!«
Es gelang dem Kinde wirklich, das Kissen aus den Zähnen der drei Hunde zu befreien, doch klaffte ein großer Riß in dem weißen Bezug. Ratlos stand das Mädchen vor den freudig wedelnden Tieren. Dann holte es die Leinen wieder herbei, fing einen Spitz nach dem anderen ein, band ihn am Halsband fest und führte die süßen drei Hunde scheu und verlegen wieder die Treppe hinab, hinein in die Küche.
»Das habt ihr nun davon, daß ihr so unartig seid.« Aber es erschien ihm doch zu grausam, die Tiere in der kalten Küche zu lassen. Es suchte noch einige Decken zusammen, dann bekam jeder Hund einen freundschaftlichen Klaps und die gute Ermahnung, zu schlafen. Dann drehte Pommerle in der Küche das Licht aus.
Sehr sorgenvoll stieg es empor. Die Hündchen hatten doch viel Unordnung im Zimmer gemacht. Und der schöne Strumpf! Nun war alles entzwei. Der Strumpf, der Pulswärmer und die kleine Kommode.
Am nächsten Tag berichtete Pommerle der Tante unter Tränen, was sich ereignet hatte.
»Siehst du, mein Pommerle, das kommt davon, wenn man als Kind eigenmächtig handelt. Die Tiere waren in der Küche gut aufgehoben. Sie hätten auch nicht gefroren, denn die Küche ist nicht kalt. Nun hast du dir durch eigene Schuld alle deine Weihnachtsgeschenke selbst verdorben. Siehst du nun ein, daß ein unordentlicher Mensch und einer, der zu vorlaut ist, sich selbst den meisten Schaden zufügt?«
»Ja, Tante, ich sehe das alles ein. Ach, mein schöner Strumpf!«
Als man am Frühstückstische saß, war das Kind still und niedergedrückt. Wie sollte es bis zum Weihnachtsfest neue Geschenke herstellen? Auch wenn Sabine ihm half, würden die Strümpfe für den Onkel nicht fertig werden.
Professor Bender sprach von dem Brande. Still und aufmerksam hörte Pommerle ihm zu.
»Es hätte ein furchtbares Unglück geben können. Die arme Frau Hanke! Durch den Leichtsinn der Knaben hat sie so schwere Verluste zu erleiden.«
Pommerle dachte an das zerrissene Kopfkissen und senkte das Köpfchen. Doch eine weitere Bemerkung des Onkels ließ es wieder aufhorchen.
»Ein schaurig-schöner Anblick war es, das lodernde Feuer in der Nacht. Ja, ja, die Elemente hassen das Gebild von Menschenhand.«
Als der Onkel später allein war, forschte das Kind neugierig:
»Onkel, was sind denn Elemente? Warum hassen die das Gebild von Menschenhand? – Und was ist ein Gebild?«
»Schau, Pommerle, da haben die Menschen in mühsamer Arbeit etwas geschaffen, und ganz plötzlich kommt eine große Kraft, eine Naturkraft, die zerstört alles, was die Menschen aufgebaut haben. Ein Dichter hat diese Worte gesagt. Von dem Dichter Schiller wirst du später auch hören und manches von ihm lernen.«
Darauf ging Pommerle zu den drei Hunden, die vorläufig von Anna betreut wurden. Es setzte sich neben die Hunde, die sogleich auf Pommerles Schoß sprangen.
»Ihr lieben, ihr bösen Tierchen; ihr seid auch solche Elemente! Da habe ich nun wochenlang an dem Strumpfe gestrickt – hört ihr zu? Meine Menschenhände haben den Strumpf gestrickt, nun kommt