Эрнст Гофман

E. T. A. Hoffmann: Ausgewählte Novellen und Erzählungen


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aussprechen.

      Berganza. Es gibt nur eine Wahrheit. – Aber was sagst du zu dem gewissen Mittelgut, das bei euch nur in zu großer Menge zu Markte gebracht wird; – es ist nicht gerade schlecht zu nennen, glückliche Ideen und Gedanken fehlen nicht, aber diese muß man wie den Goldfisch mühsam aus dem Wasser angeln, und die Langeweile, die man dabei empfindet, stumpft den Geist für die momentane Erscheinung irgendeines poetischen Blitzes ganz ab – man wird ihn endlich kaum gewahr.

      Ich. Dies Mittelgut (zugeben muß ich dir leider, daß es dessen bei uns nur zuviel gibt) überlasse ich unbedingt der Diskretion der Regisseurs, die ihre Blei- und Rotstifte daran üben können. Denn gewöhnlich gleicht ein solches Werk den sibyllinischen Büchern, die, soviel man auch davon wegwerfen mochte, noch immer ein brauchbares Ganze blieben, so, daß man den Verlust nicht bemerkte. Vorzüglich herrscht auch eine gewisse Schwatzhaftigkeit darin, eine gewisse Prägnanz, in der jede einzelne Strophe immer die zehn folgenden zu gebären scheint u.s.f., und leider hat ein schon verstorbener großer Dichter, vorzüglich durch seine ersten metrisch geschriebenen Stücke, dazu den mächtigen Anlaß gegeben. – Ja, ja! – Dies Mittelgut mag gestrichen werden. –

      Berganza. Ganz gestrichen! – Es soll gar nicht auf die Bühne kommen, da bin ich ganz deiner Meinung; muß es aber des launenhaften Publikums wegen, das den steten Wechsel neuer Vorstellungen verlangt, aus Bedürfnis, weil die Meisterwerke so selten sind, dennoch auf die Bühne kommen, so finde ich auch hier sogar das Streichen in der gewöhnlichen Art für gefährlich, wo nicht für unzulässig. Auch der mittelmäßigere Dichter hat seine Intentionen, die er manchmal in Szenen verfolgt, die leicht dem unpoetischen Sinn als sogenannte Flickszenen erscheinen können. – Kurz, lieber Freund, nur ein solches Werk im poetischen Feuer zu läutern und so das darin enthaltene Gold, von Schlacken gesäubert, im künstlichen Gefüge zu ordnen, dazu gehört nicht weniger, als daß man selbst ein guter Dichter sei und so die Rechte der Meisterschaft ausübe, die man durch den gereinigtsten Geschmack, durch die tiefste poetische Erfahrung erlangt hat.

      Ich. Freilich ist dieser Maßstab für unsere Bühnendirektoren und Regisseurs nicht tauglich. – Aber unter dem Mittelgut schleicht sich denn doch zuweilen ein poetisches Stück durch, was lebensvoll und kräftig gedichtet, seine Wirkung auf die Menge nicht verfehlen kann. Direktor und Regisseur hatten es gemessen und seine Länge, Breite und Dicke regelrecht gefunden, den Inhalt hatten sie im völligen Einverständnis für ungemein abgeschmackt erklärt, und da es mehrmals von Kennern verlangt, freuten sie sich auf ihren Triumph, wenn das Stück, wie natürlich, ausgepfiffen werden würde. Recht boshafterweise hatte der Regisseur auch von dem heillosen Dichter ganz seine wohltätige Hand abgezogen und ihn ganz in seiner natürlichen Roheit, in seiner Unkenntnis alles theatralischen Effekts bloßgestellt, so daß, wenn er, der Herr Regisseur, nur an die ersten Szenen dachte, er ein vornehmes mitleidiges Lächeln, in dem sich das stolze Bewußtsein eigner Überlegenheit und Größe spiegelte, nicht unterdrücken konnte. – Nun – wer hätte das gedacht! – gefällt aber das lebendige, herrliche Spiel ganz ungemein – es elektrisiert die Menge – stille Andacht und lauter Jubel wechseln, durch die unwiderstehliche Macht der poetischen Wahrheit des Gedichts angeregt – da gibt es denn eine komische Szene zwischen dem Direktor und dem Regisseur, die beide etwas verblüfft die Meinung von dem nicht verstandenen Stück, die sie erst unverhohlen äußerten, nun einander ableugnen. Trifft es sich gar, daß die Schauspieler in einem solchen Stücke recht applaudiert worden sind, so treten auch diese auf die Seite des Dichters, wiewohl sie alle im stillen doch den Unverstand des Publikums belachen, das sich durch die persönliche Vortrefflichkeit der Spieler so blenden ließ, daß es den unverständlichen Unsinn des Gedichts für was Rechtes hielt.

      Berganza. Gar nicht lange her ist es, daß ich ein Beispiel dazu erlebte, was du eben gesagt hast. – Es war das tiefsinnigste und zugleich lebendigste Stück des hochverehrten Calderon de la Barca: »Die Andacht zum Kreuz«, welches man auf vieles Andringen der poetisch Gesinnten in eurer höchst vortrefflichen Übersetzung auf die Bühne brachte, und welches bei dem Publikum sowie hinter den Kulissen alle die ergötzlichen Wirkungen hatte, die du soeben beschriebst.

      Ich. Auch ich habe »Die Andacht zum Kreuz« aufführen gesehen, und der Eindruck auf die Menge war nicht zu verkennen; aber manche hochgebildete Personen fanden das Stück verwerflich, weil es unmoralisch sei.

      Berganza. Eben in diesem Urteil spricht sich eure jetzige Verschrobenheit, ja ich möchte sagen, Verderbtheit aus. – Überhaupt rechne ich den Verfall eures Theaters von der Zeit, als man die moralische Verbesserung der Menschen als den höchsten, ja einzigen Zweck der Bühne angab und so dieselbe zur Zuchtschule machen wollte. Das Lustigste konnte nicht mehr erfreuen, denn hinter jedem Scherz ragte die Rute des moralischen Schulmeisters hervor, der gerade dann am geneigtesten ist, die Kinder zu strafen, wenn sie sich dem Vergnügen ganz überlassen.

      Ich. Ich fühle die kräftigen Hiebe der Rute, schnell wandelt sich das unschickliche Gelächter um in schickliches Weinen.

      Berganza. Ihr Deutsche kommt mir vor wie jener Mathematiker, der, nachdem er Glucks »Iphigenia in Tauris« gehört hatte, den entzückten Nachbar sanft auf die Achsel klopfte und lächelnd fragte: »Aber was ist dadurch nun bewiesen?« – Alles soll noch außer dem, was es ist, was anderes bedeuten, alles soll zu einem außerhalb liegenden Zweck führen, den man gleich vor Augen hat, ja selbst jede Lust soll zu etwas anderm werden, als zur Lust und so noch irgendeinem andern leiblichen oder moralischen Nutzen dienen, damit nach der alten Küchenregel immer das Angenehme mit dem Nützlichen verbunden bleibe.

      Ich. Aber der Zweck der bloßen vorübergehenden Belustigung ist so kleinlich, daß du doch der Bühne gewiß einen höheren einräumen wirst?

      Berganza. Es gibt keinen höheren Zweck der Kunst, als in dem Menschen diejenige Lust zu entzünden, welche sein ganzes Wesen von aller irdischen Qual, von allem niederbeugenden Druck des Alltagslebens wie von unsaubern Schlacken befreit und ihn so erhebt, daß er, sein Haupt stolz und froh emporrichtend, das Göttliche schaut, ja mit ihm in Berührung kommt. – Die Erregung dieser Lust, diese Erhebung zu dem poetischen Standpunkte, auf dem man an die herrlichen Wunder des Rein-Idealen willig glaubt, ja mit ihnen vertraut wird und auch das gemeine Leben mit seinen mannigfaltigen bunten Erscheinungen durch den Glanz der Poesie in allen seinen Tendenzen verklärt und verherrlicht erblickt – das nur allein ist nach meiner Überzeugung der wahre Zweck des Theaters. Ohne die Gabe, diese Erscheinungen des Lebens nicht als unabhängige Einzelnheiten, von der Natur wie ihm zwecklosen Spiel eines launenhaften Kindes hingeworfen, sondern als aus dem Ganzen entspringend und in seinen Mechanism wieder tief eingreifend zu betrachten, im Innern aufzufassen und mit den lebendigsten Farben wiederzugeben, gibt es keinen Schauspieldichter; vergebens ist sonst das Ringen, »der Natur den Spiegel vorzuhalten, der Tugend ihre eignen Züge, der Schmach ihr eignes Bild, dem Jahrhundert und Körper der Zeit den Abdruck seiner Gestalt zu zeigen«.

      Ich. Und hiernach möchte sich auch die Fähigkeit zu beobachten modifizieren, die man hauptsächlich vom Lustspieldichter verlangt.

      Berganza. Allerdings. Aus dem getreuen Beobachten und Auffassen der individuellen Züge einzelner Personen kann höchstens ein ergötzliches Porträt entstehen, das eigentlich nur dann zu interessieren vermag, wenn man das Original kennt und durch den Vergleich damit in den Stand gesetzt wird, die praktische Fertigkeit des Malers zu beurteilen. Als Charakter auf der Bühne wird aber dem zu getreuen Porträt oder der gar aus einzelnen Zügen mehrerer Porträts zusammengepinselten Personage immer die innere poetische Wahrheit fehlen, die nur durch die Betrachtung des Menschen von jenem höheren Standpunkte aus erzeugt wird. – Kurz, der Schauspieldichter muß nicht sowohl die Menschen, als den Menschen kennen. – Der Blick des wahren Dichters durchschaut die menschliche Natur in ihrer innersten Tiefe und herrscht über ihre Erscheinungen, indem er ihre mannigfaltigste Strahlenbrechung in seinem Geiste wie in einem Prisma auffaßt und reflektiert.

      Ich. Deine Ansichten von der Kunst und von dem Theater, lieber Berganza, möchten manchen Widerspruch finden, wiewohl vorzüglich das, was du von der Kenntnis des Menschen und der Menschen sagst, mir recht gut eingeht, und ich darin den Grund finde, warum die Schau- und Lustspiele eines gewissen Dichters, der zugleich praktischer