Glenn Stirling

Roman Paket 9 Glenn Stirling Liebesromane für den Strand


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mal zur Ruhe kommt. Nun wollte ich mal von Ihnen wissen, wie es um Frau Hartwig bestellt ist. Und wie es dem Kind geht.“

      „Augenblick, was das Kind angeht, muss ich nachfragen. Ich bin gerade erst ’rein.“

      Dr. Wolf rief die Säuglingsstation an und erfuhr, dass die Kleine den Umständen nach wohlauf sei. Für ein Siebenmonatskind sei sie auch schon recht kräftig, meinte der Kinderarzt.

      Dr. Wolf erklärte es dem alten Herrn, und plötzlich sagte der:

      „Sagen Sie mal, Herr Doktor, sind Sie nicht der zukünftige Schwiegersohn von Herrn Peschke?“

      „Nicht mehr, Herr Ritter“, erwiderte Dr. Wolf offen.

      Der alte Herr hob erstaunt die Brauen.

      „So? Na, ich wollte nicht indiskret sein. Also zu unserer Sache. Ich möchte diesen jungen Leuten etwas Trost spenden. Wissen Sie, ich bin nicht so wohlhabend, dass ich mit dem Geld um mich werfen könnte, aber ich möchte Sie bitten, wenn Sie Frau Hartwig wieder sprechen können, dass Sie ihr sagen, ich würde ihnen das kleine Haus fertigbauen. Die beiden haben nämlich jede freie Minute geschuftet an ihrem Haus, weil sie möglichst viel selbst machen wollten und ja nicht viel Geld haben. Ich will es also für sie weiterbauen lassen, denn der Heinz hat mir versprochen, dass er bei mir bleiben will. Und ich denke, jetzt schaffe ich diese Mehrkosten schon, weil ich einen guten Auftrag bekommen soll. Die Herren kommen nachher, und ich muss jetzt wieder gehen. Wollte nur, dass Sie Frau Hartwig das sagen. Vielleicht hilft es ihr auch ein bisschen wie Medizin.“

      Er lächelte gütig, und Dr. Wolf spürte eine heiße Wut auf Peschke in sich aufsteigen. Peschke, der im Gelde schwamm, hätte bequem zehn solcher Häuser bauen können, ohne es zu spüren. Aber dieser reiche Peschke wollte sich drücken. Wollte nicht einmal dafür einstehen, was seiner Tochter passiert war.

      „Herr Ritter, ich bin sicher, dass es die beste Medizin ist, die es gibt, nämlich neue Lebenslust zu vermitteln. Dafür danke ich Ihnen. Als Arzt und als Mensch.“

      „Nu, nu, nur nicht gleich so dramatisch, Herr Doktor. Ein bisschen ist es unser aller Pflicht, dem anderen zu helfen, nicht nur Ihre als Arzt.“

      „Dächten alle so wie Sie“, murmelte Dr. Wolf mürrisch.

      „Nicht doch! Es gibt mehr anständige Menschen, als Sie denken. Ich bin nicht mal einer davon. Na, Herr Doktor, Sie gefallen mir. Kommen Sie doch mal bei mir vorbei. Abends habe ich immer Zeit. Sie sicher auch? Meine Frau freut sich auch immer, wenn mal netter Besuch kommt. Und meinen Jungen kennen Sie ja.“

      „Ihren Herrn Sohn?“

      „Ach was, der ist kein Herr! Das würde ich ihm schön abgewöhnen. Mein Kurt fährt genauso auf dem Lastwagen wie Heinz Hartwig. Vor ’nem halben Jahr hatte er doch mal Panne, und Sie haben ihm den Zylinderkopf bei Büssing geholt. Wissen Sie’s nicht mehr? Da hat er mir noch gesagt: Stell dir vor, ausgerechnet der Schwiegersohn vom Peschke hat mir geholfen. Und der war sogar ein ganz prächtiger Bursche! Hat er gesagt, haha! Aber nun muss ich weg. Sie denken daran, Herr Doktor?“

      „Und ob ich daran denke. Bestimmt komme ich auch mal zu Ihnen.“

      Als der alte Herr gegangen war, summte schon das Arztzeichen, und überall in den Gängen brannte die rote Arztlampe. Unfalleinlieferung, diensttuende Chirurgen zum OP-Saal! bedeutete das.

      Der harte und oft grimmige Kampf um das Leben der Eingelieferten begann wieder wie alle Tage.

      *

      GEGEN ELF UHR TAUCHTE Schwester Gerda im OP-Saal auf. Sie flüsterte Dr. Wolf ins Ohr:

      „Das Frollein Braut wartet auf Ihnen, Doktorchen.“

      Dr. Wolf runzelte die Stirn.

      „Wer? Fräulein Peschke?“,

      „Nu ja doch, oder meinen Se, ich halt Ihnen für ’n Wüstling, dass se ’n Dutzend Bräute hab’n?“

      Sie schüttelte über Dr. Wolfs Frage den Kopf.

      „Auch schon ’n bisschen überarbeitet wie Dr. Helm, wie?“, meinte sie und rauschte hocherhobenen Kopfes hinaus.

      Als er Zeit hatte, ging Dr. Wolf nach draußen. Inge wartete diesmal nicht in seinem Büro. Im Treppenhaus neben dem Fahrstuhl stand eine Bank, dort saß sie.

      Dr. Wolf trat zu ihr und grüßte kühl.

      Sie hatte rotumränderte Augen; offenbar war sie die letzte Nacht nicht zum Schlafen gekommen.

      „Gert ... ich, ach, Gert, hast du nichts Netteres zu sagen?“, fragte sie bestürzt über seine Kühle.

      „Natürlich, falls du bei der Polizei warst.“

      Sie machte ein trotziges Gesicht.

      „Konnte ich mir gleich denken. Paps sagte schon, dass du mich nicht verstehen würdest. Ich will einmal in der Zeit, da wir uns kennen, deine Hilfe, will, dass du mich schützt, da versagst du schon.“

      Sie erhob sich und nahm ihre Handtasche auf. Mit abweisender Gelassenheit strich sie sich ihren beigefarbenen Staubmantel gerade.

      „Wenn ich sage, du sollst zur Polizei gehen, Inge, dann ist das mehr für dich als all das, was dir dein Vater geraten hat. Denn nun wird es sicher bitter.“

      Sie sah ihn mit flammendem Blick an.

      „Ja, und was macht das schon aus? Ob ich jetzt gehe oder ob du mich anschwärzt. Die Strafe ist sicher dieselbe.“

      Er wandte sich ab, ohne noch ein Wort zu ihr zu sagen. Dass sie ihm zutraute, sie zu denunzieren, hätte er nicht erwartet.

      Er hörte ihre Absätze auf der Treppe hacken, doch er sah sich nicht mehr um. Aus. Vorbei. Selbst wenn die Polizei nie dahinterkommen würde, eine Frau, die so handelte, konnte nicht seine Frau sein. Nie und nimmer. Er würde es nie verzeihen. Niemals!

      Die Arbeit ging weiter. Er kam auch dazu, Frau Hartwig mehrmals zu sehen an diesem Vormittage. Es ging ihr besser, doch sie stand noch immer unter dem Einfluss des Schocks. Als er ihr erzählte, was Herr Ritter ihm aufgetragen hatte, konnte sie ihm kaum folgen. Sie lächelte dann aber und schlief wieder ein.

      Indessen fiel der junge Ehemann der Stationsschwester auf die Nerven. Immer wieder wollte er seine Frau sehen, doch Schwester Gerda blieb hart. Nur einmal durfte er zwei Minuten lang zu ihr, mehr nicht.

      Endlich war Mittag. Dr. Wolf aß im kleinen Speisesaal der Ärzte und OP-Schwestern, aber es gab Rouladen, die er nicht mochte, jedenfalls nicht in der Form, wie sie in diesem Hause zubereitet wurden. Appetitlos schob er den noch halb gefüllten Teller zur Seite und zündete sich eine Zigarette an. Da kam gerade Dr. Holmann, der Oberarzt der Chirurgie, herein.

      Er ging geradewegs auf Dr. Wolf zu, nickte freundlich.

      „Mahlzeit, Wolf. Mensch, das war wieder so ’n Vormittag, was?“

      Er fuhr sich mit der flachen Hand über die spiegelnde Glatze und äugte durch seine randlose Brille zu Dr. Wolfs Teller.

      „Was? Rouladen? Und die lassen Sie stehen, Wolf? Menschenskind, und ein Gesicht machen Sie, als hätten Sie die Kündigung in der Tasche.“

      Er wandte sich der Bedienung zu.

      „Auch Rouladen!“, rief er, sah wieder Dr. Wolf an und meinte:

      „Ist ja kein Wunder, wenn wir durchdrehen. Heute Morgen bei mir allein zwei Oberschenkelhalsbrüche, fünfmal Appendix, eine Galle, bei der wir bald verrückt geworden wären, weil noch ’n Kollaps dabei auftauchte, dann noch zwei Schlüsselbeine, wie gesagt, es war ein reizender Vormittag.“

      „Ich habe mich die ganze Zeit ausgestreckt und geschlafen“, meinte Dr. Wolf trocken und musterte den fünfzigjährigen Kollegen spöttisch.

      „Sie