Christof Wackernagel

Traumprotokolle


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um Pflöcke, was mich wundert: »die haben die Bullen aufgestellt«, sagt er, »damit man nicht so rast hier«, und ich frage mich, was passiert, wenn man zu spät bremst und mit Tempo darauf fährt, und in dem Lokal kommt gerade die Politikerin mit ihrem Staatssekretär an, die »sich nicht an Hubschrauber gewöhnen kann«, weswegen sie umständlich auf dem Landweg transportiert werden muss, alles voller Bodyguards, und sie braucht einen Teil des Lokals für sich, abgetrennt durch eine Holz-Glas-Wand, und im Nebenraum sitze ich beim Wirt, der Würstl mit Kartoffelsalat isst, und schiele auf seinen Teller, will auch sowas, was »kein Problem« ist, zurück im Schiff finde ich es nur blöd, dass meine Jeans, die ich doch gerade für acht Mark gerichtet habe, beziehungsweise richten ließ, nun im Meer weggeschwommen ist, als ich sie vorhin auszog, wozu mir die anderen, die in ihren Kojen herumliegen, zustimmen {das riesige Schiff, das den hunderte von Metern langen rasenden Stapellauf auf Holzrollen machte} –

      – in der schwedischen Botschaft macht Louis-Radu4 Vorbereitungen für einen neuen Spielfilm, in dem ich mitspiele, und ich gehe währenddessen spazieren, es ist ein großes modernes Haus auf einem Hügel gelegen, und wie ich in immer neue leere Hallen vorstoße, kommen plötzlich zwei Leute vom Wachpersonal und nehmen mich fest, es ist verbotenes Gelände, aber ich komme mit einer Verwarnung davon und verstecke meinen Shit unter Steinen im Fluss am Rand, bevor ich, wieder in der Botschaft, mit Delf Schmidt, der in einem düsteren, großen Raum an einem Schreibtisch in der Mitte steht, sonst nichts im Raum, über den Text und die Bitte um Unterstützung einer wahrscheinlich RAF Mutter redet, wobei ich mich ein wenig darüber ärgere, wie ernst er das nimmt, dann aber ist eine schon geprobte Szene erst nach dem Mittagessen dran, ausgerechnet die Liebeszene mit Sabine Böing, bei der wir uns am Boden wälzen, und die wir vorsichtshalber nochmal üben, vor dem Mittagessen, aber dann muss ich mein Textbuch suchen, um während des Mittagessens noch lesen zu können, finde es aber nirgends, die Zeit vergeht, ein Techniker schlägt vor, seines zu kopieren, und auf der Wiese vor der Botschaft, dem zum Teil bewaldeten Hang, frage ich mich, wie das Drehen weitergehen soll, wenn ich jetzt verhaftet werde und nicht sofort wieder rauskomme, der Aufnahmeleiter kommt, läuft ein wenig mit mir den Hang runter und tröstet mich, verbreitet Zuversicht, der ich nicht traue, womöglich checkt er schon Ersatz ab und ich stehe unten am Tor, neben einem kleinen Blockhaus, als ein Typ durch den Wald zum Ausgang kommt, einen Schlüssel in der Hand, und mir zuzwinkert, aufschließt und vorschlägt, dass ich abhaue, aber könnte eine Falle sein, und dann wäre es mit dem Drehen ganz aus, und ein anderer Typ meint, ich sähe eh witzig aus mit meinem Hemdchen und untenrum nackt –

      – ich muss wieder mal in den Knast, bekomme eine Luxuszelle, eine Suite mit mehreren Zimmern, die sogar auf verschiedenen Ebenen liegen, und es kommen vier Wächter mit einem riesigen Blumenstrauß und anderen Geschenken, Prinz Eisenherz ist dabei, sie sind höflich bis devot, und bringen außerdem eine Glückwunschkarte von Kittys Tochter, ein gefaltetes blaues längliches Kunstwerk mit Walen und mit einer zart-heftigen Liebeserklärung, die mich tief berührt, aber dann muss ich wieder mit den Wächtern reden und wir rechnen aus, wie viele Jahre es her ist, dass ich zuletzt da war, im Hof, der wie ein Zoogelände mit Felsen, verschlungenen Wegen etc. gestaltet ist, begegne ich Rudi Meier, auch Einzelhof mit Wachbegleitung, »auch wieder da«, sagt sein Wächter, und Rudi Meier setzt sich auf einen Stein und lächelt, er hat auch einen Regenüberwurf aus Plastik an, wie ich, und es beginnt, stark zu regnen, und zurück in meiner länglichen Parterrebude, vor der auf der Straße ein Loch gebuddelt wird, kommt ein Kollege, und wir bringen durch Stiche in einen schwarzen Sack meine Mutter um, was mir, als wir das kleine schwarze Bündel, das höchstens fünfzig Zentimeter lang ist, neben das Loch legen, sofort wahnsinnig leid tut, aber nun ist es zu spät, es ist entsetzlich, ich rufe auf der Straße stehend die Bullen an, und der Typ am anderen Ende versteht kaum etwas, ist sanft und verständnisvoll, »sprechen Sie langsam und deutlich in Ihrer Telefonzelle, gehen Sie ganz hinein«, aber es ist sinnlos, ihm zu erklären, dass ich gar nicht in einer Telefonzelle stehe, und während ich versuche, ihm die Gideon-Bacher-Straße zu buchstabieren, kommt weiter vorne, wo Rolf Staudenberger wohnte, eine riesige Fastnachtshand aus der Ausfahrt gequollen, und mit den Bullen kommt die Presse, vor allem eine in braunes Wildleder gekleidete Fotografin, die alles genau fotografiert, das Fenster, mich, Details, und während sie sich zum Fenster hinausbeugt, klopft ein hinter ihr stehender Kollege auf ihr feines Ärschchen und sagt: »das ist doch was?«, worauf sie aber nur zynisch reagiert und weiter fotografiert, und dann reden wir alle, Bullen und Fotografen, ich drinnen am Fenster, sie draußen im Halbkreis davor, was wohl los ist, vorsichtig sind sie, wollen meinen Wahn nicht direkt aussprechen, aber ich weiß selbst inzwischen, dass alles nur Einbildung ist, denn es gibt ja keine Leiche, und ich hoffe, dass das nicht publik wird – Heiner bringt mich zurück in den Knast, aber ich habe wahrscheinlich die Kassette vergessen; er meint, das sei doch egal, sei doch bei ihm gut aufgehoben, und ich suche in den großen, mit einem Durchgang verbundenen Zellen, finde sie aber dann doch in der oberen Jacketttasche vorne, um dann mit zwei Kollegen noch irgendwie zu feiern, wozu wir aber erst bei Beatrice Feldmann im Lädchen uns versorgen, einer holt sich einen Flachmann und hebt ihn begeistert hoch – in dem Saal vor meiner Zelle packe ich mit einem Wächter Zeugs aus, das auf einem riesigen Haufen liegt, alles meins, einen Brief mit Kassetten, eine Stange, was ich alles mit reinnehmen kann, und schließlich noch eine Paketrolle, die aber mit Tesa beklebt ist, unendlich viel Tesa, Nata im halblangen Rock hilft auch, die Tesastreifen abzureißen, und die Rolle ist vier bis sechs Meter lang, mit mindestens fünfzig Zentimetern Durchmesser –

      – mit Peter Timm nach Drehschluss die Idee, einen Film nur mit Leuten zu machen, die erzählen, was sie machen würden, wenn sie Millionär wären; ein Schauspieler fängt sofort an, zu erzählen, was er dann täte, dermaßen affektiert und deutlich nur, um dann dazu engagiert zu werden, dass es peinlich ist • morgens bei Türcke stehe ich auf und muss pinkeln und merke, dass ich schon anfange, obwohl ich noch im Zimmer stehe, bremse, denke, wie krieg ich das nur weg, mit Tempos auftupfen –

      – ich will eine Probefahrt mit dem kleinen, runden Mazda machen, aber es dauert ziemlich lange, bis der Techniker ihn zusammengebaut hat, er wird zusammengesteckt, das Hinterteil will ich eben selber noch dranstecken, wobei der Wagen gar nicht soo klein erscheint, aber als ich kurz nochmal reingehe, ist er hinterher weg, hoffentlich muss ich ihn jetzt nicht bezahlen • wir treffen uns alle, die meisten sind drinnen, im großen Haus, ich stehe noch draußen und mache was am Boot, da steckt mir jemand, dass zwei von uns mich deswegen kritisiert hätten, nach dem Motto, ich mache nur, wozu ich Lust hätte etc., und ich rase wütend rein, stelle die beiden, die gesondert zusammenstehen und tuscheln, zur Rede − einer könnte Willy sein −, betone, dass es mir zu verdanken ist, dass das Boot repariert wurde, wodurch es, ganz nebenbei, auch als Schlafplatz, gerade für ihn, Willy, erhalten bleibe, und es ist dann sofort alles klar, große Versöhnung, wir umarmen und küssen uns zu dritt, und als ich rausgehe, steht da Elisabeth auf dem Platz mit einem Koffer und will gehen, ich frage erstaunt, warum sie nichts gesagt hat, aber sie will zu einer Frau mit der sie zusammenleben will, einer Lesbe und eine ganz tollen Wahnsinns-Übernutte, die es schafft, auf einem Blumenpodest ohne Blumen, auf dem Platz, direkt neben uns liegend, aber nicht zu sehen, gleich drei Männer gleichzeitig, die geil an sie ran wollen, abzuwehren, nicht ranzulassen, zu verscheuchen –

      – wir schlafen zu mehreren oben in einem kleinen Zimmer, aber es wird jetzt Zeit, aufzustehen, wenn man raussieht, wird man halt gleich durch die die runden Bögen vor, beziehungsweise an den Fenstern der mehrstöckigen Häuser, daran erinnert, dass wir in einem arabischen Land sind, und ich unterhalte mich noch ein wenig mit Nägele, dann müssen wir aber runter zu Renates Geburtstagsfeier, wo auch schon einige da sind, aber es sind nur elf Leute und Renate ist frustriert, schaut traurig, enttäuscht, will es sich aber nicht anmerken lassen, außerdem muss sie dauernd irgendwelche der vielen Kinder versorgen, die mitgebracht werden, was ihr auch nicht gefällt, und die Kinder hauen sich –

      – in der Vorhalle des Hauses, zu dem ich streckenweise schon geflogen bin, rede ich mit einem über den Rollstuhlfahrer, von dem auch schon in der Straßenbahn die Rede war, und er behauptet, der sei tot, aber kurz darauf kommt er in seinem Rollstuhl angefahren, und so kann ich mit Nata gehen, wobei ich ihr das Fliegen zeigen will, es aber nicht schaffe, zu zweit abzuheben, {der Zwischenstop unter der Brücke auf dem Weg in die USA} und dann lange durch die Verkaufshallen irre, wo ich noch einen Rest von dem samtartigen Stoff für Erika